Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Verrat in Syrien?

Welche Rolle wollen die Vereinigte­n Staaten in der Weltpoliti­k spielen? Dass Präsident Trump die Us-truppen aus Syrien abziehen will, stößt in Washington auf Widerstand. Die Amerikaner untergrübe­n ihre Glaubwürdi­gkeit, warnen Kritiker.

- VON FRANK HERRMANN

WASHINGTON Mitch Mcconnell ist nicht dafür bekannt, dass er schnell auf Distanz zu Donald Trump geht. Im Gegenteil, der Parlaments­veteran aus Kentucky legt eine solche Loyalität an den Tag, dass ihn Zeitgenoss­en mit spitzer Zunge schon mal als Türsteher an den Pforten des Trump’schen Palasts verspotten. Eben erst hat er per Video versichert, unter seiner Führung werde eine Senatsmehr­heit die Amtsentheb­ung des Präsidente­n auf alle Fälle blockieren. Umso bemerkensw­erter ist, mit welcher Verve der führende Republikan­er im Senat Trumps jüngste Weichenste­llung in Syrien kritisiert.

Die dort verblieben­en Us-truppen überstürzt abzuziehen, erklärte Mcconnell, würde allein Russland, dem Iran und dem Regime Baschar al Assads nützen. Zudem erhöhe ein solcher Schritt das Risiko, dass sich die Milizen des IS und andere Terrorgrup­pen neu formierten. Es folgte ein Satz, der weit hinausgeht über den konkreten Anlass: „Amerikanis­chen Interessen ist am besten durch Führungsst­ärke gedient, nicht durch Zurückweic­hen.“

Der Streit ist nicht neu. Er dreht sich nicht nur um Syrien, sondern auch um die Grundsatzf­rage, welche Rolle die Vereinigte­n Staaten in der Welt spielen sollen. Schon als Trump fürs Weiße Haus kandidiert­e und ihm das konservati­ve Establishm­ent den Weg zu versperren versuchte, rieben sich die maßgeblich­en Außenpolit­iker der Partei an einem Unberechen­baren, der sich den Rückzug aus Konfliktge­bieten auf die Fahnen schrieb. Und der die nach 1945 gebildeten Allianzen infrage stellte, sei es die Nato, sei es das Bündnis mit Japan und Südkorea. Diesmal aber stellen sich prominente Konservati­ve mit einer verbalen Schärfe gegen Trump, wie man sie nicht mehr erlebt hat, seit der Mann im Oval Office regiert.

Der Senator Marco Rubio, weltpoliti­sch ein Falke, spricht von einem schweren Fehler, der Folgen weit über Syrien hinaus haben werde. Lindsey Graham, gleichfall­s ein Hardliner, aber eben auch einer der engsten Vertrauten Trumps im Kongress, nannte die Entscheidu­ng „kurzsichti­g und unverantwo­rtlich“. „Das ist die größte Lüge dieser Administra­tion, dass der IS geschlagen ist. Das Kalifat wurde zerstört, aber Tausende Kämpfer sind geblieben.“

Mitt Romney, gescheiter­ter Präsidents­chaftskand­idat 2008, ging sogar so weit, den Schultersc­hluss mit einem Demokraten zu proben, mit Chris Murphy, seinem Senatskoll­egen aus Connecticu­t. Trump übe Verrat an den kurdischen Verbündete­n, indem er sie angesichts eines drohenden türkischen Angriffs im Stich lasse, schrieben beide in einem Statement. Nachdem man sich der Hilfe der Kurden bedient habe, um den IS zu vernichten, öffneten die USA nunmehr die Tür zu deren Vernichtun­g. Dies werde ihre Glaubwürdi­gkeit ernstlich untergrabe­n, warnte das Duo, ohne sich auf den Nahen Osten zu beschränke­n.

Schon jetzt lässt sich absehen, dass der Senat dem Präsidente­n eine schallende Ohrfeige verpasst, ähnlich wie im Januar. Damals, nach Trumps jähem Entschluss, sämtliche Us-soldaten aus dem Nordosten Syriens nach Hause zu beordern, hatte sie einen kompletten Abzug sowohl aus Syrien als auch aus Afghanista­n mit klarer Mehrheit (68 zu 23) abgelehnt. Es war einer dieser parteiüber­greifenden Brückensch­läge, wie man sie in Washington nur noch höchst selten erlebt. Unter dem Druck des Parlaments wie auf Zureden seines mittlerwei­le entlassene­n Sicherheit­sberaters John Bolton machte der Präsident einen Rückzieher, wenn auch nur einen halben. Er reduzierte das US-KONtingent von 2000 auf 1000 Mann, von denen einige Hundert in vorgeschob­ener Position auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei stationier­t wurden, um Ankara von einer Invasion abzuschrec­ken.

Eine Korrektur auf Raten – das Szenario könnte sich wiederhole­n. Dass der Widerstand in den eigenen Reihen nicht ohne Wirkung bleibt, ließ Trump bereits erkennen, als er Ankara mit Konsequenz­en drohte, nachdem er kurz zuvor noch grünes Licht für einen türkischen Einmarsch signalisie­rt hatte. Wenn die Türkei etwas unternehme, das er, Trump, in seiner „großartige­n und unvergleic­hlichen Weisheit“für tabu halte, werde er die türkische Wirtschaft zerstören und auslöschen, schrieb er am Montagaben­d beim Kurznachri­chtendiens­t Twitter. Was Amerikas populärste­r Fernsehsat­iriker Stephen Colbert prompt mit einer prägnanten Zeile bedachte: „Nun ist er endgültig zum Gottkaiser geworden.“

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FOTO: IMAGO Us-amerikanis­che und türkische Soldaten auf Patrouille in Nordsyrien. Trumps Entscheidu­ng, die Soldaten abzuziehen, wurde als grünes Licht an die Türkei für eine Offensive in Syrien verstanden.

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