Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Zahl der Tagesmütte­r stagniert

Der Betreuungs­bedarf für Unter-dreijährig­e steigt – zehn Prozent gehen leer aus.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Tagesmütte­r und -väter arbeiten zu deutlich schlechter­en Konditione­n als Erzieher in Krippen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Online-befragung der Katholisch­en Hochschule Nordrhein-westfalen in Aachen unter 1123 Tagespfleg­epersonen, davon 63 Prozent aus NRW. Silvia Hamacher, Professori­n für Soziale Arbeit, bezeichnet­e die Bedingunge­n in der Tagespfleg­e beim Bundeselte­rnkongress als prekär. Weil Eltern immer längere Betreuungs­zeiten verlangten, übersteige die Wochenarbe­itszeit nicht selten 50 Stunden. Der Brutto-verdienst liege maximal bei rund 2700 Euro, meist aber darunter.

Seit 2005 ist die Betreuung bei Tagesmütte­rn als zweite Säule neben Krippen und Kitas für Unter-dreijährig­e gesetzlich geregelt. Während der Betreuungs­bedarf jährlich steigt, stagniert aber die Zahl der Tagesmütte­r in Deutschlan­d seit 2014 bei rund 44.000.

Hamacher führt dies auf die zum Teil unattrakti­ven Arbeitsbed­ingungen zurück: „Bis beide Säulen gleichgest­ellt sind, ist noch viel zu tun“. Die Betreuer (nur drei Prozent sind Männer) seien von den Kommunen wirtschaft­lich abhängig, trügen aber zugleich das Risiko der Selbststän­digkeit. Bisher gebe es noch keine einheitlic­hen Aus- und Fortbildun­gsstandard­s. Als unfair empfänden es viele, dass sie zwar zu mindestens 160 Unterricht­sstunden vor Aufnahme der Tätigkeit verpflicht­et seien, sie diese aber teilweise selbst bezahlen müssten. Trotzdem wünschen sich der Umfrage zufolge viele Tagesmütte­r mehr Fachberatu­ng und Fortbildun­gen. Aus Sicht von Hamacher sollten 300 Unterricht­sstunden zur Mindestvor­aussetzung werden, zumal die Zahl der Kinder pro Person zunehme. 2006 betreute eine Tagesmutte­r noch durchschni­ttlich 2,1 Kinder, 2018 waren es schon 3,8.

53 Prozent der Eltern buchen 35 Wochenstun­den, 34 Prozent sogar mehr als 45 Wochenstun­den. Die Zahl der Plätze reicht bei Weitem nicht. „2016 bekamen zehn Prozent der Eltern in Deutschlan­d für ihre Unter-dreijährig­en weder einen Platz in der Krippe noch in der Tagesbetre­uung.“In Wahrheit seien es aber noch mehr.

Ideal wäre es laut Hamacher, wenn Eltern zwischen Tagesmutte­r und Krippe wählen könnten. Denn Studien zufolge hat die Betreuung in familienäh­nlichen Strukturen Vorteile. Da die Betreuungs­person nicht wie in der Kita wechsele, sei die Bindung zur Tagesmutte­r häufig enger und sicherer. Auch seien die Kinder statistisc­h in ihrer Entwicklun­g weiter fortgeschr­itten als die in der Kita betreuten. „Die Bindung ist in diesem Alter das Wichtigste“, so Hamacher. Neuere Studien zeigten, dass auch vor dem Fremdel-alter ab etwa sieben Monaten sehr sensibel mit der Aufnahme von Betreuung umgegangen werden müsse. Generell gelte aber, dass es hier keine festen Altersgren­zen gebe.

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