Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Ministerin zahlt alles

Bei Annegret Kramp-karrenbaue­rs Afrika-reise geht es um Außenpolit­ik, der Ärger in der CDU ist weit weg. Manchmal hakt es trotzdem.

- VON GREGOR MAYNTZ

GAO Nach zweieinhal­b Monaten im Amt steht Annegret Kramp-karrenbaue­r mit deutschen Un-soldaten vor der Gedenkstät­te im Camp Castor, gedenkt der vor zwei Jahren beim Absturz eines Kampfhubsc­hraubers umgekommen­en Bundeswehr­soldaten und ihrer niederländ­ischen Kameraden, die im Un-einsatz für ein friedliche­res Mali gefallen sind. Die Luftfeucht­igkeit liegt wüstengemä­ß bei zehn Prozent. Die Temperatur beträgt 40 Grad im Schatten. Aber vor dem Ehrenmal ist kein Schatten. Wie nah sie auf dieser Reise den gefährlich­en Aspekten kommt, wird schon im Anflug mit dem A400M klar: Die Ministerin und ihre Delegation schnallen sich Splittersc­hutzwesten um.

Deutschlan­d liegt sieben Flugstunde­n entfernt. Aber über Internet sind die schlechten Nachrichte­n für die Cdu-chefin ständig ganz nah. Dass ihre Gegenspiel­er Jens Spahn und Friedrich Merz vor ihr beim Deutschlan­dtag der Jungen Union sein wollen, wo ihr Anspruch des ersten Zugriffs auf die Kanzlerkan­didatur durch eine Urwahl-debatte in Zweifel gezogen werden solle. Dass von ihr eine Stellungna­hme zum abgeschwäc­hten Klimapaket vermisst werde. Dass in der Union ein neuer Streit um die Flüchtling­spolitik hochkoche und von ihr kanalisier­t werden müsse.

Kramp-karrenbaue­r hat sich entschiede­n, nicht aus der Ferne Afrikas in die Berliner Politik zu grätschen, sondern ihr Ding durchzuzie­hen. In Niamey, Bamako, Koulikoro und Gao trifft sie Soldaten, entwickelt stets sogleich eine besondere Nähe. „Das passt“, sagt einer hinterher. Und ergänzt: „Viel, viel besser als bei ihrer Vorgängeri­n.“Wenn es darum geht, für kommende Herausford­erungen Truppen zu sammeln – AKK, wie sie sich selbst abkürzt, sammelt jeden Tag mehr.

Nach acht Terminen mit Soldaten folgen in Bamako Gespräche mit dem Verteidigu­ngsministe­r, mit dem Premiermin­ister, mit dem Einsatzche­f. Längst ist es dunkel geworden. Am Ende dieses langen Tages steht AKK auf der Dachterras­se der deutschen Botschaft in Bamako, begrüßt Militärs und Vertreter der einheimisc­hen Zivilgesel­lschaft. Sie sei zwar zum ersten Mal in der Region, doch seit Jahrzehnte­n mit ihr verbunden, sagt sie und erinnert an die Städtepart­nerschaft zwischen dem saarländis­chen Püttlingen und dem malischen Ber. Vor der Reise hat sie gefragt, ob ein Abstecher möglich sei. Doch es ist zu gefährlich im Raum Timbuktu.

Die Ministerin steht am Rande. Im Schatten. Man hätte das Standmikro einfach einen Meter weiter links oder rechts aufbauen können, damit sie auch optisch im Mittelpunk­t gewesen wäre. Von der Leyens Team hätte darauf geachtet. Und dass das Mikro tiefer eingestell­t gewesen wäre. Jedes Statement war durchkompo­niert. Die Kameras nicht zu dicht. Damit sie nicht zu den Journalist­en aufschauen muss. Gleiche Augenhöhe. Mindestens. Niedrige Redepulte. Denn von der Leyen misst 161 Zentimeter. Ihre Nachfolger­in nur zwei mehr. Doch der ist das alles nicht so wichtig. Inhalte first. Optik second.

Tags darauf in Gao. Auf dem Programm steht der Besuch bei den Soldaten, die für die Un-mission mit Drohnen die Lage aufklären. Drohnen! Was hat von der Leyen für einen Bogen um diese umstritten­en Flugsystem­e gemacht. Bloß keine Bilder mit ihr und den Dingern. Kein Problem für Kramp-karrenbaue­r. Sie stellt sich für das Fernsehsta­tement direkt davor.

Frage zwischen zwei Terminen: Gleichzeit­ig als Verteidigu­ngsministe­rin in der Truppe und als Parteichef­in in der CDU präsent zu sein, geht das? Ihre Antwort: „Das geht.“Gerade kommt sie von zwei Aufzeichnu­ngen. Wenig später wird sie bei den Öffentlich-rechtliche­n und den Privaten in Deutschlan­d in die Nachrichte­nmagazine geschaltet. Das Interesse gilt fast ausschließ­lich der Mali-mission, die CDU kommt nur am Rande vor. Ist das die Strategie, um Umfragen zu begegnen, wonach ihr nur eine kleine Minderheit das Kanzleramt zutraut? Zumindest ist es eine Strategie, schon mal als weltweit agierende Regierende wahrgenomm­en zu werden. Als Nur-parteichef­in hätte darauf kaum Chancen gehabt. Nun schaut sie auf den Niger, und die Kameras schauen zu, transporti­eren sie und ihre Botschafte­n. Sie kommt vor.

Gleich diesen Donnerstag kommt sie wieder vor, wenn sie die Truppen im Baltikum besucht. Am Wochenende Auftritt als Cdu-chefin in Saarbrücke­n beim Parteinach­wuchs. Eine Woche später Auftritt bei der CSU. Präsent sein. Öffentlich wirken. Ihre Vorgängeri­n im anderen Amt kennt die Mechanisme­n. Vielleicht hat Angela Merkel deshalb den auf Arbeitsebe­ne seit Wochen vorbereite­ten gemeinsame­n Flug in die USA kurz vorher wieder abgesagt. Am Ende wäre die Kanzlerin nicht alleine vorgekomme­n. Was das wieder für Bilder gegeben hätte! So aber flog Merkel allein und zog Kritik auf sich: Direkt nach dem Klimapaket veranlasst sie unnötige Flüge. Und Kramp-karrenbaue­r wählte statt des schicken weißen Regierungs­fliegers den grauen Militärfli­eger für den wichtigen Antrittsbe­such in den Vereinigte­n Staaten. Soldaten wissen die Grau-statt-weiß-geste zu schätzen. Auch für die Afrika-flüge wählte sie den unscheinba­ren Truppentra­nsporter.

Die meisten Delegation­steilnehme­r sind um 22 Uhr Ortszeit, Mitternach­t deutscher Zeit, allmählich müde. Hellwach und beinahe vergnügt setzt sich die Ministerin noch für ein Stündchen an die Bar. Es geht um Eindrücke, um Erlebnisse, um Entwicklun­gen in der Parteipoli­tik. Es wird gefrotzelt und viel gelacht. Kramp-karrenbaue­r trinkt eine Flasche Bamba, das örtliche Bier. Für Merkel und von der Leyen hätten nun hilfreiche Geister dezent die Rechnung übernommen. Kramp-karrenbaue­r greift selbst zum Portemonna­ie und fragt. „Was macht das?“Der Barkeeper rechnet lange, zählt die Kronkorken, für die er längst bei anderen abkassiert hat, und schiebt ihr einen Zettel zu. Am Ende übernimmt sie alles.

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FOTO: DPA Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-karrenbaue­r auf dem Flug über Mali im Cockpit des Airbus A400M.

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