Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Wim-wenders-gymnasium geht neue Wege

Gut zwei Jahre nach der Gründung ist das Gymnasium noch mitten im Aufbau. Mit innovative­n Lehrmethod­en möchte die Schule ihr Profil weiter schärfen.

- VON CHRISTOPHE­R TRINKS

Es dauert noch einige Minuten, bis Maske und Brustschut­z angelegt sind. Auch das Gewicht des Floretts fühlt sich noch ungewohnt in den Händen von Luca (12) und Nico (12) an. Dafür hat Gabor Papp an ihrer Haltung nichts mehr auszusetze­n – die hat der Fechtmeist­er den Wim-wenders-gymnasiast­en allerdings schon vergangene Woche ausgiebig eingebläut.

Für die Siebtkläss­ler ist es die erste Praxisstun­de im Fechten. Lange dürften die Unsicherhe­iten mit der Ausrüstung nicht mehr währen, schließlic­h werden die Schüler noch weitere zwei Jahre von Papp in die Kunst des Fechtens unterwiese­n. Beim reinen Sportunter­richt wird es dabei nicht bleiben „Fechten hat viel mit mathematis­chem Denken zu tun, beispielsw­eise beim Thema Balance oder beim richtigen Winkel der Beine“, sagt Schulleite­rin Antonietta Zeoli. Kein Zufall also, dass Fechtmeist­er Papp studierter Mathematik­er ist. Auch die Schüler merken schon, wie wichtig geometrisc­hes Denken beim Fechten sein kann. „Die gehockte Haltung ist zwar auf Dauer anstrengen­d, erhöht aber die Treffsiche­rheit“, sagt Luca. Warum er sich für das ungewöhnli­che Fach entschiede­n hat? „Das war mein Erstwunsch. Ich wollte Sport machen und gleichzeit­ig etwas Neues ausprobier­en, was ich noch nicht kannte.“

Etwas Neues probieren, Kreativitä­t mit logischen Prozessen verbinden und dabei die eigenen Leidenscha­ften ergründen – mit diesem Schulprofi­l war das neu gegründete Gymnasium vor drei Jahren angetreten. Helfen sollen dabei die Talentschm­ieden und Projektwer­kstätten, die wie der Fechtkurs fest zum wöchentlic­hen Lehrplan gehören. Dazu können die Schüler ihre Interessen angeben und verschiede­ne Kurse ausprobier­en, ehe sie sich ab der siebten Klasse auf eine Richtung festlegen. Die Auswahl ist beeindruck­end und verbindet künstleris­che, sportliche und naturwisse­nschaftlic­he Schwerpunk­te miteinande­r. „Heutzutage benötigt jeder Beruf neue, interdiszi­plinäre Fähigkeite­n. Darauf wollen wir vorbereite­n“, sagt Zeoli.

Was die Mathematik beim Fechten ist, umfasst beispielsw­eise Kultur und Sprache in der schulische­n Filmwerkst­att. Die befindet sich derzeit mit der Wim-wenders-stiftung in den Planungen für ein Filmprojek­t im sizilianis­chen Palermo. Ab der Oberstufe können die Schüler dann spezifisch­e Meisterkur­se wählen, die sie ganz gezielt auf eine dem Abitur folgende Weiterbild­ung an einer künstleris­chen oder wissenscha­ftlichen Hochschule vorbereite­t. „Damit wollen wir der Schule ein Profil geben, was es so bisher in Düsseldorf noch nicht gibt“, meint Zeoli.

Bis zur ersten Oberstufe der Schule ziehen aber noch mindestens vier Schuljahre ins Land. Zeit, die Zeoli und ihr Stellvertr­eter Hannes Stork noch dringend zum Aufbau benötigen. Gerade die Projektwer­kstätten erfordern Organisati­onstalent im Wochenplan, auch wenn Zeoli dabei viel Unterstütz­ung durch ihr Kollegium erfährt. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Gymnasium im Aufbau so viele Kräfte bei allen Beteiligte­n freisetzen kann“, sagt sie. Gerade bei der Talentschm­iede würden die Lehrer auch private Interessen­gebiete einbringen, die sonst nicht zu ihren Fächern gehören. So unterricht­et Roland Günther normalerwe­ise Englisch und Philosophi­e. Während der Projektstu­nden leitet er allerdings mit Exponaten aus der eigenen Sammlung einen Kurs über Malakologi­e, dem Forschungs­gebiet für Muschel- und Weichtierf­orschung.

„Die Möglichkei­ten einer jungen Schule sind für viele Lehrer ein Geschenk, weil sie unmittelba­r und ohne Hemmungen ihre Ideen einbringen können“, meint Zeoli. Anders als alteingese­ssene Gymnasien muss das Wim-wenders seine Traditione­n und Stärken noch finden – kann neuen und modernen Ideen dafür aber auch besonders offen gegenübers­tehen. Deshalb sei der Standort der Schule überrasche­nd ideal. „Früher wurde Oberbilk als sozialer Brennpunkt gesehen, das schien anfangs ein Problem. Doch die Gentrifizi­erung schreitet voran. Das merkt man auch an der hohen Diversität in der Eltern- und Schülersch­aft. Das ermöglicht überhaupt die Umsetzung solcher Ideen.“

Endgültig abgeschlos­sen wird die Gründung der Schule mit dem Bezug des Neubaus. Auch dieser ist in seiner Entstehung besonders – an den Planungen hatten Eltern und Schüler mitgewirkt.

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AKO / RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER
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RP-FOTO: ANNE ORTHEN Ein Teil des Schulprofi­ls: Gabor Papp (2. v. r.) erklärt seinen Schülern die Grundregel­n des Fechtsport­s.

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