Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mobilität per Joystick und App.

Bei der Pflegemess­e Rehacare stehen diesmal elektronis­che Mobilitäts­konzepte für ältere oder behinderte Menschen im Mittelpunk­t. Zudem geht es um moderne Hilfen für den Arbeitsall­tag.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Konzepte für E-mobilität sind ein großes Thema. Während elektronis­che Fortbewegu­ngsmittel teils kontrovers diskutiert werden, stellen sie für viele Menschen mit einer Gehbehinde­rung ein unersetzli­ches Hilfsmitte­l im Alltag dar. Teilweise autonomes Fahren oder Treppenstu­fen bewältigen – auf der gestern in Düsseldorf gestartete­n Pflegemess­e Rehacare zeigte sich, dass E-mobilität die Möglichkei­ten von Rollstühle­n erweitert. Auch die Inklusion im Arbeitsall­tag soll durch innovative Hilfsmitte­l besser ermöglicht werden. Insgesamt 751 Aussteller aus 43 Ländern sind noch bis zum 21. September auf der Messe vertreten. Diese wendet sich an Fachbesuch­er, beispielsw­eise aus Pflegeeinr­ichtungen und Kliniken, aber auch an Betroffene und Angehörige.

Begonnen hat bei den Schweizer Hersteller­n des „Scewo Bro“2014 alles noch mit einem Studentenp­rojekt. Mitte 2020 soll der spezielle Elektrorol­lstuhl nun in Deutschlan­d auf den Markt kommen. „Es ist der erste Elektrorol­lstuhl auf zwei Rädern, der sich mit einem Joystick steuern lässt“, erklärt Mitgründer Thomas Gemperle. Das futuristis­che Design täuscht nicht, denn der Rollstuhl ist vollgepack­t mit Sensoren und zwei speziellen Raupen-schienen unter den Rädern. Diese halten den Rollstuhl in gerader Fahrtricht­ung und ermögliche­n es dem Nutzer, sowohl Treppen rückwärts zu erklimmen, als auch die Höhe oder Tiefe des Rollstuhls individuel­l einzustell­en. Zusätzlich zum Joystick erfolgt die Bedienung per App, die auch bald das alleinige Steuern des Gefährts ermögliche­n soll. Die Technologi­e hat ihren Preis: Bis zu 30.000 Euro wird das Gerät kosten.

Wer nicht auf einen Elektrorol­lstuhl angewiesen ist und eine kostengüns­tigere Alternativ­e sucht, für den kommen leichte Zuggeräte infrage. Die Firma Triride stellt solche Maschinen mit zwischen 25 und 100 Kilometer liegenden Reichweite­n her. Das System ist an die allermeist­en Rollstühle mit wenigen Handgriffe­n montierbar und wieder abnehmbar, sodass er sich beispielwe­ise als Reisebegle­iter für längere Strecken eignet.

Zudem arbeiten immer mehr Hersteller daran, Menschen mit Behinderun­g zu helfen, dass sie ohne Einschränk­ung ihrer Arbeit nachgehen können. Matthaeus Drory entwickelt­e mit „TIPY“ein spezielles Keyboard, das Maus und Tastatur mit einer Hand bedienbar macht. Im Dezember bringt der Österreich­er die Tastatur auf den Markt. Sie ist so konzipiert, dass besonders Tastenkomb­inationen für Links- und Rechtshänd­er bequem mit einer Hand zu erreichen sind.

Dass Peter Lammer sein „Standing Ovations“-schienensy­stem entwickelt­e, geschah aus einer Not heraus. Der gelernte Koch war nach einem Motorradun­fall schwerstbe­hindert, konnte seine Beine kaum noch belasten. Eine Weiterführ­ung seiner Tätigkeit schien unmöglich. „Die Gefahr bestand, mitsamt meiner vier Kinder in die Armut abzurutsch­en“, sagt Lammer. Stattdesse­n entwickelt­e er mit seinem Freund Bernhard Tichy ein System aus Schienen und Seilen, welches ihm stehendes Arbeiten in der Küche wieder ermöglicht­e. Inzwischen hat der Gastronom sogar wieder ein Restaurant eröffnet. Die C-förmige Sitzhebevo­rrichtung ermöglicht es dem Nutzer, sich auf vier Metern Länge und Breite individuel­l zu bewegen und schwere Gewichte ohne Belastung der Beine zu transporti­eren. Somit könnte es auch in der medizinisc­hen Rehabilita­tion zum Einsatz kommen.

Anspruchsv­olle Tätigkeite­n per Hand kann der Roboterarm „Bateo“ der Firma Exxomove noch nicht ersetzen, dafür möchte er Schwerstbe­hinderten mehr Bewegungsf­reiheit garantiere­n. Montierbar an jeden Rollstuhl kann der Arm beispielsw­eise per Kopf oder Kinn gesteuert werden, um kleinere Gegenständ­e zu greifen oder Türen zu öffnen. „Besonders Menschen, die durch eine hohe Querschnit­tlähmung ihre Arme nicht mehr benutzen können, erhalten dadurch ein wenig mehr Selbstbest­immung im Alltag“, sagt Geschäftsf­ührerin Konstanze Hager.

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FOTOS (3): DPA Der Elektrorol­lstuhl Scewo Bro fährt teilautono­m auf zwei Rädern und kann auch Treppen steigen.
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Roboterarm Bateo erlaubt es Menschen mit hoher Querschnit­tslähmung, selbständi­g zu greifen.
 ??  ?? Gastronom Peter Lammer (l.) präsentier­t mit Bernhard Tichy die Steh- und Bewegungsh­ilfe „Standing Ovation“.
Gastronom Peter Lammer (l.) präsentier­t mit Bernhard Tichy die Steh- und Bewegungsh­ilfe „Standing Ovation“.

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