Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Staat stützt Condor mit 380 Millionen Euro
Neben der Airline will nun auch Thomas Cook in Deutschland eine Bürgschaft vom Staat. Der Aktienkurs der Tui schnellte unterdessen in die Höhe.
DÜSSELDORF So brutal ist die Marktwirtschaft: Um rund 15 Prozent ist der Aktienkurs der Tui, des größten Tourismuskonzerns der Welt, seit Montag hochgeschnellt – die Anleger erwarten, dass der Marktführer bei seinen jährlich rund 21Millionen Kunden künftig höhere Preise durchsetzen kann, nachdem Hauptkonkurrent Thomas Cook in London den Insolvenzantrag eingereicht hatte.
Während rund 150.000 Briten von der eigenen Regierung in die Heimat zurückgeholt werden, bangen Hunderttausende hiesige Kunden um ihre gebuchten Reisen: Thomas Cook in Deutschland inklusive der Ableger Neckermann Reisen, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen hat zwar noch nicht Insolvenz angemeldet, doch das Unternehmen aus Oberursel hat einen Antrag auf eine Kreditbürgschaft beimbund gestellt. Die Logik ist klar: Entweder es gibt Hilfe, oder Hunderttausende Reisen werden zum Versicherungsfall.
Am Abend gab es zumindest ein vorübergehendes Aufatmen für die Condor. Wie die Thomas-cook-tochter mitteilte, springen der Bund und die hessische Landesregierung der Fluggesellschaft mit einem Überbrückungskredit von 380 Millionen Euro zur Seite. Bei der Airline arbeiten rund 4900 Menschen, die Flotte ist mit 58 Flugzeugen die größte unter den fünf Fluggesellschaften von Thomas Cook. Damit die Staatshilfen nicht gegen Eu-recht verstößt, muss es die Aussicht auf einen längeren Fortbestand des Unternehmens geben. Condor will das einem Insider zufolge absichern, indem ein neuer Investor einsteigt. Der Flugbetrieb laufe weiter wie geplant, teilte die Condor mit.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) erklärte, dass die KFW das Darlehen gewähre, das zu 100 Prozent durch den Bund abgesichertwerde. An der Entscheidung seien neben demwirtschaftsministerium auch die Ressorts Finanzen, Verkehr, Justiz sowie das Auswärtige Amt und das Kanzleramt beteiligt gewesen. „Condor hat eine Perspektive nicht nur weiterhin zu überleben, sondern auch wirtschaftlich erfolgreich zu sein“, sagte Altmaier. Man sei überzeugt, dass der Kredit zurückgezahlt werde und dem Bund dadurch kein Schade entstünde.
Ob der Bund auch für die deutsche Thomas Cook eine Zukunft sieht, ist indes offen. Wie ernst die Lage dort ist, zeigt sich am Umgang mit den Gäste. Am Montag und Dienstag wurde 21.000 Reisendenverweigert, ihren bereits bezahltenurlaub anzutreten. Dieser Abreisestopp wurde für Mittwoch und Donnerstag verlängert. Es gäbe keine Alternative, heißt es in einem Schreiben an Reisebüros, das unserer Redaktionvorliegt. Denn Thomas-cook-urlauber würden weder von den Airlines noch von den Hotels „als Gast akzeptiert“.
Trotz Nachfragen verweigert Thomas Cook in Deutschland eine Antwort darauf, ob die geprellten Kunden ihr Geld zurückerhalten. „Falls die Insolvenz wirklich kommt, ist der Fall dann geklärt“, sagt Felix Methmann, Jurist beim Bundesverband Verbraucherzentralen, „dasticket ist ja versichert.“Die Verbraucherzentrale warnt aber davor, dass die maximaleversicherungssumme von 110 Millionen Euro eventuell bei Thomas Cook nicht ausreichen könnte.
Die Krise zeigt, wie sehr die traditionelle Pauschalreise unter Druck geraten ist. In Deutschland buchen zwar konstant rund 43 Prozent der Bürger ihre Urlaubsreise als Komplettpaket, sagt Martin Lohmann, Leiter des Instituts für Tourismusforschung in Kiel. Aber der Wettbewerb wird härter: Billigflieger wie Easyjet und Ryanair bieten ebenfalls Hotels als Teil der Reise an. Vergleichsportale wie Holidaycheck machen Angebote besser vergleichbar.
Dietui hat unter Führung des früherenvodafone-chefs Fritz Joussen reagiert. Der Konzern hat Hunderte Millionen Euroin attraktive neue Hotels und Clubanlagen, weitere Kreuzfahrtschiffe sowie die Digitalisierung gesteckt. Thomascook blieb derweil ein Handelskonzern, der massiv unter dem Margenverfall litt. Der Gewinn 2018/19 lag konzernweit praktisch bei Null.
Die Pauschalreise entwickele sich weiter, sagt Lohmann: „Früher war das weit überwiegend der Bade-urlaub in Spanien oder Griechenland, jetzt ist das Angebot breiter inklusiveder boomenden Kreuzfahrten sowie vielenferienclubs in der Karibik. Und mit vielen Zusatzangeboten wie Ausflügen, Theater und Mietwagen wird das Geschäft ausgebaut.“
Bei der Tui helfen die eigenen Reisebüros und Portale besonders gut, die Auslastung hoch zu halten. Damit die Gäste den Hannoveranern treu bleiben, setzt Joussen auf komplette Digitalisierung: Kunden können für einen Zuschlag ihr Wunschzimmer buchen – das erhöht diewiederbuchungen und den Gewinn.