Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Bettina Meyer ergründet das Innere des Menschen
KÜNSTLERIN
Ü berall stehen Skulpturen im Raum oder hängen von der Decke, unzählige kleine Modelle füllen die Sperrholzregale, in den Ecken stapeln sich Arbeitsmaterialien und Fachbücher: Wenn man durch das Atelier von Bettina Meyer spaziert, dann entdeckt man ständig etwas Neues. Wirklich vertraut wirkt jedoch keine der gefertigten Formen auf den Betrachter, denn nur selten lässt sich etwas Reales in den Kunstwerken erkennen.
Die Skulpturen zeichnen sich vielmehr durch ihre verschlungenen Linien, scheinbar willkürlichen Auswüchse und grellen Farben aus. Nur wenige Kunstwerke im Atelier, wie etwa zwei große und ineinander gefaltete Hände, vermitteln den Eindruck, realen Vorbildern nachempfunden zu sein. „Als ich begonnen habe, Skulpturen zu formen, habe ich mich gefragt: Ist ein Rückgriff auf Motive aus dem Alltag wirklich etwas Neues?“, erzählt Meyer, die seit acht Jahren in einem ruhigen Hinterhof im Stadtteil Rath ihr Atelier hat. So fasste sie den Entschluss, ihre Kunstwerke mit einem anderen Ansatz zu erschaffen. Anstatt mit ihren Skulpturen die Wirklichkeit einfach nur abzubilden, widmete sich Bettina Meyer den eigentlich nicht greif- und darstellbaren Facetten des Lebens, um ihnen mit ihren Skulpturen eine Gestalt zu geben: „Bei meiner Arbeit versuche ich, mich von inneren Prozessen leiten zu lassen und dabei jegliche Form auszuschließen. Es geht darum, das menschliche Dasein in einen künstlerischen Kontext zu setzen.“
Bereits ihre erste Arbeit nahm große Ausmaße an: Aus insgesamt 180 Kilogramm Ton entstand ein wucherndes Feld, welches man während einer Ausstellung in Berlin stetig anfeuchten musste, damit es nicht brüchig wurde. Es folgten zahlreiche weitere Figuren mit unterschiedlichen Formen, Größen und aus verschiedenen Materialien. Wie viele es inzwischen sind, weiß Meyer selbst nicht mehr. Den Prozess der Entstehung ihrer Kunstwerke beschreibt sie als etwas Besonderes: „Abstraktion ist immer dialogisch. Meine Werke lösen oft unterschiedliche Empfindungen beim Betrachter aus, die nicht unbedingt benennbar sind“, erzählt Meyer.
Ihre Skulpturen haben über die Jahre hinweg weit über die Grenzen von Düsseldorf hinaus Beachtung gefunden: Die Arbeiten wurden schon in Serbien und Japan ausgestellt und einige Skulpturen schmücken dauerhaft den öffentlichen Raum. So blickt zum Beispiel eine menschenähnliche Skulpturengruppe vom Plateau des Bonner Drachenfelses aus auf den Rhein herunter.
Ihre Karriere als Bildhauerin hatte Meyer ursprünglich gar nicht geplant. „Mir war nicht bewusst, dass man hauptberuflich als Künstler arbeiten kann. Erst während meines Lehramtsstudiums erfuhr ich von dieser Möglichkeit“, berichtet sie mit einem Lachen. „Anstatt als unerfüllte Lehrerin zu leben, habe ich mich deshalb dazu entschlossen, den Studiengang zu wechseln und Vollzeit meiner Kreativität Ausdruck zu verleihen.“Nachdem sie zunächst freie Malerei studierte hatte, wechselte Meyer an die Kunstakademie nach Düsseldorf, wo sie sechs Jahre lang bei Klaus Rinke Bildhauerei studierte. Im Anschluss an den Abschluss zog es sie erst einmal raus aus der Landeshauptstadt. So lebte sie unter anderem ein Jahr in
St. Petersburg, um dort neue Eindrücke und Inspirationen zu sammeln.
Seit 2011 ist sie wieder in Düsseldorf. Während Meyers kreative Arbeit vor allem im Atelier stattfindet, zieht es sie in ihrer Freizeit nicht unbedingt in die Museen. „Ich liebe es, mitten in der Natur zu sein. Dafür ist Rath ideal. Diese Auszeiten helfen mir mich zu entspannen und auf andere Gedanken zu kommen.“
Einige ihrer Skulpturen, wie etwa der Form 1, eine goldfarbene Figur, die kopfüber im Atelier hängt, sind besonders beliebt bei Meyers Besuchern. Dass der Zugang zu anderen Kunstwerken schwerer fällt, liegt für die Bildhauerin in der Natur der Sache: „Jeder fühlt sich von etwas Anderem angesprochen. Manche brauchen eher gegenständliche und glatte Formen, andere beschäftigen sich gerne mit außergewöhnlichen Ausformungen.“Immer wieder bewirbt sich Bettina Meyer auf Ausschreibungen für Kunstinstallationen im öffentlichen Raum. Den erst wenn ihre Kunst den
Weg in den öffentlichen Raum finde, werde sie von den Menschen wahrgenommen und können auf die Betrachter wirken, wie sie erzählt: „Wenn ich die Menschen mit meiner Arbeit erreichen und berühren kann, dann habe ich mein Ziel erreicht“. Christoph Wegener