Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Alte Wälder sind das Allerwicht­igste“

Der Förster und Bestseller-autor äußert sich kritisch zu Wiederauff­orstungen.

- KIRSTEN BIALDIGA FÜHRTE DAS GESPRÄCH.

KÖLN 40 Jahre ist es her, dass „Waldsterbe­n“zu einem internatio­nal gebräuchli­chen Begriff wurde. Damals setzte der saure Regen den Bäumen zu, heute ist es der Klimawande­l. Stürme, Trockenhei­t und Borkenkäfe­rplage haben ein Ausmaß erreicht, das Bundes- und Landespoli­tiker zum Handeln zwingt. Am Mittwoch lädt Bundesagra­rministeri­n Julia Klöckner (CDU) zum Waldgipfel ein, am Dienstag hat sich das Landeskabi­nett im Sauerland vom Zustand des Waldes ein Bild gemacht. Beschlosse­n wurden für NRW 100 Millionen Euro für die Wiederauff­orstung und drei Millionen Euro zusätzlich für Ad-hoc-hilfen von jetzt 9,2 Millionen Euro.

Der Förster und Bestseller-autor Peter Wohlleben („Das geheime Leben der Bäume“) beobachtet den Wald seit Jahrzehnte­n. Wir trafen ihn am Rande der „Fridays for Future“-demonstrat­ion in Köln, wo er für Greenpeace auftrat.

Was ist für den Menschen bedrohlich­er: der Verlust der Artenvielf­alt oder der Klimawande­l? WOHLLEBEN Wir wissen nicht, was vordringli­cher zu bekämpfen ist. Häufig jedoch wird Klimaschut­z mit Maßnahmen erkauft, die gerade das Klima zerstören. Wie beim Anbau von Biomais.

Was müsste jetzt sofort geschehen? WOHLLEBEN Die Braunkohle-kraftwerke müssen abgeschalt­et werden. Wir brauchen die nicht, Deutschlan­d produziert sowieso überschüss­igen Strom. Der Kohle-ausstieg kommt 2038 zu spät. Welche Rolle spielen die Wälder beim Klimawande­l?

WOHLLEBEN Das Allerwicht­igste ist der Schutz der alten Wälder. Ein Beispiel: In einem alten Buchenwald nahe Köln kühlt es sich um viele Grad Celsius mehr ab als in der Stadt.

Es gibt eine neue Studie, wonach der Klimawande­l wirksam zu bekämpfen wäre, wenn nur genug Bäume gepflanzt würden. WOHLLEBEN Neu aufzuforst­en ist zwar auch wichtig. Entscheide­nd ist aber der Erhalt der alten Wälder. Bis ein junger Wald einen vergleichb­aren Klimabeitr­ag leisten kann, vergehen 30 bis 50 Jahre. Am besten ist es, wenn der Mensch den Wald einfach in Ruhe lässt, damit der sich regenerier­en kann. Seit 300 Millionen Jahren regelt die Natur das selbst. Aus Wald-plantagen müssen wieder Wälder werden.

Was halten Sie von Windrädern im Wald?

WOHLLEBEN Gar nichts, solange auf Dächern noch kaum Photovolta­ik-anlagen zu finden sind. Für jedes Windrad muss eine breite Schneise in den Wald geschlagen werden. Es gibt genug Möglichkei­ten, Windräder entlang von Autobahnen oder Bahngleise­n zu platzieren. Da, wo die Natur sowieso schon zerstört ist.

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FOTO: DPA Peter Wohlleben (55) ist Förster und Bestseller-autor.

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