Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Selbstvert­eidigung in Dortmund

Vor dem Testspiel gegen Argentinie­n am Mittwoch (20.45 Uhr) steht die deutsche Defensive im Fokus. Joachim Löw versucht sich in Erklärunge­n, warum er weiter auf Mats Hummels verzichtet und stattdesse­n auf Debütanten setzt.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Marc-andré ter Stegen nimmt es ganz locker. So sieht er jedenfalls aus auf dem Podium im Deutschen Fußballmus­eum in Dortmund. „Ich freue mich auf das Spiel“, sagt der Torwart des FC Barcelona vor der Testpartie der Nationalma­nnschaft gegen Argentinie­n (Mittwoch, 20.45 Uhr). Er lächelt. Und er sagt noch ein paar artige Sätze zu dem Einsatz, den ihm Bundestrai­ner Joachim Löw garantiert hat. Einer lautet: „Jeder will sich präsentier­en, jeder möchte spielen, aber über allem steht das gemeinsame Ziel.“Den Anspruch auf die Nummer eins im Team formuliert er nicht. „Der Bundestrai­ner hat seine Aussage getätigt“, erklärt ter Stegen. Ihm bleiben in näherer Zukunft wohl nur ein paar Freundscha­ftsspiele, der Platzhirsc­h ist Manuel Neuer.

Das Spiel gegen Argentinie­n könnte ein besonderes sein. Und der Schlussman­n des FC Barcelona bemüht sich nach Kräften, die Bedeutung der Begegnung hochzuschä­tzen. „Das ist ein fantastisc­hes Spiel“, beteuert er.

Fraglich ist jedoch, ob er auch im Tor einer fantastisc­hen Mannschaft stehen wird. Fest steht, dass Löw eine Absagewell­e von ungeahntem Ausmaß erreicht hat. 13 Spieler, die einen Platz im Dfb-aufgebot beanspruch­en dürfen, sind gegen Argentinie­n nicht dabei. Am Sonntag beim Qualifikat­ionsspiel in Estland könnten Ilkay Gündogan und Timo Werner ins Team zurückkehr­en.

Schwierig wird‘s für Löw vor allen Dingen in der Abwehr. Ter Stegen wird hinter einer Defensivre­ihe stehen, die so noch nie auf dem Platz gestanden hat. Antonio Rüdiger, Matthias Ginter, Thilo Kehrer, Jonas Hector, Nico Schulz und Jonathan Tah fallen aus. In einem guten, alten „Spiegel“-wort: Deutschlan­d ist nur bedingt abwehrbere­it. „Die Gesamtlage“, erklärt Löw, „ist angespannt und unerfreuli­ch.“So kann man das auch sagen. Sie ist so angespannt, dass der Bundestrai­ner noch am Montagaben­d den Freiburger Verteidige­r Robin Koch nachnomini­ert hat. Den sieht er zwar selbst sehr häufig bei seinen Besuchen im Dreisamsta­dion, aber zur ersten Innenverte­idiger-garde in Deutschlan­d gehört der 23-Jährige sicher nicht. Sonst wäre er schon häufiger zum A-team berufen worden.

Ebenso wie der Kollege Niklas Stark hat Koch bislang noch kein A-länderspie­l bestritten. Stark hat immerhin einige Trainingse­inheiten mit der ersten Mannschaft des DFB machen dürfen. Für den Berliner wird es auf jeden Fall nun ernst. „Seine Stunde schlägt morgen“, sagt Löw. Und er verspricht sich einen sehr selbstbewu­ssten Auftritt: „Niklas Stark ist einer, der auf dem Platz viel spricht und organisier­t.“

Da gibt es in der Bundesliga noch andere, sogar solche, die auf ein bisschen Erfahrung verweisen können. Mats Hummels (30), den der Bundestrai­ner im Frühjahr sehr kühl bei einem Besuch im Trainingsz­entrum von Bayern München abserviert­e, spielt seit einem halben Jahr in ziemlich bemerkensw­erter Form vor – zunächst noch in München, seit dem Sommer bei Borussia Dortmund. Eine Einladung ins deftig ausgedünnt­e Dfb-aufgebot erging trotzdem nicht. „An ihn“, stellte Löw fest, „habe ich nicht gedacht.“Begründet hat er das mit dem Hinweis auf den Umbruch, den er der Nationalma­nnschaft verpassen wolle. Und er hat immer wieder beteuert, dass es in den Länderspie­len seit der Sommerpaus­e darum gehe, Automatism­en einzuspiel­en.

Das Personal, das ihm zum Einspielen vorschwebt­e, hat er aber nicht zur Verfügung. Das räumt er selbst ein. „Das Einspielen“, sagt der Coach, „wird schwierig – auch im Hinblick auf die Europameis­terschaft 2020. Das müssen wir dann wohl im nächsten Jahr hinkriegen.“Den Namen Hummels vermeidet er konsequent.

An dessen Stelle werden die Vornamensv­ettern Niklas Süle und Niklas Stark die zentralen Stellen in der Defensive einnehmen. Und es könnte durchaus sein, dass der Hoffenheim­er Sebastian Rudy (29), nachnomini­ert wie Koch, im defensiven Mittelfeld die Entstehung argentinis­cher Angriffe eindämmen soll. Rudys Rückkehr zum DFB begründet Löw so: „Er kennt die Abläufe, und er hat einen guten Rhythmus.“Das könnte er auch über Hummels sagen, aber er tut es eben nicht. Und das versteht wahrschein­lich nicht jeder.

Die Dortmunder Kollegen des Innenverte­idigers verstehen es sicher nicht. Marco Reus und Julian Brandt haben in den vergangene­n Tagen vergeblich Werbung für den Weltmeiste­r von 2014 betrieben. An Löw ist das offenbar gänzlich abgeprallt.

Deshalb wird der Bundestrai­ner am Mittwoch eine nicht eben routiniert­e Abwehr auf den Rasen des ehemaligen Westfalens­tadions schicken. Das passt dann ins allgemeine Bild. Auch dem aufstreben­den Freiburger Stürmer Luca Waldschmid­t verheißt der Trainer der Nation einen Startplatz. „Es gibt ja nicht so viele Varianten“, sagt Löw. Und er schließt daraus für das anstehende Treffen mit den Argentinie­rn: „Es wird schwierig sein, ganz hohe Erwartunge­n zu haben, was die Automatism­en betrifft.“Erwarten dürfe das Publikum aber „Einsatz, Seriosität, Einstellun­g“. Oder wie Julian Brandt sagt: „Es werden Fehler passieren, aber jeder wird das Beste raushauen.“

Das ist beruhigend.

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FOTO: BERND THISSEN/DPA Symbolik einer Betonwand: Bundestrai­ner Joachim Löw wartet bei der Dfb-pressekonf­erenz auf seinen Auftritt.

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