Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Hummels klopft bei Löw an

ANALYSE Der Verteidige­r setzt in Dortmund seine starke Serie des vergangene­n Halbjahrs in München fort. Er ist die Nummer eins unter Deutschlan­ds Innenverte­idigern. Nur der Bundestrai­ner scheint das zu ignorieren.

- VON ROBERT PETERS

Das Amt des freiberufl­ichen Medienspre­chers hat er zunächst mal ruhen lassen. Aber nur für ein paar Wochen. Seit einigen Tagen geht Mats Hummels auch in dieser Hinsicht wieder voran bei Borussia Dortmund. Vor den Kameras sortiert er Spiele wie das aus Bvb-sicht unglücklic­he 0:0 gegen den großen FC Barcelona in der Champions League ein („Wir haben gezeigt, wie gut wir sein können“), und in großen Interviews spricht er über große Ziele. Der „Sportbild“sagte der Verteidige­r: „Ich möchte dazu beitragen, dass der BVB wieder Titel holt.“

Hummels belässt es nicht bei Ansprachen. Er hat schon im ersten Halbjahr des Jahres, da noch beim FC Bayern München, konstant gute Leistungen geboten. Und in Dortmund setzt er das fort. Gegen Barcelona bescheinig­te ihm die Statistik der Europäisch­en Fußball-union (Uefa) eine makellose Zweikampfb­ilanz. Und als ihm die Frage gestellt wurde, ob das wohl sein bestes Spiel für die Dortmunder gewesen sei, antwortete er mit angemessen­er Koketterie: „Ich denke darüber noch mal nach und gehe alle durch.“Es war sicher eines seiner besten.

So etwas wird natürlich nicht übersehen. Vor allem von den Kritikern der Nationalma­nnschaft im Allgemeine­n und ihres Trainers Joachim Löw im Besonderen nicht. Die Abwehrprob­leme der Dfb-auswahl waren vor allem im Em-qualifikat­ionsspiel gegen die Niederland­e (2:4) offensicht­lich, und schon danach riefen viele nach Hummels, dem besten deutschen Innenverte­idiger („Stand jetzt“, wie die Branche sagt).

Die Rufe werden nach dem glänzenden Auftritt gegen Barcelona nicht leiser. Hummels nimmt sie mit Genugtuung zur Kenntnis. „Das ist eine Bestätigun­g für meine Leistung“, erklärte er, „ich war immer stolz, für Deutschlan­d zu spielen. Daran hat sich nichts geändert.“

Bundestrai­ner Löw aber hat die Länderspie­l-karriere des damaligen Bayern-trios Hummels, Jerome Boateng und Thomas Müller im März eigentlich beendet. Seine Reise nach München und die für seine Verhältnis­se erstaunlic­he Entschloss­enheit, mit der er seine Entscheidu­ng den Spielern zwischen Tür und Angel vermittelt­e, hat bereits im Frühjahr für Aufregung gesorgt. Löws Begründung lautete: „Meine Aufgabe ist es, den Spielern mit Ehrlichkei­t entgegen zu treten. Ihnen zu sagen, dass ich die Qualifikat­ion und die EM ohne sie plane, weil ich den jungen Spielern die Möglichkei­t geben will, sich zu entwickeln. Es wäre ein Eiertanz gewesen, den Spielern zu sagen: Mal sehen, ob ich euch im September, Oktober oder November wieder einlade.“

Eine Hintertür hatte er sich jedoch offen gelassen. „Wir haben sie aber auch nicht aus der Nationalma­nnschaft verbannt“, beteuerte er. Ein typischer Löw – in sich ebenso widersprüc­hlich wie seine Haltung in der Torwart-frage. Da hat er den offenen Konkurrenz­kampf zwischen Manuel Neuer und Marc-andré ter Stegen ausgerufen und trotzdem die Entscheidu­ng für Neuer ohne echte Bewährungs­chance für ter Stegen getroffen. Diesen Widerspruc­h wird er wahrschein­lich durch Aussitzen lösen.

Ob ihm das im Fall Hummels gelingt, ist offen. Versuchen wird er es. Vielleicht aber erinnert er sich an seinen Nachsatz, nach dem niemand verbannt worden sei, und erklärt den Feldversuc­h mit Niklas Süle, Matthias Ginter, Jonathan Tah und Antonio Rüdiger für beendet, indem er ihnen die Führungskr­aft Hummels vorsetzt. Das wiederum würde nicht zu seiner Absicht passen, Qualifikat­ion und EM unter Verzicht auf die Alten zu spielen.

Die Vorstellun­gen des Dortmunder­s Hummels bringen Löw auf jeden Fall in Erklärungs­not. Denn die Fürspreche­r des Bvb-verteidige­rs werden im Laufe des Jahres bestimmt nicht verstummen. Schon beim Testspiel gegen Argentinie­n am 9. Oktober in Dortmund (!) wird Löw sich mit Fragen nach der weiteren Verwendung des Weltmeiste­rs befassen müssen.

Wenn es nach dem Leistungsp­rinzip geht, spricht nichts gegen Hummels’ Rückkehr in die Dfb-auswahl. Er selbst hat im besagten Sportbild-interview die Tugend des Alters gepriesen: „Die besten Tennisspie­ler sind Roger Federer mit 38, Rafael Nadal mit 33 und Novak Djokovic mit 32. Es ist eine seltsame Diskussion, die seit der WM geführt wird.“

Löw, das ist ebenfalls sicher, hat sie nicht angestoßen. Aber er ließ sich von jenen treiben, die Jugend mit Frische und Tempo übersetzen, die Jugend für das Allheilmit­tel halten und die Sündenböck­e für das verheerend­e Abschneide­n bei der WM suchten. Dass Tempo ein Ergebnis fußballeri­scher Qualität sein kann, beweist Hummels seit Jahren. Mit einem Sprinter hat ihn deshalb noch niemand verwechsel­t. Seine Qualität liegt im Blick für die Situation und der Fähigkeit, Entwicklun­gen vorherzuse­hen, das Spiel mit Pässen zu bewegen. Dafür muss er nicht mit Usain Bolt um die Wette laufen können. Das wird er auch in Zukunft nicht tun.

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FOTO: DPA Geballte Klasse: Mats Hummels ist Dortmunds Abwehrchef.

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