Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Mobilität per Joystick und App.
Bei der Pflegemesse Rehacare stehen diesmal elektronische Mobilitätskonzepte für ältere oder behinderte Menschen im Mittelpunkt. Zudem geht es um moderne Hilfen für den Arbeitsalltag.
Konzepte für E-mobilität sind ein großes Thema. Während elektronische Fortbewegungsmittel teils kontrovers diskutiert werden, stellen sie für viele Menschen mit einer Gehbehinderung ein unersetzliches Hilfsmittel im Alltag dar. Teilweise autonomes Fahren oder Treppenstufen bewältigen – auf der gestern in Düsseldorf gestarteten Pflegemesse Rehacare zeigte sich, dass E-mobilität die Möglichkeiten von Rollstühlen erweitert. Auch die Inklusion im Arbeitsalltag soll durch innovative Hilfsmittel besser ermöglicht werden. Insgesamt 751 Aussteller aus 43 Ländern sind noch bis zum 21. September auf der Messe vertreten. Diese wendet sich an Fachbesucher, beispielsweise aus Pflegeeinrichtungen und Kliniken, aber auch an Betroffene und Angehörige.
Begonnen hat bei den Schweizer Herstellern des „Scewo Bro“2014 alles noch mit einem Studentenprojekt. Mitte 2020 soll der spezielle Elektrorollstuhl nun in Deutschland auf den Markt kommen. „Es ist der erste Elektrorollstuhl auf zwei Rädern, der sich mit einem Joystick steuern lässt“, erklärt Mitgründer Thomas Gemperle. Das futuristische Design täuscht nicht, denn der Rollstuhl ist vollgepackt mit Sensoren und zwei speziellen Raupen-schienen unter den Rädern. Diese halten den Rollstuhl in gerader Fahrtrichtung und ermöglichen es dem Nutzer, sowohl Treppen rückwärts zu erklimmen, als auch die Höhe oder Tiefe des Rollstuhls individuell einzustellen. Zusätzlich zum Joystick erfolgt die Bedienung per App, die auch bald das alleinige Steuern des Gefährts ermöglichen soll. Die Technologie hat ihren Preis: Bis zu 30.000 Euro wird das Gerät kosten.
Wer nicht auf einen Elektrorollstuhl angewiesen ist und eine kostengünstigere Alternative sucht, für den kommen leichte Zuggeräte infrage. Die Firma Triride stellt solche Maschinen mit zwischen 25 und 100 Kilometer liegenden Reichweiten her. Das System ist an die allermeisten Rollstühle mit wenigen Handgriffen montierbar und wieder abnehmbar, sodass er sich beispielweise als Reisebegleiter für längere Strecken eignet.
Zudem arbeiten immer mehr Hersteller daran, Menschen mit Behinderung zu helfen, dass sie ohne Einschränkung ihrer Arbeit nachgehen können. Matthaeus Drory entwickelte mit „TIPY“ein spezielles Keyboard, das Maus und Tastatur mit einer Hand bedienbar macht. Im Dezember bringt der Österreicher die Tastatur auf den Markt. Sie ist so konzipiert, dass besonders Tastenkombinationen für Links- und Rechtshänder bequem mit einer Hand zu erreichen sind.
Dass Peter Lammer sein „Standing Ovations“-schienensystem entwickelte, geschah aus einer Not heraus. Der gelernte Koch war nach einem Motorradunfall schwerstbehindert, konnte seine Beine kaum noch belasten. Eine Weiterführung seiner Tätigkeit schien unmöglich. „Die Gefahr bestand, mitsamt meiner vier Kinder in die Armut abzurutschen“, sagt Lammer. Stattdessen entwickelte er mit seinem Freund Bernhard Tichy ein System aus Schienen und Seilen, welches ihm stehendes Arbeiten in der Küche wieder ermöglichte. Inzwischen hat der Gastronom sogar wieder ein Restaurant eröffnet. Die C-förmige Sitzhebevorrichtung ermöglicht es dem Nutzer, sich auf vier Metern Länge und Breite individuell zu bewegen und schwere Gewichte ohne Belastung der Beine zu transportieren. Somit könnte es auch in der medizinischen Rehabilitation zum Einsatz kommen.
Anspruchsvolle Tätigkeiten per Hand kann der Roboterarm „Bateo“ der Firma Exxomove noch nicht ersetzen, dafür möchte er Schwerstbehinderten mehr Bewegungsfreiheit garantieren. Montierbar an jeden Rollstuhl kann der Arm beispielsweise per Kopf oder Kinn gesteuert werden, um kleinere Gegenstände zu greifen oder Türen zu öffnen. „Besonders Menschen, die durch eine hohe Querschnittlähmung ihre Arme nicht mehr benutzen können, erhalten dadurch ein wenig mehr Selbstbestimmung im Alltag“, sagt Geschäftsführerin Konstanze Hager.