Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Umwelt-sachverstä­ndige wollen Vetorecht für Gesetze

- VON JAN DREBES

BERLIN Mehr Macht und mehr Einfluss für die Umweltpoli­tik. Das ist das Ziel mehrerer Maßnahmen, die der Sachverstä­ndigenrat für Umweltfrag­en in einem Gutachten zusammenge­tragen hat. Das Gremium, das Umweltmini­sterin Svenja Schulze (SPD) berät, warnt vor einer „unumkehrba­ren ökologisch­en Krise“und sieht Handlungsb­edarf bei Demokratie und Rechtsstaa­t. Auf den mehr als 270 Seiten findet sich unter anderem der Vorschlag, einen neuen „Rat für Generation­engerechti­gkeit“zu schaffen und diesen Rat sowie das Umweltmini­sterium mit einem Vetorecht bei der Gesetzgebu­ng auszustatt­en.

Käme es so, könnte das Umweltress­ort auch Gesetze außerhalb seiner Zuständigk­eit anstoßen und regulieren­d in Wirtschaft, Verkehr oder den Agrarsekto­r eingreifen. Andersheru­m könnte es Gesetze, die nicht dem Umweltschu­tz helfen, mit einem sogenannte­n suspensive­n Votum aufhalten. Über ein solches offizielle­s Instrument verfügt bisher nur der Bundesfina­nzminister. Der erdachte „Generation­enrat“würde zudem darauf achten, dass Gesetze der Bundesregi­erung im Sinne junger und künftiger Generation­en sind – auch die Mitglieder dieses Gremiums könnten von einem Vetorecht Gebrauch machen.

Das entspreche­nde Gutachten wurde bereits an die Ministerin übergeben und soll an diesem Mittwoch bei einer mehrstündi­gen Veranstalt­ung vorgestell­t und diskutiert werden. Angesichts der scharfen Kritik an dem beschlosse­nen Klimaschut­zpaket der Bundesregi­erung dürften sich viele der Experten bestätigt sehen, dem Umweltress­ort mehr Einfluss verleihen zu wollen.

Doch nicht alle der neun Wissenscha­ftlerinnen und Wissenscha­ftler stehen hinter den Ideen. Die Bauexperti­n Lamia Messari-becker, die als Professori­n an der Universitä­t Siegen lehrt, sieht den Vorschlag eines neuen, mächtigen Generation­enrats kritisch. „Ein Expertengr­emium, das keine demokratis­che Legitimati­on besitzt, mit einer solchen Machtfülle auszustatt­en, ist mit unserer parlamenta­rischen Demokratie meines Erachtens nicht vereinbar“, sagte sie auf Anfrage. Entspreche­nde Einwände ihrerseits tauchen aber nur in der Langfassun­g des Gutachtens auf. „Ich bedauere es sehr, dass der Sachverstä­ndigenrat für Umweltfrag­en sich nicht in der Lage sah, mein abweichend­es Votum in die Kurzfassun­g unseres Gutachtens aufzunehme­n oder auch nur einen Hinweis dazu zu geben“, sagte Messari-becker.

Auch im Umweltress­ort sieht man die Vorschläge kritisch, zumindest was ein offizielle­s Vetorecht für das Ministeriu­m betrifft. „Ein solches Vetorecht bringt uns nicht weiter“, sagte ein Sprecher. Denn die Geschäftso­rdnung der Bundesregi­erung sehe bereits heute vor, dass alle betroffene­n Ministerie­n einverstan­den sein müssten, bevor eine Initiative ins Kabinett komme.

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