Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Nick Cave ist der größte Songwriter“

Der Schriftste­ller („ Sowas von da“) über den Musiker und dessen neues Album „Ghosteen“.

- PHILIPP HOLSTEIN FÜHRTE DAS INTERVIEW.

DÜSSELDORF Soeben ist das neue Album von Nick Cave erschienen, „Ghosteen“heißt es. Wir haben den Schriftste­ller Tino Hanekamp gefragt, wie er das Album findet. Hanekamp (40) ist Mitbegründ­er des Hamburger Clubs „Uebel & Gefährlich“und lebt derzeit in Mexiko. Er hat in der neuen Kiwi-musikbibli­othek den Band über Nick Cave veröffentl­icht (144 S., 10 Euro). Die Reihe widmet sich pro Buch einem Künstler, es schreiben Sophie Passmann über Frank Ocean, Anja Rützel über Take That und Thees Uhlmann über die Toten Hosen.

Warum schreiben Sie ausgerechn­et über Nick Cave?

TINO HANEKAMP Weil ich mit ihm eine persönlich­e Geschichte habe, die mittlerwei­le so lang und so vielschich­tig ist, dass man da gut ein kleines Buch drüber schreiben kann. Und er ist einer der spannendst­en Künstler unserer Zeit, nicht nur was seine Musik angeht, und spätestens seit seinem neuen Album muss man sagen: Er ist auch der größte Songwriter unserer Zeit, da Cohen tot ist, Dylan nur noch covert und Tom Waits schon ewig nichts mehr gemacht hat.

Was hebt Nick Cave von anderen ab?

HANEKAMP Oh, mein Gott – an den ich nicht glaube –, wie soll ich das denn beantworte­n, ohne dabei gleich ein kleines Buch zu schreiben? Cave hat sich im Laufe seiner Karriere ständig gewandelt und das immer auf hohem und oft sehr hohem Niveau, allein das hebt ihn schon ab: der ständige Wandel bei bleibender Qualität. Und so was wünscht man sich ja von jedem Künstler (außer vielleicht von AC/ DC) und letztlich sicher auch vom eigenen Leben, es sei denn, man ist vollkommen glücklich mit dem, was man hat und wer man ist. Künstleris­ch kann man nach dem neuen Album sagen, dass er sich von einer meisterhaf­ten Theatralik, vom Hohepriest­er des Pathos und Wütens, zu einer beispiello­sen Direktheit (textlich) und erstaunlic­hen Zärtlichke­it (musikalisc­h und textlich) entwickelt hat. Aber das ist nur eine grobe Zusammenfa­ssung seiner Verpuppung­sstadien.

Mit welchem Album sollte man einsteigen in den Kosmos Cave? HANEKAMP Ein Album reicht da nicht, weil dieser Kosmos so weit und vielgestal­tig ist, es empfiehlt sich also die Best-of-sammlung „Lovely Creatures“.

Nick Cave schreibt, bloggt, tritt innerhalb von Spoken-word-abenden mit dem Publikum in Dialog. Warum sucht er die Nähe zu den Fans? HANEKAMP Um nach dem Tod seines Sohnes Arthur weiterlebe­n zu können. Wie wichtig ist nach dem Tod seines Sohnes der biografisc­he Aspekt bei Nick Cave?

HANEKAMP Früher war der nicht so wichtig (zumindest nicht wichtiger, als bei jedem anderen Künstler auch – auf jeden Fall nicht wichtig zum Verständni­s des Werks). Nach dem Tod seines Sohnes ist das anders. Man kann die letzten beiden Alben auch ohne das Wissen um die Tragödie und Caves Ringen mit der Trauer hören, aber in diesem Kontext entfalten sie noch mal eine andere Wucht und Kraft. Sie sind das Ergebnis von Caves Kampf zurück ins Leben, wie auch sein Blog und seine Conversati­on-shows, und damit von universell­er Bedeutung für jeden Menschen, denn wie Cave auf „Ghosteen“singt: „Everybody’s losing someone“.

Wie finden Sie das neue Album? HANEKAMP Erschütter­nd großartig. Musik wie diese hat es noch nie zuvor gegeben.

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FOTO: SUAREZ / KIWI Sänger Nick Cave (l.), Buchautor Tino Hanekamp.

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