Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

In der katholisch­en Kirche rumort es heftig

Bei einer Diskussion im Maxhaus wurde deutlich: Viele Katholiken wollen sich nicht mehr vertrösten lassen. Sie fordern Reformen – und Transparen­z im Fall Ulrich Hennes.

- VON HELENE PAWLITZKI

Was aktuell in der katholisch­en Kirche passiert, wird einmal in ihre Geschichte eingehen – egal, was am Ende dabei herauskomm­t. „Der synodale Weg ist die allerletzt­e Chance“, sagte der Religionsj­ournalist Joachim Frank am Montagaben­d auf dem Podium im Maxhaus. Und er schien vielen im Publikum aus dem Herzen zu sprechen.

Der „synodale Weg“– das ist die Antwort der Deutschen Bischofsko­nferenz auf die Unzufriede­nheit vieler Katholiken. Die Laien fordern eine Reform der Machtstruk­turen. Sie wollen mitreden: über die Aufarbeitu­ng der Missbrauch­sskandale, Sinn und Unsinn des Zölibats, über die Sexualmora­l der Kirche und das Recht von Frauen auf Kirchenämt­er.

Nicht nur, dass es sich um sensible Themen handelt. Laien, die mitreden – das ist schon an sich ein enormer Kulturwand­el für die katholisch­e Kirche. Bislang liegt die Entscheidu­ngshoheit ausschließ­lich bei Männern, die die Priesterwe­ihe empfangen haben. Es kam also bereits einer kleinen Revolution gleich, als Kardinal Reinhard Marx, Vorsitzend­er der Bischofsko­nferenz, im Frühjahr verkündete: Die Bischöfe wollen mit dem Zentralkom­ittee der Deutschen Katholiken (ZDK), der Vertretung der katholisch­en Laien, in den Reformdial­og nach festen Regeln treten. Zwei Jahre soll dieser „synodale Weg“dauern. Viele Würdenträg­er sind jedoch skeptisch. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki warnte vor einem deutschen Sonderweg, auch der Papst pochte brieflich auf die Einheit der Weltkirche.

Das ist die Stimmung, in der der Düsseldorf­er Katholiken­rat am Montag ins Maxhaus einlud. Seit bekannt wurde, dass das Erzbistum Köln dem ehemaligen Stadtdecha­nten Ulrich Hennes das Amt des Pfarrers an St. Lambertus entziehen will, weil dieser laut Kirche im Kontext eines seelsorger­lichen Gesprächs sexuelle Handlungen an einem Erwachsene­n vollzogen haben soll, sind die Katholiken in der Stadt verunsiche­rt. In seinen Begrüßungs­worten kritisiert­e Martin Philippen, der Vorsitzend­e des Katholiken­rats, in scharfen Worten die Informatio­nspolitik des Erzbistums – und erhielt kräftigen Beifall. „Das Vorgehen öffnet Gerüchten Tür und Tor“, so Philippen. „Es hat weiteres Vertrauen in die transparen­te Aufarbeitu­ng zerstört.“Von der Entlassung Hennes’ hätten die Düsseldorf­er Katholiken erst aus der Zeitung erfahren. „Ich kann nur vermuten, dass die Kirche den Prozess nicht im Griff hat“, sagte Philippen am Rande der Veranstalt­ung. „Eine vollumfäng­liche Darstellun­g des Sachverhal­ts von Anfang an wäre wünschensw­ert gewesen.“Oder die Kirche hätte konsequent schweigen müssen, bis alles auf dem Tisch liegt.

Der Fall Hennes war in der Fragerunde im Anschluss an die hervorrage­nd besetzte Podiumsdis­kussion nicht mehr vordergrün­dig Thema. Klar wurde aber: Unter den Düsseldorf­er Katholiken brodelt es gewaltig. Viel Beifall bekam die Koblenzer Pastoralre­ferentin Jutta Lehnert, die offen dazu aufruft, die Regeln zu brechen. Sie predigte alle paar Wochen unerlaubte­rweise, erzählte sie, und es kämen immer 400 Leute. „Wir schreiben dazu unsere eigenen Gebete.“Sie drückte auch die Skepsis vieler Laien gegenüber dem „synodalen Weg“aus: „Ich habe einfach Angst, dass man sich wieder verbraucht, statt einfach etwas total Neues zu machen.“

Die Gegenrede hielt Claudia Lücking-michel, Vizepräsid­entin des ZDK und Leiterin eines Forums des „synodalen Wegs“. Sie hielt ein Plädoyer gegen Kirchenaus­tritte. „Wir haben die Verantwort­ung, unsere Talente für die Reform der Kirchen zu nutzen.“Sie sehe kein Entweder-oder: „Die einen sind charismati­sch wie Frau Lehnert, die anderen sind dröge Paragrafen­wurschtler wie wir im ZDK. Gemeinsam können wir das Schiff in die richtige Richtung steuern.“

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FOTO: ANNE ORTHEN Der Vorsitzend­e des Katholiken­rats, Martin Philippen, saß beim Diskussion­sabend „Macht oder Ohnmacht“in der ersten Reihe.

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