Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Vom Feld in die Kiste nach Hause
Regional und saisonal einkaufen liegt im Trend. Wer Obst und Gemüse direkt vom Erzeuger beziehen will, kann es sich per Gemüseabo regelmäßig nach Hause liefern lassen. Ein Überblick, wie das funktioniert, und was in der Kiste steckt.
KAARST Hand aufs Herz: Wann haben Sie das letzte Mal Schwarzwurzeln gekauft? Nicht die fertig geschälten und vorgekochten im Glas, sondern die rohen Wurzeln. Diese langen, daumendicken Stangen, unter deren dunkler, dreckiger Schale sich eine schneeweiße Wurzel befindet. Das Putzen und Schälen ist mühsam, das Ergebnis dafür wirklich lecker. In einer Sahnesauce gekocht und mit etwas Petersilie garniert, schmecken die Wurzeln wie eine Mischung aus Spargel und Kohlrabi.
Die Herausforderung Schwarzwurzel bekommt man gestellt, wenn man sich Obst und Gemüse in einer Kiste direkt vom Bauernhof nach Hause liefern lässt, anstatt es selbst im Supermarkt zu kaufen. Rund 100 Höfe in Nordrhein-westfalen bieten den Service eines Gemüseabos an. Jeder Hof hat sein eigenes Konzept und seine eigenen Preise. Der Lammertzhof in Kaarst beliefert nach eigenen Angaben rund 2000 Kunden pro Woche. Dort können sie aus verschiedenen Kisten wählen, deren Zusammenstellung variiert. Vier Beispiele: eine gemischte Obst- und Gemüsekiste, bei der das Sortiment vor allen Dingen saisonal und regional ist. Eine Rohkost-kiste, bei der alle Sorten roh verzehrbar sind. Eine Mutter-kind-kiste, bei der auf stark blähende Gemüsesorten verzichtet wird. Und eine Single-kiste, die die richtige Menge Obst und Gemüse für den kleinen Haushalt enthält.
„Seit der Fridays-for-future-bewegung sind die Anmeldezahlen fürs Gemüseabo deutlich gestiegen“, sagt Alexandra Sieprath vom
Lammertzhof. Für den Biolandhof sind die Kisten der Hauptabsatzmarkt. „Wir füllen alle Kisten zuerst mit eigener Ware hier vom Hof.
Dann stocken wir mit zugekauften Produkten, möglichst aus regionalem, auf jeden Fall aber aus ökologischem Anbau auf”, erklärt Sieprath. Das Verhältnis variiere, im Sommer könne der Hof mehr eigene Produkte anbieten als im Winter. In der Regionalkiste für 15 Euro befanden sich kürzlich beispielsweise vier Produkte aus eigenem Anbau (Blattsalat, Fenchel, Salbei, Zuckermais) und vier von Zulieferern (Blumenkohl, Kürbis, Pastinaken, Äpfel). Wem sich nun beim Wort Fenchel die Zehennägel hochrollen, den kann Alexandra Sieprath beruhigen: „Immer freitags veröffentlichen wir auf unserer Website, welche Dinge in der kommenden Woche voraussichtlich in den Kisten sein werden. Wer ein Produkt nicht mag, kann es online gegen ein anderes austauschen.” Mit ein paar Klicks wird aus Fenchel so beispielsweise ein Pfund Möhren.
Überhaupt laden fast alle Online-shops der Höfe, die Gemüseabos anbieten, zu zusätzlichen Bestellungen ein. Gegen Aufpreis kann man sich Eier, Kartoffeln, Brot, Saft, Wurst, Käse und sogar Pflegeprodukte mitliefern lassen – alles in Bioqualität oder aus nachhaltigen Rohstoffen gefertigt. Wer keinen Zugang zum Internet hat, kann Änderungswünsche auch telefonisch durchgeben. Je nach Größe kosten die Kisten zwischen acht und 20 Euro, 2,70 Euro Lieferpauschale kommen hinzu. Gezahlt wird ausschließlich per Lastschriftverfahren vom eigenen Konto. Denn: Nicht immer sind die Kunden am Liefertag zuhause. In diesem Fall wird die Kiste an einem vereinbarten, geschützten Platz abgestellt, beispielsweise im Hausflur oder im Gartenschuppen.
„Wann die Kiste geliefert wird, hängt vom Postleitzahlbezirk ab, in dem der Kunde wohnt“, erklärt Alexandra Sieprath. „Für jeden Bezirk haben wir einen Liefertag zwischen Dienstag und Freitag festgelegt, um effizient und umweltschonend ausliefern zu können.“Elf Fahrer arbeiten für den Hof und verteilen die Kisten jede Woche auf das Liefergebiet, das sich über Düsseldorf, Hilden, Ratingen bis nach Dormagen und Jüchen erstreckt.
Die Idee zum Gemüseabo kommt ursprünglich aus dem Ökolandbau, als der Weg zu den Höfen für viele Menschen zu weit war, um an Bioprodukte zu kommen. Der Absatz von Bioprodukten in Deutschland steigt zwar, die Anbauzahlen sinken aber. Immer mehr wird aus anderen Ländern zugekauft.
Ein flächendeckendes Angebot für Biokisten gibt es in NRW bislang nicht. Von rund 32.000 landwirtschaftlichen Betrieben bietet zwar ein knappes Drittel einen Direktverkauf ab Hof an. Aber lediglich 0,3 Prozent liefern Gemüsekisten aus. „Die Gewinnspanne einer Kiste ist gering, da seit rund zehn Jahren alle Discounter Bio-produkte zu Tiefstpreisen anbieten“, sagt Bernhard Rüb vom Landwirtschaftsverband NRW. „Das drückt den Preis.“Außerdem sei die Auslieferung in den Großstädten wegen des zunehmenden Verkehrs schwierig. „Einige wenige Höfe haben sich über Jahre ein System und einen Kundenstamm erarbeitet, bei denen geht das Konzept Biokiste auf:“Eine Möglichkeit, Obst und Gemüse aus NRW flächendeckend an den Verbraucher zu bringen, sieht der Landwirtschaftsverband darin aber eher nicht.
„Dass die Infrastruktur rund um das Gemüseabo klappt, ist das A und O“, weiß auch Alexandra Sieprath vom Lammertzhof. „Kunden wollen heute in ihren Entscheidungen flexibel sein: Lieferpausen eintragen, Produkte austauschen und neue Rezepte ausprobieren.“Letztere liegen den Kisten ebenfalls bei. Selbst wer sich also mit Schwarzwurzeln etwas hilflos fühlen mag, kommt dank eines Gemüseabos vielleicht auf den Geschmack. Wer sich dafür interessiert, kann beim Verband Ökokiste anfragen, welche Höfe in der Nähe seines Wohnortes den Service anbieten. www.oekokiste.de
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