Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Frau Schulze muss nicht mehr bitten
Das Kabinett billigt das Klimaschutzgesetz und die dazugehörige „To-do-liste“. Die Umweltverbände sind enttäuscht – Ministerin Schulze ist glücklich.
BERLIN Für Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) ist das Klimaschutzgesetz eine „Wegmarke“nach einem „steinigen Weg“, den sie gegen alle Widerstände erfolgreich gegangen ist. Für den alternativen Verkehrsclub Deutschland dagegen ist es ein „mutloser Plan“. Die Umweltverbände sind enttäuscht, weil Schulze nicht mehr für den Klimaschutz herausholen konnte, und auch die Wirtschaft hätte sich klarere und langfristigere Vorgaben gewünscht. Doch Schulze ficht das alles nicht an. „Die Zeit“, so die Umweltministerin, in der sie „Bitte, Bitte gesagt hat und den anderen ständig auf die Füße treten musste, diese Zeit ist jetzt endgültig vorbei“. Deutschland sei weltweit das erste Land, das sich derart verbindliche Klimaziele gebe. „Ab jetzt sind alle Ministerien Klimaschutzministerien“, sagt sie.
Klimaschutzgesetz In dem Gesetz wird bekräftigt, dass Deutschland seine Treibhausgasemissionen bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 reduzieren muss, um das Pariser Klimaabkommen einzuhalten. Zudem findet sich im Artikel eins des Gesetzes nun das „Bekenntnis Deutschlands, auf dem Un-klimagipfel am 23. September 2019 in New York, Treibhausgasneutralität 2050 als langfristiges Ziel zu verfolgen“. In einem früheren Entwurf hatte es geheißen, Deutschland wolle die Treibhausgasneutralität – also eine Co2-minderung um 100 Prozent – bis zur Mitte des Jahrhunderts erreichen. Kritiker sehen in der neuen Formulierung, die auf eine international gefeierte Rede der Bundeskanzlerin auf dem Un-klimagipfel zurückgeht, eine Abschwächung. Schulze wies das zurück.
Abgeleitet aus dem 2030er-klimaziel legt das Klimaschutzgesetz für sechs Sektoren – Energiewirtschaft, Industrie, Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft, Abfallwirtschaft und Sonstiges – jährliche CO2-MINderungsziele „tonnenscharf“(Zitat Schulze) für den Zeitraum 2020 bis 2030 fest. Sollte die zugelassene Emissionsmenge überschritten werden, muss das für einen Sektor zuständige Ministerium ein Sofortprogramm zur weiteren Co2-reduktion vorlegen. Sollte Deutschland die Eu-klimaziele verfehlen, müsste es bei Nachbarländern CO2-VERschmutzungsrechte einkaufen. Die Kosten dafür sollen diejenigen Ressorts tragen, die für die Nicht-einhaltung der Ziele verantwortlich sind. Strittig war bis zuletzt, wie die Co2-reduktion ab 2030 organisiert wird. Nun heißt es im Gesetz, die Bundesregierung werde 2025 „für weitere Zeiträume nach dem Jahr 2030 jährlich absinkende Emissionsmengen“festlegen.
Klimaschutzprogramm Das Kabinett billigte zusätzlich ein 173 Seiten langes Papier, laut Schulze die „To-do-liste“der Regierung für alle weiteren Schritte, die in weiteren Gesetzen formuliert werden sollen.
Co2-preis Kern des Programms ist, dass der Ausstoß von CO2 künftig etwas kosten soll. Zunächst soll ein Festpreis gelten, der 2021 mit zehn Euro pro Tonne CO2 beginnt und bis 2025 auf 35 Euro steigt. Das wird den Liter Benzin zunächst nur um etwa drei Cent verteuern, im Jahr 2025 dann um zwölf Cent. Ab 2026 soll der Preis in einem Korridor zwischen 35 und 60 Euro schwanken. Kritiker halten die Preise für zu gering. Laut Klimaforschern ist erst ab einem Co2-preis von etwa 70 Euro pro Tonne mit einer Verhaltensänderung im Verkehr zu rechnen.
Autos Die Kfz-steuer soll stärker am Co2-ausstoß eines Fahrzeugs ausgerichtet werden. Für E-autos wird die Dienstwagensteuer gesenkt. Die Kaufprämien für günstige Elektrofahrzeuge sollen erhöht werden. Die Pendlerpauschale soll ab dem 21. Kilometer von 30 auf 35 Cent angehoben werden, befristet bis 2026.
Bahnfahren und Fliegen Die Mehrwertsteuer auf Bahntickets soll von 19 auf sieben Prozent sinken. Dadurch sinken die Preise laut Deutscher Bahn im Schnitt um etwa zehn Prozent. Zugleich soll die Luftverkehrsabgabe erhöht werden. Ein erster Gesetzentwurf des Finanzministeriums sieht lediglich eine anfängliche Verteuerung von Inlandsflügen um drei Euro vor, was erhebliche Kritik ausgelöst hatte. Schulze signalisierte, hier sei das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Gebäude und Ölheizungen Der Einbau von neuen Ölheizungen ist ab 2026 verboten. Der Austausch alter Heizungen soll mit bis zu 40 Prozent bezuschusst werden. Hausbesitzer sollen 20 Prozent der Kosten einer energetischen Sanierung von der Steuerschuld abziehen dürfen.
Erneuerbare Energien Der Ausbaudeckel bei der Photovoltaik wird aufgehoben. Der Ausbau der Windenergie auf hoher See wird beschleunigt. Auch die Windenergie an Land soll wieder angekurbelt werden. Allerdings sollen neue Windräder generell nur noch im Abstand von mindestens 1000 Metern zur Wohnbebauung errichtet werden dürfen.