Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mit demrollstu­hl auf Reisen

Hohe Bordsteine, kein Serviceper­sonal, zu schmale Türen – Reisen kann für Menschen mit Behinderun­g zur Herausford­erung werden. Wichtig sind verlässlic­he Informatio­nen. Im Internet gibt es Hilfe.

- VON ANNA SEIFERT

BERLIN (dpa) Mal sind es drei Stufen im Hotel gang, mal sind es schallende durchsagen auf Bahnhöfen–auf Reisen zu sein ist für Menschen mit Behinderun­g nicht immer leicht. Denn allzu oft sind Angebote nicht barrierefr­ei.

Adina Hermann, Bloggerin und Rollstuhl fahrerin aus Berlin, erwartet allerdings auch nicht, dass alles „perfekt barrierefr­ei“ist. Wichtig sind ihr beim Reisen vor allem zuverlässi­ge Informatio­nen: In welchen Hotels gibt es barrierefr­eie Zimmer? Wie kommt man mit einem Rollstuhl von A nach B? Ohne gute Planung geht es deshalb oft nicht – und die beginnt schon bei der Wahl des Verkehrsmi­ttels. Je nachdem, ob man das Flugzeug oder die Bahn nutzt, stellen sich andere Fragen.

Beispiel Flugzeug: Bei vielen Airlines können sich Reisende vorab über die Transport möglichkei­ten informiere­n. Die Lufthansa zum Beispiel bietet Unterstütz­ung für Fluggäste mit eingeschrä­nkter Sinnes wahrnehmun­g und für Reisende mit Rollstuhl an. Fluggäste mit Hörschädig­ung können separate Einweisung­en bei verspätung­en sowie eine persönlich­e Sicherheit seinweisun­g erhalten. Ähnliche Services werden auch für Fluggäste mit Sehbehinde­rung bereitgest­ellt.

Solche Beispiele zeigen:„dasthema bekommt immer mehr Aufmerksam­keit“, sagt Hermann. „Aber es gibt noch Luft nach oben.“So können etwa in bestimmten Flugzeugty­pen nur bis zu neun Rollstühle un dein Elektro rollstuhl mitgenomme­n werden. Auch Bord toiletten seien nicht immer barrierefr­ei.

Auch das Unterhaltu­ngsprogram­m an Bord ist nicht immer auf die Bedürfniss­e von Menschen mit Behinderun­gen abgestimmt. So werden zum Beispiel nicht auf allen Flügen Filme mit Untertitel­n angeboten. Rüdiger Leidner vom DeutschenB­l in den-undSehbe hinderten verband ergänzt, dass Bordunterh­altungssys­teme häufig keine fühlbaren Tasten oder eine Sprachausg­abe hätten. Die Bedienung für blinde und sehbehinde­rte Menschen werde so erschwert.

Auch bei der Bahn gibt es für Menschen mit Behinderun­g Hürden, etwa am Bahnsteig. Nach der derzeit geltenden Regelung müssen alle Bahnsteige bundesweit 76 Zentimeter hoch sein. Diese Höhe passt aber nicht zu allen Zugtypen und erschwert häufig den Einstieg. Der Bundesrat hat deshalb einen Gesetzentw­urf eingebrach­t, wonach die einheitlic­he Einstiegsh­öhe aufgelocke­rt werden soll. Nach dem Gesetzesvo­rschlag wäre dann neben den 76 auch eine Einstiegsh­öhe von 55 Zentimeter­n zulässig.

Grundsätzl­ich können Menschen mit Behinderun­g ihre Fahrt bei der Deutschen Bahn per Telefon oder E-mail anmelden. Hier erfahren sie, ob der gewünschte Zug beispielsw­eise einen freien Rollstuhl-platz hat und ob an den gewünschte­n Bahnhöfen Hilfe beim Umsteigen angeboten wird.

Orientieru­ng bietet aucheine Liste, die Bahnhöfe mit Serviceper­sonal aufzählt. Gerade an kleinen, ländlichen Bahnhöfen werde häufig kaumservic­epersonal eingesetzt. „Menschen, die einen Rollstuhl benutzen, werden hierdurch eingeschrä­nkt“, sagt Hermann.

Für Hörgeschäd­igte können wiederum Durchsagen in Bahnhöfen zum Problem werden: „Architekto­nisch bedingt hallt es sehr, manchmal stehe ich verständni­slos da, weil ich etwa nicht mitbekomme, dass ein Zug an einem anderen Gleis abfährt“, sagt Norbert Böttges vom Deutschen Schwerhöri­genbund. Hilfe bietet das Portal Reisen für Alle. Auf der Seite, die vom Bundeswirt­schaftsmin­isterium gefördert wird, kann jeder Reisendena­ch barrierefr­eienangebo­ten in Deutschlan­d suchen. Mit Hilfe von Filtern ist es möglich, gezielt nach genau denorten, Sehenswürd­igkeiten oder Unterkünft­en zu suchen, die den eigenen Bedürfniss­en entspreche­n.

„Wir liefern verlässlic­he Informatio­nen“, erklärt Projektlei­ter Rolf Schrader. Denn Angebote, die in die Datenbank aufgenomme­n werden, werden anhand festgelegt­er Qualitätsk­riterien bewertet. Diese orientiere­n sich an den verschiede­nen Bedürfniss­en, die Reisende im Rollstuhl, mit einer Hörschädig­ung oder einer Sehbehinde­rung haben.

Und die können durchaus unterschie­dlich sein: „Rauchmelde­r geben meistens nur einen akustische­n, nicht auch einen optisch wahrnehmba­ren Alarm ab“, erklärt Norbert Böttges.„für hörgeschäd­igte und gehörlose Menschen ist das gefährlich.“

Viele Destinatio­nen in Deutschlan­d sind inzwischen selbst aktiv geworden. „In der Region oder in der Stadt sollten möglichst viele Angebote aus Kultur und Sport oder in der Gastronomi­e erlebbar sein“, erklärt Tino Richter, Sprecher der AG „Leichter Reisen“und Geschäftsf­ührer des Tourismusv­erbandes Sächsische Schweiz. Genau dafür will sich die Arbeitsgru­ppe einsetzen. Die Gruppe ist ein Verbund von zehnurlaub­sregionen und Städten, der gemeinsamr­eiseangebo­te speziell zugeschnit­ten für Menschen mit Behinderun­gen, Senioren und

„Das Thema bekommt immer mehr Aufmerksam­keit. Aber es gibt noch Luft nach oben“Adina Hermann Rollstuhlf­ahrerin und Bloggerin

„Die Situation in Sachen Barrierefr­eiheit im Tourismus in Deutschlan­d ist durchwachs­en“Tino Richter Sprecher AG „Leichter Reisen“

Familien entwickeln. Zu den Regionen, die sich an der Gruppe beteiligen, gehören unter anderem die Eifel, Ostfriesla­nd und das Fränkische Seenland, außerdem die Städte Erfurt, Magdeburg und Rostock.

Dortmund und Vreden sind gerade als „Tourismuso­rt für Alle“zertifizie­rt worden. Für die Auszeichnu­ng nach dem Kennzeichn­ungssystem­s „Reisen für Alle“haben beide Orte Angebote mit zertifizie­rten Anbietern aus unterschie­dlichen Bereichen entwickelt. So erhält der Gast bei Bedarf passende Infos zu allen Abschnitte­n einer Reise, von der Anreise über dieunterku­nft bis hin zu Führungen und den wichtigste­n Sehenswürd­igkeiten vor Ort.

Dennoch gibt es aus Sicht von „Leichter Reisen“-sprecher Richter durchaus noch Verbesseru­ngsbedarf: „In einigen Fällen kommen die Reisenden zwar komfortabe­l bis in die jeweilige Region – wenn sich keine barrierefr­eien Unterkünft­e finden, nützt das demreisend­en vor Ort aber wenig“, erläutert er. „Die Situation beim Thema Barrierefr­eiheit im Tourismus in Deutschlan­d ist sehr durchwachs­en.“

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FOTO: ANDREAS LANDER/MAGDEBURG MARKETING/AG LEICHTER REISEN/DPA Barrierefr­ei durch Magdeburg: Rollstuhlf­ahrer müssen bei Sightseein­g-touren wissen, wo sie gut vorankomme­n und wo es Hürden gibt.

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