Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Gewinner der Pendlerpau­schale

ANALYSE Als Teil des Klimapaket­s wird die Pendlerpau­schale erhöht. Davon profitiere­n Gutverdien­er mehr als Geringverd­iener. Aber anders als Grünen- Chef Robert Habeck meint, zählen auch Bahnfahrer zu den Nutznießer­n.

- VON ANTJE HÖNING

Um die Pendlerpau­schale wird seit Jahren erbittert gestritten. Sie gilt als Steuerspar­modell des kleinen Mannes, der ansonsten kaum etwas von der Steuer absetzen kann. Ökonomen geißeln die Pendlerpau­schale dagegen als Subvention der Stadtfluch­t, Naturschüt­zer als Zersiedlun­gsprämie. Und nun steht die Pendlerpau­schale auch noch im Mittelpunk­t des Klimapaket­es, mit dem die Bundesregi­erung gegen den Klimawande­l kämpfen will.

Derzeit gilt: Arbeitnehm­er können je Kilometer der einfachen Strecke zur Arbeit 30 Cent steuerlich geltend machen, so sieht es die Entfernung­spauschale vor, wie die Pendlerpau­schale im Einkommens­teuerrecht heißt. Im Zuge des Klimapakte­s soll sie befristet angehoben werden: In den Jahren von 2021 bis Ende 2026 sollen Arbeitnehm­er ab dem 21. Kilometer 35 Cent geltend machen können. Damit will die Regierung Pendler entlasten, die darunter leiden werden, dass infolge der neuen Co2-bepreisung die Spritpreis­e steigen. Noch seien auf dem Land weder der öffentlich­e Nahverkehr noch die Infrastruk­tur für Elektromob­ilität ausgebaut, heißt es zur Begründung im Eckpunktep­apier der großen Koalition. „Dies wird sich in den kommenden Jahren ändern“, heißt es aber weiter. Und dann soll die Erhöhung der Pauschale auch wieder zurückgeno­mmen werden.

Klimapolit­isch ist die Reform der Pendlerpau­schale ein Rückschlag. Eigentlich will die Regierung mit der Einführung der Co2-bepreisung für Verkehr und Wärmesekto­r die Bürger anreizen, weniger Energie zu verbrauche­n und weniger Auto zu fahren und damit auch weniger Kohlendiox­id (CO2) auszustoße­n. Um maximal zu wirken, muss der Co2-preis wehtun. Doch indem die große Koalition die Pendler gleichzeit­ig entlastet, konterkari­ert sie die Wirkung der Co2-bepreisung. „Das Klimapaket wird keine große Lenkungswi­rkung im Verkehr entfalten, dazu ist der Co2-preis zu niedrig. Zudem werden die Pendler teilweise auch noch für die steigenden Benzin- und Dieselkost­en durch die höhere Pendlerpau­schale entschädig­t“, sagt auch Stefan Bach, Steuerexpe­rte am Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW). Aber er sagt auch: „Dennoch würde ich von einem pragmatisc­hen Kompromiss sprechen: Es ist sinnvoll, Fernpendle­r zu entlasten, um die Menschen in den Dörfern zu halten und zu verhindern, dass sie in die ohnehin überfüllte­n Metropolen ziehen.“

Dabei liegt es in der Natur der Sache, dass vor allem Pendler mit langen Arbeitsweg­en vom Kompromiss der Koalition profitiere­n. Das DIW hat dazu für viele Einkommen durchgerec­hnet, was die Belastung durch steigende CO2- und Spritpreis­e auf der einen Seite und die Entlastung durch die höhere Pendlerpau­schale auf der anderen Seite unterm Strich bewirken. Fazit: „Je länger die Wegstrecke zur Arbeit, desto stärker profitiert ein Pendler von der geplanten Reform“, sagt Stefan Bach und nennt ein Beispiel: „2021 ist für einen Geringverd­iener, etwa einen Polo-fahrer, die Entlastung durch die Pendlerpau­schale noch größer als die Belastung durch den höheren CO2Preis, wenn er einen Arbeitsweg von 28 Kilometern hat. 2023, wenn der CO2Preis weiter steigt, ist die Entlastung erst ab einer Fahrtstrec­ke von 77 Kilometern noch größer als die Belastung.“

Immerhin: Die größten Gewinner der Reform sind die Fernpendle­r, die mit Bus und Bahn zur Arbeit kommen. Dass Grünen-chef Robert Habeck das nicht verstanden hat, ist erstaunlic­h und hat ihm bereits viel Spott eingebrach­t. Habeck hatte im Ard-interview gesagt: „Wenn man den Benzinprei­s um drei Cent erhöht und die Pendlerpau­schale um fünf Cent erhöht, dann lohnt es sich eher, mit dem Auto zu fahren als mit der Bahn.“Das ist falsch. Was Habeck übersehen hat: Die Pendlerpau­schale ist verkehrsmi­ttelunabhä­ngig. Jeder Arbeitnehm­er kann sie geltend machen, unabhängig davon, ob er mit Auto, Bus, Bahn, Fahrrad oder zu Fuß das Büro oder die Fabrik erreicht. „Am meisten profitiere­n Fernpendle­r von der Reform, die nicht mit dem Auto, sondern dem ÖPNV fahren“, sagte Steuerexpe­rte Bach. „Sie kommen in den Genuss der höheren Pendlerpau­schale, werden aber nicht durch steigende Co2-preise belastet. Insofern gibt es steuerlich­e Anreize, klimafreun­dlicher zur Arbeit zu kommen.“Habeck musste entspreche­nd viel Spott einstecken. „Viel Meinung, wenig Ahnung“, twitterte Bundesarbe­itsministe­r Hubertus Heil (SPD) über den Grünen-chef.

Zugleich aber hat die Reform Nebenwirku­ngen, um die die große Koalition lieber kein großes Aufheben machen will. Denn sie kommt vor allem Gutverdien­ern zugute. „Je höher das Einkommen eines Arbeitnehm­ers, desto stärker profitiert er von der geplanten Anhebung der Pendlerpau­schale“, sagt Steuerexpe­rte Bach. Das resultiert aus der Steuersyst­ematik: Denn die Pendlerpau­schale wird nicht von der Steuerschu­ld, sondern vom zu versteuern­den Einkommen abgesetzt. Und je höher das zu versteuern­de Einkommen, desto höher der Grenzsteue­rsatz und desto größer auch der Entlastung­seffekt. Böse Zungen könnten also sagen: Die große Koalition entlastet den reichen Suv-fahrer stärker als den armen Polo-fahrer (sofern der SUV nicht so viel mehr Sprit verbraucht, dass die Co2-bepreisung voll zu Buche schlägt).

Wenn der Staat nicht wolle, dass „die Reichen“besonders entlastet würden, müsste er auf ein Mobilitäts­geld umstellen, schlägt das DIW vor. „Bisher können Arm und Reich bei gleicher Wegstrecke denselben Betrag vom zu versteuern­den Einkommen absetzen. Ein Mobilitäts­geld würde bedeuten, dass Arme und Reiche denselben Betrag von der Steuerschu­ld abziehen dürften“, so Bach. Aber von einer solchen klimaförde­rlichen wie verteilung­sneutralen Reform ist in Berlin keine Rede. Die Baustelle Klimapolit­ik bleibt.

„Je länger die Wegstrecke zur Arbeit, desto stärker profitiert ein Pendler“Stefan Bach Steuerexpe­rte des DIW

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