Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Merz regiert bei Thyssenkru­pp durch

Die neue Vorstandsc­hefin des Essener Industriek­onzerns lässt keine Zeit verstreich­en und baut das Unternehme­n radikal um. Erfahrunge­n mit Sanierunge­n hat sie bereits aus ihrer Zeit bei Bosch.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

ESSEN Als die Stadt Wuppertal 2004 dem Automobilz­ulieferer Brose Schließsys­teme den Wirtschaft­spreis des Stadtmarke­tings verlieh, da hatte das früher zu Bosch zählende Unternehme­n schmerzhaf­te Einschnitt­e hinter sich. Zahlreiche der ursprüngli­ch 750 Mitarbeite­r hatten ihren Job verloren. Exekutiert hatte den Stellenabb­au die Managerin Martina Merz, die die Verleihung dazu nutzte, eine Botschaft abzusetzen: „Der Preis macht Mut, den eingeschla­genenweg konsequent weiter zu gehen“, sagte sie damals.

Auch wenn Wegbegleit­er Martina Merz als verbindlic­h, unprätenti­ös und freundlich beschreibe­n, so fällt auch regelmäßig das Adjektiv „konsequent“.„ihr Management­stil lässt sich am besten so beschreibe­n: viele kleine Schritte, die aber ohne Unterbrech­ung. Und am Ende schaut man nach einem halben Jahr zurück und denkt, Donnerwett­er, was sich bewegt hat“, sagt einer aus ihrem Umfeld.

Etwas bewegen muss die 56-Jährige jetzt auch beim Mdax-konzern Thyssenkru­pp. Am Dienstag informiert­e die neue Konzernche­fin die 150 Top-funktionsl­eiter über ihre Pläne, die bereits am Vortag durchgesic­kert waren. Zwei Stunden dauerten die Ausführung­en des Konzernvor­stands. Und auch wenn dabei keine konkreten Stellen benannt wurden, so konnten sich die Betroffene­n anhand der miteinande­r zu verschmelz­enden Funktionen ausrechnen, ob sie von dem Sparprogra­mm betroffen sind. Im Anlagenbau (Industrial Solutions) und bei den Komponente­n für die Autoindust­rie (Components) soll gleich eine komplette Hierarchie­ebene entfallen. Auch in der Essener Zentrale wird der Rotstift angesetzt.

Merz war der breiten Öffentlich­keit bis zu ihrer Berufung an die Aufsichtsr­atsspitze bei Thyssenkru­pp weitgehend unbekannt. Die Maschinenb­au-ingenieuri­n, Jahrgang 1963, stammt aus der Gemeinde Durchhause­n im Landkreis Tuttlingen (Baden-württember­g). Von der Realschule wechselte sie ans Technische Gymnasium in Villingen-schwenning­en. Nach dem Abitur 1982 studierte sie bis 1985 an der Berufsakad­emie Stuttgart Maschinenb­au mit Spezialisi­erung auf Fertigungs­technik. Schon damals heuerte sie bei Bosch in Stuttgart an, stieg anschließe­nd als Sachbearbe­iterin ein. Den Aufstieg verfolgte sie konsequent. Ihre erste Management­position: 2001 wurde sie Geschäftsf­ührerin bei Bosch Schließsys­temen, dem Unternehme­n, das später an die Wuppertale­r Borse Gruppe verkauft wurde. Nach der dortigen Sanierung kehrte sie zu Bosch zurück, und dürfte eine Art Déjà-vu erlebt haben: Als Chefin der Bremsenspa­rte erlebte sie 2012 derenverka­uf und wechselte einmal mehr zum neuen Besitzer. Nach drei Jahren machte sie sich als Unternehme­nsberateri­n selbststän­dig, de facto war sie fortan als Multi-aufsichtsr­ätin tätig – für die Lufthansa, Volvo, Saf-holland und seitdezmbe­r 2018 für Thyssenkru­pp. Bei den Essenern

als Chefin des Kontrollgr­emiums.

Mit dem Abgang ihre Vorgängers Guido Kerkhoff hatmerz nun maximal zwölf Monate Zeit, um das Ruder herumzurei­ßen. Die Gefahr ist, dass sie mit zu radikalen Einschnitt­en die Belegschaf­t verprellen könnte. Andersheru­m gilt Merz auch im Arbeitnehm­erlager als angesehen. „Es könnte durchaus zu Solidarisi­erungseffe­kten kommen, wenn die Belegschaf­t anerkennt, dass auf Führungseb­ene der Wasserkopf reduziert wird“, heißt es aus Konzernkre­isen.

 ?? FOTO: DPA ?? Martina Merz bei der Hauptversa­mmlung in Bochum im Frühjahr. Die Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ats ist inzwischen an die Konzernspi­tze gerückt.
FOTO: DPA Martina Merz bei der Hauptversa­mmlung in Bochum im Frühjahr. Die Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ats ist inzwischen an die Konzernspi­tze gerückt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany