Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Warnung vor Bürgerwehren
Die meist rechtsextrem unterwanderten Bünde sind aus vielen Städten bekannt.
DÜSSELDORF Vertreter von CDU, SPD, FDP und Grünen warnten am Mittwoch im Nrw-landtag vor einer Verharmlosung der so genannten Bürgerwehren: meist rechtsextrem unterwanderte Zusammenschlüsse von angeblich besorgten Bürgern, die behaupten, mit regelmäßigen „Spaziergängen“in verschiedenen Städten des Landes für mehr Sicherheit zu sorgen.
„Jeder, der bei diesen Demonstrationen mitläuft, nimmt die Rechtsextremen hin“, sagte die Sicherheitsexpertin der Grünen, Verena Schäffer, vor dem Plenum des Parlaments. Die Grünen hatten eine aktuelle Stunde zu dem Thema beantragt.
Der harte Kern der Szene besteht laut Innenminister Herbert Reul (CDU) in NRW aus rund 250 Mitgliedern, die aber bis zu 500 weitere Sympathisanten mobilisieren könnten. Die Bürgerwehren scheinen landesweit Fuß zu fassen. Der Verfassungsschutz kennt sie unter anderem aus Düsseldorf, Mönchengladbach, Essen, Köln, Herne und Dortmund.
Der jüngste Nrw-verfassungsschutzbericht zählt Beispiele auf. Unter anderem veranstalte seit April 2018 die Gruppierung „First Class Crew – Steeler Jungs (FCC)“regelmäßig „Stadtspaziergänge“in der Essener Innenstadt. „Der Koordinator der Rundgänge kommt, wie die Mehrheit der Teilnehmer, aus dem Hooligan- und Rockermilieu“, heißt es in dem Bericht. Beteiligt seien regelmäßig zwischen 50 und 100 Teilnehmern. In Düsseldorf sei eine „Bruderschaft Deutschland“2017 erstmas mit T-shirts mit der Aufschrift „Treue, Blut, Ehre“aufgetreten. In Köln sorgt die „Internationale Kölsche Mitte“für Skepsis. „Es handelt sich um einen Zusammenschluss von Personen, die sich selbst als ,besorgte Bürger’ bezeichnen“, so der Verfassungsschutz. Dazu zählten Personen aus der Rocker-, Türsteher- und Hooliganszene. Auch deren Veranstaltungen erreichten bis zu 150 Teilnehmer.
Es sind also nicht nur die gut 3200 tatsächlichen oder potenziellen Mitglieder rechtsextremistischer Organisationen in NRW, die den Behörden Sorgen machen. Als gefährlich wird inzwischen auch deren Strategie bewertet, die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und dem bürgerlichen Teil der Gesellschaft gezielt aufzuweichen: mit Bürgerwehren, einschlägigen Konzerten, Festivals oder scheinbar arglosen Versammlungen wie im März 2018, als 1000 Teilnehmer in Bottrop als „Mütter gegen Gewalt“demonstrierten und plötzlich im Sog rechter bis rechtsextremistischer Parolen standen.
Gregor Golland (CDU) kritisierte den Grünen-vorstoß im Landtag allerdings als zu einseitig. Er würde sich über ein ähnlich energisches Vorgehen der Grünen auch gegen Linksextremisten freuen, sagte der Innenpolitiker. Die Null-toleranz-strategie der schwarz-gelben Landesregierung richte sich gegen Extremisten jeglicher Couleur. Sein Fachkollege Sven Wolf von der SPD schilderte die schleichende Eskalation. Oft stehe am Anfang eine Verrohung der Sprache in den sozialen Netzwerken, dem folge die Vernetzung in der realen Welt. „Extremisten benutzen Wutbürger dann als Deckmantel“, sagte Wolf. Laut Marc Lürbke (FDP) ist das „Geschäftsmodell dieser Szene eben nicht Sicherheit, sondern das Gegenteil“.
An die Adresse der AFD, die Bürgerwehren und ähnliche Veranstaltungen in der Debatte auch mit einem schwindenden Vertrauen der Teilnehmer in den Staat erklären wollte, sagte Herbert Reul: „Das sind ganz böse Worte.“Damit mache die AFD sich die Argumentation der Veranstalter zu eigen. Bürgerwehren seien ein „Wolf im Schafspelz“, so Reul.