Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Die Ministerin zahlt alles
Bei Annegret Kramp-karrenbauers Afrika-reise geht es um Außenpolitik, der Ärger in der CDU ist weit weg. Manchmal hakt es trotzdem.
GAO Nach zweieinhalb Monaten im Amt steht Annegret Kramp-karrenbauer mit deutschen Un-soldaten vor der Gedenkstätte im Camp Castor, gedenkt der vor zwei Jahren beim Absturz eines Kampfhubschraubers umgekommenen Bundeswehrsoldaten und ihrer niederländischen Kameraden, die im Un-einsatz für ein friedlicheres Mali gefallen sind. Die Luftfeuchtigkeit liegt wüstengemäß bei zehn Prozent. Die Temperatur beträgt 40 Grad im Schatten. Aber vor dem Ehrenmal ist kein Schatten. Wie nah sie auf dieser Reise den gefährlichen Aspekten kommt, wird schon im Anflug mit dem A400M klar: Die Ministerin und ihre Delegation schnallen sich Splitterschutzwesten um.
Deutschland liegt sieben Flugstunden entfernt. Aber über Internet sind die schlechten Nachrichten für die Cdu-chefin ständig ganz nah. Dass ihre Gegenspieler Jens Spahn und Friedrich Merz vor ihr beim Deutschlandtag der Jungen Union sein wollen, wo ihr Anspruch des ersten Zugriffs auf die Kanzlerkandidatur durch eine Urwahl-debatte in Zweifel gezogen werden solle. Dass von ihr eine Stellungnahme zum abgeschwächten Klimapaket vermisst werde. Dass in der Union ein neuer Streit um die Flüchtlingspolitik hochkoche und von ihr kanalisiert werden müsse.
Kramp-karrenbauer hat sich entschieden, nicht aus der Ferne Afrikas in die Berliner Politik zu grätschen, sondern ihr Ding durchzuziehen. In Niamey, Bamako, Koulikoro und Gao trifft sie Soldaten, entwickelt stets sogleich eine besondere Nähe. „Das passt“, sagt einer hinterher. Und ergänzt: „Viel, viel besser als bei ihrer Vorgängerin.“Wenn es darum geht, für kommende Herausforderungen Truppen zu sammeln – AKK, wie sie sich selbst abkürzt, sammelt jeden Tag mehr.
Nach acht Terminen mit Soldaten folgen in Bamako Gespräche mit dem Verteidigungsminister, mit dem Premierminister, mit dem Einsatzchef. Längst ist es dunkel geworden. Am Ende dieses langen Tages steht AKK auf der Dachterrasse der deutschen Botschaft in Bamako, begrüßt Militärs und Vertreter der einheimischen Zivilgesellschaft. Sie sei zwar zum ersten Mal in der Region, doch seit Jahrzehnten mit ihr verbunden, sagt sie und erinnert an die Städtepartnerschaft zwischen dem saarländischen Püttlingen und dem malischen Ber. Vor der Reise hat sie gefragt, ob ein Abstecher möglich sei. Doch es ist zu gefährlich im Raum Timbuktu.
Die Ministerin steht am Rande. Im Schatten. Man hätte das Standmikro einfach einen Meter weiter links oder rechts aufbauen können, damit sie auch optisch im Mittelpunkt gewesen wäre. Von der Leyens Team hätte darauf geachtet. Und dass das Mikro tiefer eingestellt gewesen wäre. Jedes Statement war durchkomponiert. Die Kameras nicht zu dicht. Damit sie nicht zu den Journalisten aufschauen muss. Gleiche Augenhöhe. Mindestens. Niedrige Redepulte. Denn von der Leyen misst 161 Zentimeter. Ihre Nachfolgerin nur zwei mehr. Doch der ist das alles nicht so wichtig. Inhalte first. Optik second.
Tags darauf in Gao. Auf dem Programm steht der Besuch bei den Soldaten, die für die Un-mission mit Drohnen die Lage aufklären. Drohnen! Was hat von der Leyen für einen Bogen um diese umstrittenen Flugsysteme gemacht. Bloß keine Bilder mit ihr und den Dingern. Kein Problem für Kramp-karrenbauer. Sie stellt sich für das Fernsehstatement direkt davor.
Frage zwischen zwei Terminen: Gleichzeitig als Verteidigungsministerin in der Truppe und als Parteichefin in der CDU präsent zu sein, geht das? Ihre Antwort: „Das geht.“Gerade kommt sie von zwei Aufzeichnungen. Wenig später wird sie bei den Öffentlich-rechtlichen und den Privaten in Deutschland in die Nachrichtenmagazine geschaltet. Das Interesse gilt fast ausschließlich der Mali-mission, die CDU kommt nur am Rande vor. Ist das die Strategie, um Umfragen zu begegnen, wonach ihr nur eine kleine Minderheit das Kanzleramt zutraut? Zumindest ist es eine Strategie, schon mal als weltweit agierende Regierende wahrgenommen zu werden. Als Nur-parteichefin hätte darauf kaum Chancen gehabt. Nun schaut sie auf den Niger, und die Kameras schauen zu, transportieren sie und ihre Botschaften. Sie kommt vor.
Gleich diesen Donnerstag kommt sie wieder vor, wenn sie die Truppen im Baltikum besucht. Am Wochenende Auftritt als Cdu-chefin in Saarbrücken beim Parteinachwuchs. Eine Woche später Auftritt bei der CSU. Präsent sein. Öffentlich wirken. Ihre Vorgängerin im anderen Amt kennt die Mechanismen. Vielleicht hat Angela Merkel deshalb den auf Arbeitsebene seit Wochen vorbereiteten gemeinsamen Flug in die USA kurz vorher wieder abgesagt. Am Ende wäre die Kanzlerin nicht alleine vorgekommen. Was das wieder für Bilder gegeben hätte! So aber flog Merkel allein und zog Kritik auf sich: Direkt nach dem Klimapaket veranlasst sie unnötige Flüge. Und Kramp-karrenbauer wählte statt des schicken weißen Regierungsfliegers den grauen Militärflieger für den wichtigen Antrittsbesuch in den Vereinigten Staaten. Soldaten wissen die Grau-statt-weiß-geste zu schätzen. Auch für die Afrika-flüge wählte sie den unscheinbaren Truppentransporter.
Die meisten Delegationsteilnehmer sind um 22 Uhr Ortszeit, Mitternacht deutscher Zeit, allmählich müde. Hellwach und beinahe vergnügt setzt sich die Ministerin noch für ein Stündchen an die Bar. Es geht um Eindrücke, um Erlebnisse, um Entwicklungen in der Parteipolitik. Es wird gefrotzelt und viel gelacht. Kramp-karrenbauer trinkt eine Flasche Bamba, das örtliche Bier. Für Merkel und von der Leyen hätten nun hilfreiche Geister dezent die Rechnung übernommen. Kramp-karrenbauer greift selbst zum Portemonnaie und fragt. „Was macht das?“Der Barkeeper rechnet lange, zählt die Kronkorken, für die er längst bei anderen abkassiert hat, und schiebt ihr einen Zettel zu. Am Ende übernimmt sie alles.