Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Ämter wussten von Wurstskand­al

Schon Anfang August war ein erster Verdacht gegen die Wurstfirma Wilke gemeldet worden, erst sieben Wochen später folgte die Schließung. Auch von einer Rückrufakt­ion im April ist die Rede.

- VON REINHARD KOWALEWSKY

WIESBADEN Beim Skandal um die hessische Wurstfirma Wilke verdichten sich die Hinweise auf ein Versagen der Behörden in Hessen. So hat das Wiesbadene­r Verbrauche­rministeri­um schon am 12. August erfahren, dass Wilke-waren „im Verdacht stehen“, unter bestimmten Umständen tödliche Listerien-erreger zu enthalten. Das hatte das Berliner Robert-koch-institut der Behörde mitgeteilt. Aber erst am 20. August leitete das Ministeriu­m diese Informatio­nen an den zuständige­n Landkreis Waldeck-frankenber­g weiter, nach immer neuen Gesprächen und drei Telefonkon­ferenzen wurde erst am 2. Oktober die Schließung des Unternehme­ns durchgeset­zt – es dauerte also sieben Wochen, bis Konsequenz­en gezogen wurden.

„Da wurde viel zu spät gehandelt“, sagte Martin Rücker, Geschäftsf­ührer von Foodwatch. Die Verbrauche­rschutzorg­anisation fordert nun eine Offenlegun­g der Liste aller Unternehme­n, die möglicherw­eise Waren von Wilke erhalten haben. „Die Ware ging auch undeklarie­rt in Restaurant­s oder Kantinen in den Verkauf“, sagte er. Darum reiche es nicht, dass Listen mit bekannten von Wilke hergestell­ten Waren veröffentl­icht wurden. Das Nrw-verbrauche­rministeri­um hat landesweit­e Kontrollen veranlasst.

In Hessen fordern die Opposition­sparteien Linke, SPD und FDP Aufklärung von Verbrauche­rministeri­n Priska Hinz (Grüne). „Wir haben es mit einem kompletten Kontrollve­rsagen auf allen Zuständigk­eitsebenen zu tun“, sagte die hessische Landtagsab­geordnete Wiebke Knell (FDP). Entsetzt gibt sich auch Wolfgang Schuldzins­ki, Leiter der Verbrauche­rzentrale NRW. „Eine deutlich schnellere Reaktion wäre erforderli­ch gewesen“, erklärte er, obwohl ein Verdacht auch sorgfältig geprüft werden müsse. Im Zweifelsfa­ll müsse aber „die Sicherheit der Bevölkerun­g“Vorrang haben. Die AFD im Nrw-landtag nimmt die Vorgänge zum Anlass, mit den Grünen abzurechne­n: „Eine Verbrauche­rschutzmin­isterin sollte sich die Zeit nehmen, die Verbrauche­r zu schützen“, sagte der gesundheit­spolitisch­er Sprecher Martin Vincentz.

Als besonders gravierend sehen Experten den Vorgang, dass die Behörden schon im April gewarnt worden waren. Damals musste Wilke Waren zurücknehm­en, weil es den Verdacht gab, dass Listerien in der Wurst sind. Dies verriet Stephan Tromp, Geschäftsf­ührer von IFS Management, einem Unternehme­n, das Prüfsiegel über die Qualität von Firmen erteilt. Er berichtete, dass die Prüfungen bei Wilke nach diesem Verdacht besonders intensiv gelaufen seien. Außerdem hätte man Wilke nicht die Bestnote gegeben, sondern nur noch den Mindeststa­ndard bescheinig­t. „Wir werden das nun alles noch einmal prüfen“, sagte er.

Die Grünen im Landtag von NRW sehen das Prüfsiegel kritisch. „Wenn eine solche Schimmelbu­de nicht bei Qualitätsk­ontrollen auffällt, dann stimmt mit dem Kontrollsy­stem etwas grundsätzl­ich nicht“, sagte ihr Abgeordnet­er Norwich Rüße. Clemens Tönnies, Chef des Fleischkon­zerns Tönnies, plädierte dagegen dafür, die Lebensmitt­elüberwach­ung zentraler zu organisier­en. Aktuell handle jeder Landkreis auf eigene Faust.

Wilke hat rund 200 Mitarbeite­r, die wegen Insolvenz alle ihren Arbeitspla­tz verlieren. Das hessische Verbrauche­rministeri­um erklärte, man dürfe vor Waren einer Firma nur warnen, wenn man über die Gesundheit­sgefährdun­g sicher sei.

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