Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Wim-wenders-gymnasium geht neue Wege
Gut zwei Jahre nach der Gründung ist das Gymnasium noch mitten im Aufbau. Mit innovativen Lehrmethoden möchte die Schule ihr Profil weiter schärfen.
Es dauert noch einige Minuten, bis Maske und Brustschutz angelegt sind. Auch das Gewicht des Floretts fühlt sich noch ungewohnt in den Händen von Luca (12) und Nico (12) an. Dafür hat Gabor Papp an ihrer Haltung nichts mehr auszusetzen – die hat der Fechtmeister den Wim-wenders-gymnasiasten allerdings schon vergangene Woche ausgiebig eingebläut.
Für die Siebtklässler ist es die erste Praxisstunde im Fechten. Lange dürften die Unsicherheiten mit der Ausrüstung nicht mehr währen, schließlich werden die Schüler noch weitere zwei Jahre von Papp in die Kunst des Fechtens unterwiesen. Beim reinen Sportunterricht wird es dabei nicht bleiben „Fechten hat viel mit mathematischem Denken zu tun, beispielsweise beim Thema Balance oder beim richtigen Winkel der Beine“, sagt Schulleiterin Antonietta Zeoli. Kein Zufall also, dass Fechtmeister Papp studierter Mathematiker ist. Auch die Schüler merken schon, wie wichtig geometrisches Denken beim Fechten sein kann. „Die gehockte Haltung ist zwar auf Dauer anstrengend, erhöht aber die Treffsicherheit“, sagt Luca. Warum er sich für das ungewöhnliche Fach entschieden hat? „Das war mein Erstwunsch. Ich wollte Sport machen und gleichzeitig etwas Neues ausprobieren, was ich noch nicht kannte.“
Etwas Neues probieren, Kreativität mit logischen Prozessen verbinden und dabei die eigenen Leidenschaften ergründen – mit diesem Schulprofil war das neu gegründete Gymnasium vor drei Jahren angetreten. Helfen sollen dabei die Talentschmieden und Projektwerkstätten, die wie der Fechtkurs fest zum wöchentlichen Lehrplan gehören. Dazu können die Schüler ihre Interessen angeben und verschiedene Kurse ausprobieren, ehe sie sich ab der siebten Klasse auf eine Richtung festlegen. Die Auswahl ist beeindruckend und verbindet künstlerische, sportliche und naturwissenschaftliche Schwerpunkte miteinander. „Heutzutage benötigt jeder Beruf neue, interdisziplinäre Fähigkeiten. Darauf wollen wir vorbereiten“, sagt Zeoli.
Was die Mathematik beim Fechten ist, umfasst beispielsweise Kultur und Sprache in der schulischen Filmwerkstatt. Die befindet sich derzeit mit der Wim-wenders-stiftung in den Planungen für ein Filmprojekt im sizilianischen Palermo. Ab der Oberstufe können die Schüler dann spezifische Meisterkurse wählen, die sie ganz gezielt auf eine dem Abitur folgende Weiterbildung an einer künstlerischen oder wissenschaftlichen Hochschule vorbereitet. „Damit wollen wir der Schule ein Profil geben, was es so bisher in Düsseldorf noch nicht gibt“, meint Zeoli.
Bis zur ersten Oberstufe der Schule ziehen aber noch mindestens vier Schuljahre ins Land. Zeit, die Zeoli und ihr Stellvertreter Hannes Stork noch dringend zum Aufbau benötigen. Gerade die Projektwerkstätten erfordern Organisationstalent im Wochenplan, auch wenn Zeoli dabei viel Unterstützung durch ihr Kollegium erfährt. „Ich hätte nie gedacht, dass ein Gymnasium im Aufbau so viele Kräfte bei allen Beteiligten freisetzen kann“, sagt sie. Gerade bei der Talentschmiede würden die Lehrer auch private Interessengebiete einbringen, die sonst nicht zu ihren Fächern gehören. So unterrichtet Roland Günther normalerweise Englisch und Philosophie. Während der Projektstunden leitet er allerdings mit Exponaten aus der eigenen Sammlung einen Kurs über Malakologie, dem Forschungsgebiet für Muschel- und Weichtierforschung.
„Die Möglichkeiten einer jungen Schule sind für viele Lehrer ein Geschenk, weil sie unmittelbar und ohne Hemmungen ihre Ideen einbringen können“, meint Zeoli. Anders als alteingesessene Gymnasien muss das Wim-wenders seine Traditionen und Stärken noch finden – kann neuen und modernen Ideen dafür aber auch besonders offen gegenüberstehen. Deshalb sei der Standort der Schule überraschend ideal. „Früher wurde Oberbilk als sozialer Brennpunkt gesehen, das schien anfangs ein Problem. Doch die Gentrifizierung schreitet voran. Das merkt man auch an der hohen Diversität in der Eltern- und Schülerschaft. Das ermöglicht überhaupt die Umsetzung solcher Ideen.“
Endgültig abgeschlossen wird die Gründung der Schule mit dem Bezug des Neubaus. Auch dieser ist in seiner Entstehung besonders – an den Planungen hatten Eltern und Schüler mitgewirkt.