Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Verrat in Syrien?
Welche Rolle wollen die Vereinigten Staaten in der Weltpolitik spielen? Dass Präsident Trump die Us-truppen aus Syrien abziehen will, stößt in Washington auf Widerstand. Die Amerikaner untergrüben ihre Glaubwürdigkeit, warnen Kritiker.
WASHINGTON Mitch Mcconnell ist nicht dafür bekannt, dass er schnell auf Distanz zu Donald Trump geht. Im Gegenteil, der Parlamentsveteran aus Kentucky legt eine solche Loyalität an den Tag, dass ihn Zeitgenossen mit spitzer Zunge schon mal als Türsteher an den Pforten des Trump’schen Palasts verspotten. Eben erst hat er per Video versichert, unter seiner Führung werde eine Senatsmehrheit die Amtsenthebung des Präsidenten auf alle Fälle blockieren. Umso bemerkenswerter ist, mit welcher Verve der führende Republikaner im Senat Trumps jüngste Weichenstellung in Syrien kritisiert.
Die dort verbliebenen Us-truppen überstürzt abzuziehen, erklärte Mcconnell, würde allein Russland, dem Iran und dem Regime Baschar al Assads nützen. Zudem erhöhe ein solcher Schritt das Risiko, dass sich die Milizen des IS und andere Terrorgruppen neu formierten. Es folgte ein Satz, der weit hinausgeht über den konkreten Anlass: „Amerikanischen Interessen ist am besten durch Führungsstärke gedient, nicht durch Zurückweichen.“
Der Streit ist nicht neu. Er dreht sich nicht nur um Syrien, sondern auch um die Grundsatzfrage, welche Rolle die Vereinigten Staaten in der Welt spielen sollen. Schon als Trump fürs Weiße Haus kandidierte und ihm das konservative Establishment den Weg zu versperren versuchte, rieben sich die maßgeblichen Außenpolitiker der Partei an einem Unberechenbaren, der sich den Rückzug aus Konfliktgebieten auf die Fahnen schrieb. Und der die nach 1945 gebildeten Allianzen infrage stellte, sei es die Nato, sei es das Bündnis mit Japan und Südkorea. Diesmal aber stellen sich prominente Konservative mit einer verbalen Schärfe gegen Trump, wie man sie nicht mehr erlebt hat, seit der Mann im Oval Office regiert.
Der Senator Marco Rubio, weltpolitisch ein Falke, spricht von einem schweren Fehler, der Folgen weit über Syrien hinaus haben werde. Lindsey Graham, gleichfalls ein Hardliner, aber eben auch einer der engsten Vertrauten Trumps im Kongress, nannte die Entscheidung „kurzsichtig und unverantwortlich“. „Das ist die größte Lüge dieser Administration, dass der IS geschlagen ist. Das Kalifat wurde zerstört, aber Tausende Kämpfer sind geblieben.“
Mitt Romney, gescheiterter Präsidentschaftskandidat 2008, ging sogar so weit, den Schulterschluss mit einem Demokraten zu proben, mit Chris Murphy, seinem Senatskollegen aus Connecticut. Trump übe Verrat an den kurdischen Verbündeten, indem er sie angesichts eines drohenden türkischen Angriffs im Stich lasse, schrieben beide in einem Statement. Nachdem man sich der Hilfe der Kurden bedient habe, um den IS zu vernichten, öffneten die USA nunmehr die Tür zu deren Vernichtung. Dies werde ihre Glaubwürdigkeit ernstlich untergraben, warnte das Duo, ohne sich auf den Nahen Osten zu beschränken.
Schon jetzt lässt sich absehen, dass der Senat dem Präsidenten eine schallende Ohrfeige verpasst, ähnlich wie im Januar. Damals, nach Trumps jähem Entschluss, sämtliche Us-soldaten aus dem Nordosten Syriens nach Hause zu beordern, hatte sie einen kompletten Abzug sowohl aus Syrien als auch aus Afghanistan mit klarer Mehrheit (68 zu 23) abgelehnt. Es war einer dieser parteiübergreifenden Brückenschläge, wie man sie in Washington nur noch höchst selten erlebt. Unter dem Druck des Parlaments wie auf Zureden seines mittlerweile entlassenen Sicherheitsberaters John Bolton machte der Präsident einen Rückzieher, wenn auch nur einen halben. Er reduzierte das US-KONtingent von 2000 auf 1000 Mann, von denen einige Hundert in vorgeschobener Position auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei stationiert wurden, um Ankara von einer Invasion abzuschrecken.
Eine Korrektur auf Raten – das Szenario könnte sich wiederholen. Dass der Widerstand in den eigenen Reihen nicht ohne Wirkung bleibt, ließ Trump bereits erkennen, als er Ankara mit Konsequenzen drohte, nachdem er kurz zuvor noch grünes Licht für einen türkischen Einmarsch signalisiert hatte. Wenn die Türkei etwas unternehme, das er, Trump, in seiner „großartigen und unvergleichlichen Weisheit“für tabu halte, werde er die türkische Wirtschaft zerstören und auslöschen, schrieb er am Montagabend beim Kurznachrichtendienst Twitter. Was Amerikas populärster Fernsehsatiriker Stephen Colbert prompt mit einer prägnanten Zeile bedachte: „Nun ist er endgültig zum Gottkaiser geworden.“