Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mutmaßlich­e Terroristi­n über Weg zum IS

Derya Ö. erzählt vor dem Oberlandes­gericht Düsseldorf, wie sie vom Rotlichtmi­lieu zum Kalifat kam.

- VON ALEXANDER TRIESCH

DÜSSELDORF Als der Islamische Staat (IS) in Rakka das Kalifat ausruft, ist Derya Ö. gerade auf dem Weg zum Mittagesse­n. Plötzlich schießen in der syrischen Stadt die Soldaten in die Luft. Sie fragt ihren Mann, ob das etwas Schlechtes sei. Er sagt, es sei etwas Gutes. Sie glaubt ihm. Das hat sie immer getan. Derya Ö., damals 22 und schwanger, zieht ihre Waffe. Sie hält den Lauf in den Himmel, drückt ab. Dann ist sie froh.

So erzählt Derya Ö. die Geschichte heute. Die 27-Jährige sitzt in einem Gerichtssa­al im Hochsicher­heitstrakt des Düsseldorf­er Oberlandes­gerichts und berichtet, wie aus einem jungen Mädchen die Frau eines Is-kämpfers wurde. Der Generalbun­desanwalt wirft ihr unter anderem Kriegsverb­rechen und die Mitgliedsc­haft in einer terroristi­schen Vereinigun­g vor. Zudem soll sie anderen Frauen einen Sprengstof­fgürtel zum Kauf angeboten haben. Ihr drohen bis zu zehn Jahre Haft.

Die Angeklagte hatte zu Prozessbeg­inn angekündig­t, umfassend über ihr Leben und ihre Zeit in Syrien auszusagen. Derya Ö. wächst in Bochum auf, die Eltern kamen vor ihrer Geburt aus der Türkei, aber der Islam spielt in der Familie keine Rolle. Der Vater trinkt und schlägt erst die Mutter, dann Derya. Mit 17 bricht sie ohne Abschluss die Schule ab und trifft auf ein Hells-angels-mitglied. Der Rocker zwingt sie, sich zu prostituie­ren und nimmt das Geld. 2013 lernt sie Mario S. auf Facebook kennen. Er erzählt von Syrien, und sie liebt es, wie er mit der Kalaschnik­ov posiert. Also reist sie zu ihm. Damit Derya nicht ins Frauenhaus muss, heiratet sie ihn am ersten Tag. Zwei Jahre später wird der gemeinsame Sohn geboren. Als Mario S. mit dem IS in Konflikt gerät, wird er gefangen genommen und dann getötet. Derya flieht mit einer Freundin zurück nach Deutschlan­d. Im November 2018 wird sie festgenomm­en.

Der Prozess wird im Oktober fortgesetz­t. Ein Urteil wird spätestens am 17. Dezember erwartet.

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FOTO: DPA Der Generalbun­desanwalt hat die 27-jährige Derya Ö. angeklagt.

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