Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Erschütterung über Toten an Haltestelle
Eine Düsseldorferin hat am Freitag einen Toten an einer Bushaltestelle in Eller gefunden. Den Umstehenden war offenbar nichts aufgefallen. Nun sucht sie nach Gründen für das Geschehen – und will aufklären.
Eine Düsseldorferin hat am Freitag einen Toten an einer Bushaltestelle in Eller gefunden. Den Umstehenden war offenbar nichts aufgefallen.
Vera Vorneweg hat dieser Tage nur ein Thema. Die 34-jährige Mutter zweier Söhne ist immer noch geschockt von dem, was sie am Freitag erlebt hat.
Sie hatte ihren jüngeren Sohn gerade in die Kita gebracht und war auf dem Heimweg noch einkaufen gewesen. Mit Taschen beladen, entschied sie sich, die kurze Strecke mit dem Bus zurückzulegen. Es regnete. Gegen 10.15 Uhr betrat sie das Häuschen der Bushaltestelle Schlesische Straße an der Ecke Kuthsweg/ Reisholzer Straße. „Ich habe meinen Rucksack und die Taschen in die Ecke gestellt“, erzählt sie. „Dann ist mir der Mann auf der Bank aufgefallen.“Er habe auf den ersten Blick gewirkt, als würde er tief schlafen. Sein Kinn war ihm auf die Brust gefallen, die Augen waren geschlossen. Sie habe direkt ein schlechtes Gefühl gehabt, sagt Vorneweg. „Sein unteres Gebiss war herausgerutscht und es hingen ihm Speichelfäden aus dem Mund.“Der Mann war dunkel gekleidet – einfach, aber keinesfalls verwahrlost. Er hatte einen Stoffbeutel dabei, sonst nichts. Sie schätzte ihn auf Anfang bis Mitte 60.
„Wie lange sitzt der Mann schon so hier?“, habe Vorneweg die Umstehenden gefragt. Sechs oder sieben Menschen, so erinnert sie sich, warteten im Bushäuschen. Es habe auch jemand direkt neben dem Mann gesessen. „Eine Frau sagte: ,Der sitzt schon länger hier, vielleicht 20 Minuten’“, erzählt Vorneweg. „Eine andere sagte: Er sieht nicht gut aus.“
Vera Vorneweg rüttelte den Mann an der Schulter und versuchte, seinen Puls zu fühlen. „Seine Hände waren eiskalt und blau-weiß“, erinnert sie sich. Sie rief die 112.
Inzwischen weiß sie: Der Mann war tot, auch die Reanimationsversuche der Sanitäter, die mit drei Rettungswagen kamen, brachten ihn nicht mehr zurück. Man habe den Mann direkt in die Rechtsmedizin gebracht, sagt ein Sprecher der Feuerwehr. Auch die Polizei bestätigt den Einsatz. Es habe keine Hinweise auf eine Straftat gegeben, der Mann sei eines natürlichen Todes gestorben. Es handelt sich um einen 70-Jährigen, der vermutlich aufgrund einer Vorerkrankung starb. Offenbar war er gerade auf dem Weg zum Arzt, als sein Leben an der Bushaltestelle endete.
„Ich suche seit Freitag nach einer Erklärung, wie das passieren konnte“, sagt Vera Vorneweg. Wie kann es einem halben Dutzend Menschen nicht auffallen, dass sie neben einem Toten an der Bushaltestelle warten? Hat keiner so genau hingeschaut? Wollten die Umstehenden einen Schlafenden nicht stören?
„Einer der Sanitäter hat mir erzählt, dass viele Menschen Berührungsängste haben“, sagt Vorneweg. „Vielleicht auch Angst, etwas falsch zu machen.“Möglicherweise schauten Stadtbewohner auch nicht so genau hin, um sich von Menschenmassen abzugrenzen. Vorneweg ist Schriftstellerin – vielleicht ein Beruf, der das Beobachten trainiert. Sie hat soziale Arbeit studiert. Auch das vielleicht ein Grund, weshalb sie aufmerksam wurde, während andere nichts merkten.
1700 Todesermittlungsverfahren leitete die Polizei 2018 ein. Das passiert immer dann, wenn Verstorbene gefunden werden, bei denen die Todesursache unklar oder nicht natürlich ist. In 60 Fällen bestand ein Verdacht auf Fremdverschulden, so dass eine Mordkommission eingeleitet wurde.
Vera Vorneweg wurde als Zeugin von der Polizei vernommen. Ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung gebe es aber nicht, sagte ein Sprecher. Über die Polizei kontaktierte Vorneweg die Angehörigen des Toten. „Meine Befürchtung war, dass sich niemand um die Beerdigung kümmert.“Dem ist aber nicht so, der Mann wird in einigen Tagen bestattet. Vera Vorneweg wird dabei sein.