Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Zuhören, wie eine Stadt tickt
Kommunikationsdesign hautnah: Düsseldorfer Studenten haben einen Innenstadt-platz erforscht und Menschen interviewt.
DÜSSELDORF Kommunikation ist alltäglich, aber nicht selbstverständlich: Wer sich mit wem austauscht und wessen Stimme im öffentlichen Diskurs zu hören ist, bestimmen unter anderem auch gesellschaftliche Faktoren. „Das zeigt sich zum Beispiel in der Stadtplanung“, sagt Janna Lichter, Masterstudentin und Mitarbeiterin an der Hochschule Düsseldorf (HSD). „Planungsprozesse finden oft nur innerhalb der oberen Instanzen statt.“Gemeinsam mit weiteren Studierenden
Ziel der Workshops: Anwohnern eine Stimme geben
des Fachs Kommunikationsdesign bemüht sich Lichter darum, auch Perspektiven der Anwohner sichtbar zu machen. „Wir möchten mit Menschen ins Gespräch kommen und ihnen Mittel anbieten, mit denen sie ihre Sicht kommunizieren können.“
Häufig haben die Studierenden in den letzten Monaten den Worringer Platz besucht. Immer mit dabei: Ein silberfarbener Übertragungswagen, der als mobiles Labor genutzt wird. „Mit dem Wagen erproben wir verschiedene Wege der Kommunikation“, erklärt die Professorin Anja Vormann, die das Projekt betreut. „Die Menschen können zum Beispiel Briefe an den Platz schreiben oder bei uns Kameras ausleihen, mit denen sie die Umgebung fotografieren. Bei einem anderen Workshop haben wir hier eine Küche improvisiert und mit den Leuten zusammen Obstsalat gemacht. Auch darüber kann man ins Gespräch kommen.“
Ursprünglich sollten die Begegnungen am Worringer Platz nur ein einwöchiges Blockseminar sein. Das war vor anderthalb Jahren. „Aber dann haben die Leute gefragt, wann wir wiederkommen“, berichtet Vormann. „Und jetzt sind wir eben ziemlich regelmäßig hier.“Besonders offen seien von Anfang an die Wohnungslosen gewesen, die den Worringer Platz als Treffpunkt nutzen. Aber auch mit Anwohnern, Reisenden und den Geschäftsleuten am Platz haben die Studierenden Kontakt aufgebaut. „Man lernt den Platz dadurch auf eine Weise kennen, wie es vom Schreibtisch aus nicht möglich ist“, erklärt Vormann. Dass die praktische Arbeit nicht immer Erfolg hat, ist ihrer Meinung nach ein weiterer Lerneffekt. „Die Menschen reagieren unterschiedlich auf unsere Workshops, nicht jeder möchte sich daran beteiligen. Aber mit diesen Erfahrungen kann man sich ja weiterentwickeln“, sagt sie.
Die Workshops vor Ort organisieren die Studierenden möglichst selbstständig. Den sozialen Anspruch ihrer Tätigkeit sollen sie erproben, bevor es nach dem Studium in die Wirtschaft geht. Absolventen des Studiengangs Kommunikationsdesign arbeiten zum Beispiel in Agenturen oder in der Foto- und Videokonzeption. Neben Kommunikation kann man an der HSD auch andere Design-schwerpunkte studieren: „Retail Design“befasst sich mit der Gestaltung von Räumen und Geschäften, „Exhibition Design“lehrt die Gestaltung von Ausstellungen, und wer „New Craft Object Design“studiert, lernt Produktdesign. Rund 1000 Studierende hat der Fachbereich Design derzeit. Bei praktischen Projekten wird oft auch fächerübergreifend gearbeitet.
Die Ergebnisse der praktischen Arbeit sollen nicht nur an der Uni genutzt werden, sondern auch vor Ort etwas bewirken. Der Vorteil der kreativen Methoden sei dabei, dass die Ergebnisse gleich in ansprechender Form als Bild oder Text vorliegen, erklärt Vormann. „Die Briefe wollen wir zum Beispiel gesammelt an die Bezirksbürgermeisterin Marina Spillner übergeben“, sagt Lichter.
Ende September eröffnet außerdem eine Ausstellung in der fifty-fifty-galerie, die Studierende gemeinsam mit den Menschen vor Ort gestalten. Neben den Ergebnissen der Workshops am Worringer Platz (Motto: „paradies Worringr“) wird sie auch Werke zeigen, die im Rahmen des Buchprojekts „Draußen sein“entstanden sind. Janna Lichter hat dafür Stefanie Kaufmann die Geschichten Düsseldorfer Obdachloser aufgeschrieben.
Die Menschen, die im Projekt „Draußen sein“porträtiert werden, präsentieren in der fifty-fifty-galerie eigene Gedichte, Musik sowie Fotografien.