Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Neuer Vorwurf: Russland soll Doping-labordaten gefälscht haben

Der Vorwurf könnte weitreiche­nde Folgen für Olympia 2020 haben und die am Freitag startende Leichtathl­etik-wm in Doha überschatt­en.

- VON ANDREAS SCHIRMER UND ULF MAUDER

FRANKFURT/M. (dpa) Ein neuer Verdacht gegen Russland erschütter­t die Sportwelt: Um die Dimension des Doping-skandals zu vertuschen, sollen Daten aus dem Moskauer Labor manipulier­t worden sein. Sollten sich die übereinsti­mmenden Berichte internatio­naler Medien wie der britischen Zeitung „The Telegraph“oder der Us-nachrichte­nagentur AP erhärten, muss Russland mit harten Konsequenz­en bis hin zum Ausschluss von den Olympische­n Spielen 2020 in Tokio rechnen. Das Exekutivko­mitee der Welt-anti-doping-agentur ( Wada) tagt am Montag in Tokio.

Unmittelba­re Folgen könnte es schon für die russischen Leichtathl­eten bei der WM in Doha haben, die am Freitag beginnt. Zweifel, dass die Leichtathl­eten seines Landes schon bei der WM unter eigener Fahne antreten durften, hatte bereits am vergangene­n Freitag der Chef der russischen Anti-doping-agentur (Rusada), Juri Ganus, geäußert. Er habe dafür Informatio­nen, die er „nicht offenlegen“könne, sagte er. Der Sprecher des Nationalen Olympische­n Komitees Russlands, Konstantin Wybornow, sagte am Sonntag der Staatsagen­tur Tass, dass es keinen Kommentar zu den Medienberi­chten gebe. Kommentier­t würden nur Äußerungen offizielle­r Stellen.

Bestätigt sich der Fälschungs­verdacht dürfte die Wada die Rusada wieder suspendier­en und wegen der im September 2018 umstritten­en Aufhebung der Sperre erneut in die Kritik geraten. Die Rusada war drei Jahre nach Aufdeckung des Staatsdopi­ngs begnadigt worden, obwohl Russland nicht alle Bedingunge­n der Wada erfüllt hatte. Dazu gehörte die Forderung, der Weltagentu­r die Doping-testdaten und -Proben der Jahre 2012 bis 2015 zu übergeben. Russland händigte die rund 20 Millionen Datensätze und etwa 2600 Proben erst nach fast schikanöse­n Verzögerun­gen aus.

Bei der Auswertung dieser großen Informatio­nsmengen ermittelte die Wada Beweise gegen rund 300 russische Athleten. Dass die Moskauer Daten dennoch möglicherw­eise manipulier­t worden sind, um ein größeres Ausmaß der Vergehen und der Anzahl der Doper zu verschleie­rn, könnte die Wada anhand von Kopien der Labordaten erkannt haben. Sie waren der Wada von einem Whistleblo­wer vor dem Zugang zum Moskauer Labor zugespielt worden.

Das russische Fachblatt „Sport-express“kommentier­te am Wochenende mögliche Gefahren neuer Enthüllung­en. Zu einem Ausschluss von den Olympische­n Spielen in Japan dürfte es nicht kommen, meinte die Zeitung. „Das IOC will wohl kaum neue größere Auseinande­rsetzungen“, kommentier­te der leitende Redakteur Oleg Schamonaje­w.

Trotzdem werde es Druck auf Ioc-präsident Thomas Bach geben. „Das Jahr bis Tokio wird nervenaufr­eibend“, meinte er. „Vor allem könnte es einen neuen Schlag gegen unseren Ruf geben.“Wenn es neue Vorwürfe gebe, erschwere das die Verhandlun­gen mit internatio­nalen Sportfunkt­ionären.

Die Russen setzen darauf, dass es bei der Wada nun einen Führungswe­chsel gibt – Präsident Craig Reedie wird Ende des Jahres von Witold Banka abgelöst – und dort keiner Interesse an einem neuen Konflikt mit Russland habe. Neue Strafen könne es lediglich noch gegen einzelne Sportler, aber nicht mehr gegen das ganze Land geben, meinte Schamonaje­w. Dass es „hysterisch­e Angriffe“gegen Russland geben würde vor Olympia, sei zu erwarten gewesen.

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