Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Gastwirte suchen händeringend Personal
Schwierige Arbeitszeiten, mäßige Bezahlung – als Arbeitgeber hat die Gastronomie einen schlechten Ruf. Der Personalmangel zwingt viele Wirte zu improvisieren. Dabei versucht die Branche längst, mit attraktiven Angeboten neue Kräfte zu locken.
WILLICH Für Anja Heyes hat ein Arbeitstag immer häufiger mehr Stunden als regulär üblich. Die 35-Jährige und ihr Vater Georg betreiben in Willich das Restaurant „Landwirtschaft“auf dem Berderhof. Gäste kommen genug, was fehlt, ist Personal. Aktuell ein Chef de Partie für die Küche und ein stellvertretender Restaurantleiter. „Gerade junge Menschen haben keine Lust mehr, am Wochenende zu arbeiten“, sagt Heyes. Die Heyes sind aber nicht die einzigen Gastronomen, die händeringend nach Personal suchen. Auch Kerstin Rapp-schwan, die insgesamt vier „Schwan“-restaurants in Düsseldorf und Neuss betreibt, kennt das Problem. „Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert“, sagt sie. „Wir denken ständig darüber nach, was wir verändern müssen, damit der Betrieb reibungslos läuft, passen etwa die Speisekarte an.“ „Die Sorgen sind akut“, sagt Thorsten Hellwig, Sprecher des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands NRW (Dehoga), „ und beschränken sich nicht auf bestimmte Bereiche.“Das heißt, die Kräfte fehlen überall – vom Service über die Hotellerie bis zur Küche. Rund 1800 offene Stellen in der Gastro-branche in NRW verzeichnet allein die Online-börse gastrojobs.de. Tatsächlich sei das Angebot an offenen Stellen wahrscheinlich größer, erklärt Hellwig. Können diese nicht besetzt werden, hat das Folgen. „Ein Lokal zu schließen, ist sicher der letzte Ausweg“, betont der Dehoga-sprecher, „für manche Betriebe bedeutet es aber eine Herausforderung, die Öffnungszeiten aufrechtzuerhalten.“Fast alle müssten Prozesse optimieren und über veränderte Konzepte nachdenken – wie etwa eine abgespeckte Speisekarte. Laut Rapp-schwan gibt es kaum einen Wirt, den die Personalnot nicht umtreibt.
Aus Sicht der Gewerkschaft Nahrung Genuss Gaststätten (NGG) ist die Personalmisere aber zum Teil hausgemacht. „Das Image der Branche ist schlecht“, sagt Landesbezirkssekretär Torsten Gebehart, „was sehr bedauerlich ist.“Zurückzuführen sei das unter anderem auf eine nicht geringe Zahl schwarzer Schafe, die ihre Lehrlinge als billige Arbeitskräfte ausnutzen würden, statt sie qualifiziert auszubilden. Das spreche sich herum. Zudem sei die Bezahlung nach wie vor vergleichsweise mäßig. Wer als Angesteller in der Gastronomie eine Familie gründen oder sich ein Eigenheim anschaffen wolle, der habe schlechte Karten. Nach zwei Jahren verdiene ein gelernter Koch monatlich rund 2250 Euro brutto, eine ungelernte Sevicekraft komme auf etwa 1930 Euro. „Deshalb würden wir gerne an der Tarifschraube drehen“, sagt Gebehart.
Auch beim Dehoga möchte man die Attraktivität der Branchen-berufe erhöhen. Eine Möglichkeit sei es beispielsweise, auch in der Gastronomie den ermäßigten Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent zu berechnen. Das erhöhe den Spielraum für die Wirte, ihren Angestellten mehr zu bezahlen, sagt Hellwig. Zweitens sei ein anderes Arbeitszeit
„Die Situation hat sich in den vergangenen Jahren massiv verschlechtert“Kerstin Rapp-schwan Betreiberin Schwan-restaurants
modell wünschenswert – „weg von der Tageshöchstarbeitszeit hin zur Wochenhöchstarbeitszeit“. Heißt im Klartext: Die Tagesgrenze von maximal zehn Stunden würde fallen, die Monatsgrenze von 169 Stunden bleiben. „Das geschieht natürlich nur in Abstimmung mit den Mitarbeitern und bei entsprechendem Ausgleich“, erklärt Hellwig. Aus Sicht der NGG ist das jedoch ein Unding. „Da wird dann schnell aus einem Zehn-stunden-tag ein 14- oder 16-Stunden-tag“, sagt Gebehart. „Das geht nicht.“Gastronomin Rapp-schwan sieht das anders. Die Arbeitszeit dürfe nicht nur als Strafe gesehen werden, sondern biete viele Vorteile, etwa eine höhere Flexibilität.
Mehr oder minder Einigkeit herrscht bezüglich einer qualitativ hochwertigen Ausbildung. Eine Ausbildung in der Gastronomie, beispielsweise als Koch, würde weltweit geschätzt, sagt Hellwig, das sei in wenigen Berufen so. Doch der Arbeitsmarkt ist leergefegt. Erschwerend komme hinzu, dass immer mehr Schulabgänger studieren. „Das vergrößert das Problem, Auszubildende zu finden.“Für Betriebe, die hohe Standards erfüllen, will der Dehoga künftig ein Ausbildungssiegel einführen, um das Niveau zu heben und Anreize zu schaffen.
Bei der Maritim-kette, mit etwa 1000 Azubis über alle Lehrjahre hinweg einem der größten Ausbilder der Branche, setzt man schon lange auf attraktive Angebote und Arbeitsbedingungen, um junge Menschen zu locken. „Wir tun sehr viel für unsere Azubis“, sagt Sprecherin Harriet Eversmeyer. Das reiche von der Arbeitszeitdokumentation über eine konzerneigene Weiterbildungsakademie bis zum internen Azubi-pokal, einem Wettbewerb, bei dem die Auszubildenden ihr Können messen. Die Folge: „Bisher konnten wir unsere Stellen immer besetzen.“Auch für Rapp-schwan ist eine gute Unternehmenskultur ein Muss. Die Heyes zahlen sehr gerne übertarifliche Löhne, um das Personal zu motivieren und zu halten.
Gerade was das Finanzielle angeht, kritisiert Rapp-schwan aber auch die Belastungen, denen die Gastronomen unterworfen sind. „Wir werden von Regularien erdrückt“, sagt sie. Dazu komme, dass in der Gesellschaft oft die Wertschätzung für gastronomische Angebote fehle. Die Bereitschaft, dafür auch einen angemessenen Preis zu bezahlen, gehe zurück. „Ich würde mir eine größere Lobby für unsere Anliegen wünschen“, sagt sie, „aber in der Politik kümmert sich niemand um uns.“