Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Selbstverteidigung in Dortmund
Vor dem Testspiel gegen Argentinien am Mittwoch (20.45 Uhr) steht die deutsche Defensive im Fokus. Joachim Löw versucht sich in Erklärungen, warum er weiter auf Mats Hummels verzichtet und stattdessen auf Debütanten setzt.
DORTMUND Marc-andré ter Stegen nimmt es ganz locker. So sieht er jedenfalls aus auf dem Podium im Deutschen Fußballmuseum in Dortmund. „Ich freue mich auf das Spiel“, sagt der Torwart des FC Barcelona vor der Testpartie der Nationalmannschaft gegen Argentinien (Mittwoch, 20.45 Uhr). Er lächelt. Und er sagt noch ein paar artige Sätze zu dem Einsatz, den ihm Bundestrainer Joachim Löw garantiert hat. Einer lautet: „Jeder will sich präsentieren, jeder möchte spielen, aber über allem steht das gemeinsame Ziel.“Den Anspruch auf die Nummer eins im Team formuliert er nicht. „Der Bundestrainer hat seine Aussage getätigt“, erklärt ter Stegen. Ihm bleiben in näherer Zukunft wohl nur ein paar Freundschaftsspiele, der Platzhirsch ist Manuel Neuer.
Das Spiel gegen Argentinien könnte ein besonderes sein. Und der Schlussmann des FC Barcelona bemüht sich nach Kräften, die Bedeutung der Begegnung hochzuschätzen. „Das ist ein fantastisches Spiel“, beteuert er.
Fraglich ist jedoch, ob er auch im Tor einer fantastischen Mannschaft stehen wird. Fest steht, dass Löw eine Absagewelle von ungeahntem Ausmaß erreicht hat. 13 Spieler, die einen Platz im Dfb-aufgebot beanspruchen dürfen, sind gegen Argentinien nicht dabei. Am Sonntag beim Qualifikationsspiel in Estland könnten Ilkay Gündogan und Timo Werner ins Team zurückkehren.
Schwierig wird‘s für Löw vor allen Dingen in der Abwehr. Ter Stegen wird hinter einer Defensivreihe stehen, die so noch nie auf dem Platz gestanden hat. Antonio Rüdiger, Matthias Ginter, Thilo Kehrer, Jonas Hector, Nico Schulz und Jonathan Tah fallen aus. In einem guten, alten „Spiegel“-wort: Deutschland ist nur bedingt abwehrbereit. „Die Gesamtlage“, erklärt Löw, „ist angespannt und unerfreulich.“So kann man das auch sagen. Sie ist so angespannt, dass der Bundestrainer noch am Montagabend den Freiburger Verteidiger Robin Koch nachnominiert hat. Den sieht er zwar selbst sehr häufig bei seinen Besuchen im Dreisamstadion, aber zur ersten Innenverteidiger-garde in Deutschland gehört der 23-Jährige sicher nicht. Sonst wäre er schon häufiger zum A-team berufen worden.
Ebenso wie der Kollege Niklas Stark hat Koch bislang noch kein A-länderspiel bestritten. Stark hat immerhin einige Trainingseinheiten mit der ersten Mannschaft des DFB machen dürfen. Für den Berliner wird es auf jeden Fall nun ernst. „Seine Stunde schlägt morgen“, sagt Löw. Und er verspricht sich einen sehr selbstbewussten Auftritt: „Niklas Stark ist einer, der auf dem Platz viel spricht und organisiert.“
Da gibt es in der Bundesliga noch andere, sogar solche, die auf ein bisschen Erfahrung verweisen können. Mats Hummels (30), den der Bundestrainer im Frühjahr sehr kühl bei einem Besuch im Trainingszentrum von Bayern München abservierte, spielt seit einem halben Jahr in ziemlich bemerkenswerter Form vor – zunächst noch in München, seit dem Sommer bei Borussia Dortmund. Eine Einladung ins deftig ausgedünnte Dfb-aufgebot erging trotzdem nicht. „An ihn“, stellte Löw fest, „habe ich nicht gedacht.“Begründet hat er das mit dem Hinweis auf den Umbruch, den er der Nationalmannschaft verpassen wolle. Und er hat immer wieder beteuert, dass es in den Länderspielen seit der Sommerpause darum gehe, Automatismen einzuspielen.
Das Personal, das ihm zum Einspielen vorschwebte, hat er aber nicht zur Verfügung. Das räumt er selbst ein. „Das Einspielen“, sagt der Coach, „wird schwierig – auch im Hinblick auf die Europameisterschaft 2020. Das müssen wir dann wohl im nächsten Jahr hinkriegen.“Den Namen Hummels vermeidet er konsequent.
An dessen Stelle werden die Vornamensvettern Niklas Süle und Niklas Stark die zentralen Stellen in der Defensive einnehmen. Und es könnte durchaus sein, dass der Hoffenheimer Sebastian Rudy (29), nachnominiert wie Koch, im defensiven Mittelfeld die Entstehung argentinischer Angriffe eindämmen soll. Rudys Rückkehr zum DFB begründet Löw so: „Er kennt die Abläufe, und er hat einen guten Rhythmus.“Das könnte er auch über Hummels sagen, aber er tut es eben nicht. Und das versteht wahrscheinlich nicht jeder.
Die Dortmunder Kollegen des Innenverteidigers verstehen es sicher nicht. Marco Reus und Julian Brandt haben in den vergangenen Tagen vergeblich Werbung für den Weltmeister von 2014 betrieben. An Löw ist das offenbar gänzlich abgeprallt.
Deshalb wird der Bundestrainer am Mittwoch eine nicht eben routinierte Abwehr auf den Rasen des ehemaligen Westfalenstadions schicken. Das passt dann ins allgemeine Bild. Auch dem aufstrebenden Freiburger Stürmer Luca Waldschmidt verheißt der Trainer der Nation einen Startplatz. „Es gibt ja nicht so viele Varianten“, sagt Löw. Und er schließt daraus für das anstehende Treffen mit den Argentiniern: „Es wird schwierig sein, ganz hohe Erwartungen zu haben, was die Automatismen betrifft.“Erwarten dürfe das Publikum aber „Einsatz, Seriosität, Einstellung“. Oder wie Julian Brandt sagt: „Es werden Fehler passieren, aber jeder wird das Beste raushauen.“
Das ist beruhigend.