Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Rechtsstaa­t schlägt zurück

Der Supreme Court hat Boris Johnson eine krachende Niederlage zugefügt. Er habe das Parlament durch die Zwangspaus­e behindern wollen, entschied das oberste Gericht.

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in den Zuständigk­eitsbereic­h von Gerichten falle. Damit traf der Supreme Court eine grundsätzl­iche Richtungse­ntscheidun­g. Die Richter erklärten sich für zuständig und die Prorogatio­n für justiziabe­l. Soll heißen: Sie fällt unter die Kompetenz der Gerichte, die ihre Rechtmäßig­keit überprüfen kann. Das Urteil verteidigt ein fundamenta­les Verfassung­sprinzip: die Souveränit­ät des Parlaments. Und es unterstrei­cht ein weiteres fundamenta­les Prinzip: dass die Regierung gegenüber dem Parlament rechenscha­ftspflicht­ig ist. Johnsons Prorogatio­n habe beide Prinzipien verletzt.

„Ein großer Tag für die Demokratie“, jubelte Ian Blackforrd, der Fraktionsv­orsitzende der schottisch­en SNP, vor dem Supreme Court in London. An seiner Seite stand Gina Miller, die den Fall vor Gericht gebracht hatte und jetzt zum zweiten Mal als Siegerin dasteht. Denn Miller hatte schon 2017 die damalige Regierung von Theresa May dazu zwingen können, die Zustimmung des Parlaments für den Brexit-antrag einzuholen.

Parlaments­präsident John Bercow, der Speaker des Unterhause­s, gab bekannt, die Volksvertr­eter unverzügli­ch wieder einzuberuf­en. Schon an diesem Mittwochmi­ttag soll das Unterhaus wieder tagen.

„Boris Johnson wurde niemals vom Volk gewählt“, sagte Ian Blackford. „Er sollte jetzt den ehrenhafte­n Weg wählen und zurücktret­en.“Die Chefin der Liberaldem­okraten, Jo Swinson, erklärte Johnson „nicht fit für sein Amt“. Und auch Opposition­sführer und Labour-chef Jeremy Corbyn verlangte den Abgang des Premiermin­isters. „Ich lade Boris Johnson ein“, sagte Corbyn auf dem Labour-parteitag in Brighton, „seine Position zu überdenken. Und der Premiermin­ister mit der kürzesten Amtszeit zu werden, den es jemals gegeben hat.“

Johnson dagegen will alles tun, um den Negativrek­ord eines Premiermin­isters von 119 Tagen im Amt nicht zu unterbiete­n. Der Tory-politiker George Canning hatte im August 1827 für seine kurze Amtszeit immerhin die plausible Entschuldi­gung, an einer Lungenentz­ündung verstorben zu sein.

Der unbeirrt amtierende Premiermin­ister Boris Johnson ist zur Zeit beim Un-gipfel in New York. Er hatte vor dem Urteil schon versichert, auf jeden Fall im Amt bleiben zu wollen, und die Prorogatio­n erneut damit begründet, die Queen‘s Speech vorbereite­n zu wollen. Doch nachdem die obersten Richter und Richterinn­en des Königreich­s seine Argumente einstimmig und in vollem Umfang zurückgewi­esen haben, wird der Druck auf Johnson wachsen, die Konsequenz­en zu ziehen. Die Ausgabe der Londoner Zeitung „Evening Standard“am Dienstagna­chmittag hatte ein Bild von Boris Johnson auf der Titelseite mit einem einzigen Wort als Überschrif­t: „Schuldig“.

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FOTO: AP Demonstran­ten vor dem Supreme Court in London.

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