Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Vertauschte Rollen
„Nachts baden“thematisiert das Verhältnis einer extrovertierten Mutter und ihrer Tochter.
DÜSSELDORF (ry) Die Inselmallorca ist ein beliebtes Urlaubsziel, auch bei deutschentouristen. Während die einen dort das schöne Hinterland besuchenwollen, sind die anderen auf Partys am Ballermann aus. Vor diesemhintergrundwirkt es ein bisschen seltsam, dass die Protagonistin des Films „Nachts baden“dorthin reist, um eben nicht zu feiern, sondern um für ihr Studiumzu lernen. Schließlich denkt man klischeehaft bei Studenten an junge Menschen, die nur Freizeit im Sinn haben. Doch die 21-jährige Bwl-studentin Jenny ( Tijan Marei) ist sehr ehrgeizig undwill ihre Bachelor-prüfung unbedingt mit glänzenden Noten ablegen. Es gibt nur ein Problem: Wenn es drauf ankommt, wird sie von Panikattacken heimgesucht. Um sich möglichst gründlich auf die Prüfungen vorzubereiten, fliegt sie mit ihremstudienkollegen Kasimir ( Jonathan Berlin) für zehn Tage nachmallorca. Dort kann sie nämlich die abgelegene Finca ihrer Mutter Pola (Maria Furtwängler) hüten, um konzentriert zu arbeiten. Doch vor Ort ist esmit der erhofftenruhe nichtweit her. Pola ist eine bekannte Rockmusikerin, die zuletzt der Erfolgverlassen hat. Ihre geplantetourneewurde abgesagt, und nun hängt sie unerwartet in Gesellschaft ihrer Musiker in der Finca herum und lässt ihren Launen freien Lauf. Pola und Jenny tun ihr Bestes, um Zusammenstöße zu vermeiden. Trotzdem kommen ihre alten Konflikte bald wieder an die Oberfläche: Jenny hat sich ihr Leben lang eine andere Mutter gewünscht als die egozentrische, „männermordende“Musikerin Pola, die ihr keinen auch nur halbwegs geregelten familiärenhintergrund bieten konnte. Und Pola liebt ihretochter zwar, aber sie kann einfach nicht verstehen, warumjenny zur jungen Spießerinmutiert ist. Regisseurinariane Zeller, die zusammen mit ihrem Mann Frank auch das Drehbuch zu der Tragikomödie geschrieben hat, hat sich bei demwerk von eigenen Erfahrungen inspirieren lassen:„wir haben eine Tochter, die ein bisschen älter ist als Jenny imfilm. In ihrem Bekanntenkreis in der Schule und beimstudiumhabenwir oft beobachtet, dass sich das Erwachsenwerden sehr verändert hat. Die meisten sind in diesemalter schon erstaunlich zielstrebig und versuchen, ihr Lebenmöglichst effizient zu organisieren. Sie sind sehr ehrgeizig und diszipliniert. Viele machen sich selbst enormen Druck und haben Angst vor dem Versagen. Psychosomatische Reaktionen wie eben Panikattacken sind keine Seltenheit. Die Eltern sind dagegen oft noch ganz anders gepolt. Lockerer – sie hängen eher ihrer eigenen Jugend nach, in der sie nach Freiheit gesucht haben. Da prallen zwei Welten aufeinander. Deshalb fanden wir es spannend, das einwenig auf die Spitze zu treiben.“Für dierolle der Pola konnte Maria Furtwängler gewonnenworden, die vor allemdie Amplituden in Polas Persönlichkeit sofort angesprochen haben:„sie ist eine Frau, die zwischen exzessivem Tanzen, Trinken, Partymachen und tiefster Verzweiflung und Selbstzerfleischung schwankt. Eine Figur auszuloten, die sich so fallen lässt in die Extreme, die nicht so kontrolliert istwie diemeisten von uns, mich eingeschlossen, ist sehr reizvoll. Diese vielschichtige und schillernde Rolle hatmir den Freiraum gegeben, eine unkonventionelle und nicht imerstenmoment sympathische Figur zu entwickeln.“An ihrer Seite isttijanmarei zu sehen, die eine junge Frau spielt, die genau das Gegenteil ihrermutter ist. Nichtsdestotrotz haben beide aber auch etwas gemeinsam, wie sie erzählt: „Beide lieben die Unabhängigkeit. Jenny macht sich auch immer rar, wenn sie das Gefühl hat, dass Menschen ihr zu nahe kommen oder etwas in ihr sehen, was sie nicht ist. Im Grunde ihres Herzens ist sie auch ein kleiner Rockstar. Aber sie lässt das nicht zu. Es fällt ihr schwer zu sehen, dass sie keine Erwartungen erfüllen, sondern selbst herausfindenmuss, wie sie glücklich wird. Und auch Pola muss verstehen, dass ihre Tochter einen eigenenweg geht.“