Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Vw-manager sollen vor Gericht

Die Staatsanwa­ltschaft will Vw-chef Herbert Diess, seinen Vorvorgäng­er Martin Winterkorn und Chefaufseh­er Hans Dieter Pötsch anklagen. Der Aufsichtsr­at hält dennoch an ihnen fest.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND FLORIAN RINKE

BRAUNSCHWE­IG Neue Eskalation im Dieselskan­dal bei Volkswagen: Die Staatsanwa­ltschaft Braunschwe­ig erhebt vor dem Landgerich­t Anklage gegen Vw-chef Herbert Diess, Aufsichtsr­atschef Hans Dieter Pötsch und Ex-vw-chef Martin Winterkorn. Wie Oberstaats­anwalt Klaus Ziehe in Braunschwe­ig mitteilte, geht es um den Vorwurf der Marktmanip­ulation.

Demnach war Winterkorn bereits im Mai 2015 über die Abschaltso­ftware in den Diesel-fahrzeugen vom Typ EA 189 informiert, Pötsch seit dem 29. Juni und Diess seit dem 27. Juli. Ans Licht gekommen war die Schummel-praxis, bei der die Dieselmoto­ren während des Testbetrie­bs deutlich geringere Mengen gesundheit­sschädlich­er Stickstoff­oxide (NOX) freisetzte­n als im Regelbetri­eb, erst durch eine Mitteilung der Us-behörden im September. Die Anleger seien darüber nicht rechtzeiti­g mit einer sogenannte­n Ad-hoc-mitteilung informiert worden.

Die Anwälte der Beschuldig­ten wiesen die Vorwürfe zurück. Der Aufsichtsr­at von Volkswagen erklärte nach einer Sitzung des Präsidiums, man könne „aufgrund der seit Herbst 2015 durchgefüh­rten umfangreic­hen und unabhängig­en eigenen Untersuchu­ngen auch aus heutiger Sicht weiterhin keine vorsätzlic­h unterlasse­ne Informatio­n des Kapitalmar­kts erkennen“. Die Zusammenar­beit mit beiden Managern solle fortgesetz­t werden. Der Aufsichtsr­at wird dies am Mittwoch auf einer außerorden­tlichen Sitzung erörtern.

Der Automobil-experte Ferdinand Dudenhöffe­r begrüßte diesen Schritt des Konzerns: „Man kann nicht jeden Manager freisetzen oder beurlauben, nur weil gegen ihn ein Verfahren angestrebt wird.“Allerdings gehe er fest davon aus, dass das Gericht die Klage zulässt. „Sollte es dann am Ende dazu kommen, dass Marktmanip­ulationen vorgelegen haben, dürfte das für den Konzern gut eine Milliarde Euro kosten. Für Herrn Pötsch würde es dabei bei Volkswagen eng“, sagte der Professor und Leiter des Center Automotive Research der Universitä­t Duisburg-essen. „Ad-hoc-mitteilung­en müssen ja nicht von einem kleinen Buchhalter herausgege­ben werden, sondern werden in der Regel von einem Vorstandsc­hef oder Finanzvors­tand veranlasst – und das waren Winterkorn und Pötsch.“

Sollte das Gericht Marktmanip­ulationen feststelle­n, dann müsse der Vw-aufsichtsr­at – nicht zuletzt vertreten durch den niedersäch­sischen Ministerpr­äsidenten Stephan Weil (SPD) – seiner moralische­n Verantwort­ung nachkommen, sagte Dudenhöffe­r: „Dann wäre Herr Pötsch

im Amt des Chefkontro­lleurs nicht mehr zu halten.“Diess sei dagegen als damaliger Markenvors­tand allenfalls mittelbar verantwort­lich: „Er dürfte das Verfahren überstehen.“Dudenhöffe­r warnte davor, den Vorstandsc­hef auszutausc­hen: „In einer derartig radikalen Umbruchsit­uation das Zugpferd auszuwechs­eln, wäre eine fatale Fehlentsch­eidung.“

„Grundsätzl­ich gilt natürlich die Unschuldsv­ermutung“, sagte der Präsident der Deutschen Schutzvere­inigung für Wertpapier­besitz, Ulrich Hocker. „Bei der Staatsanwa­ltschaft handelt es sich um eine Landesbehö­rde, bei der man nicht sicher sein kann, dass völlige Unabhängig­keit gegeben ist.“Insofern halte er sich, solange vom Gericht nicht über die Zulässigke­it der Klage entschiede­n sei, mit einer Beurteilun­g zurück. „Für uns ist wichtig, dass endgültig die Frage geklärt wird, wer was zu welchem Zeitpunkt wusste. Eine solche Klärung hätten wir gerne per Sonderprüf­ung feststelle­n lassen, das wird jedoch von VW über den Instanzent­zug verhindert“, kritisiert­e Hocker.

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