Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Deutschland verliert den Anschluss
Im internationalen Vergleich verliert Deutschland bei der Wettbewerbsfähigkeit an Boden. Länder wie die Niederlande oder die Schweiz haben die Bundesrepublik inzwischen überholt. Nur in einem Bereich erreicht das Land noch Spitzenwerte.
DÜSSELDORF Es heißt ja oft, der Fußball sei ein Spiegelbild der Gesellschaft. Glaubt man dieser These, entdeckt man tatsächlich einige Parallelen: Um die Jahrtausendwende herrschte nicht nur fußballerisch Tristesse, auch die Bundesrepublik galt plötzlich als der kranke Mann Europas. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Bundestrainer Jürgen Klinsmann reformierten die Systeme, Deutschland erlebte ein Sommermärchen, wurde trotz Finanzkrise zur Konjunktur-lokomotive des Kontinents und 2014 Fußball-weltmeister.
Die Welt schaute auf die Bundesrepublik – und die wurde träge. In der Fifa-weltrangliste rangiert Deutschland nach der desaströsen WM in Russland nur noch auf Platz 16, und laut einer aktuellen Studie des Weltwirtschaftsforums geht es auch mit dem Land insgesamt bergab. Vom vierten ging es auf den siebten Platz bergab, wie beim Fußball sind die europäischen Nachbarn Niederlande und Schweiz an Deutschland vorbei gezogen.
Und wie beim Fußball gibt es dafür nicht den einen, entscheidenden Grund – vielmehr ist es die Summe der Versäumnisse der Vergangenheit, die sich nun bemerkbar macht. Bei 53 von 103 Indikatoren hat sich das Land laut der Studie des Weltwirtschaftsforums verschlechtert. Speziell im Bereich der Unternehmensgründungen und der digitalen Infrastruktur ist Deutschland im weltweiten Maßstab bestenfalls Mittelmaß.
So dauert es in Deutschland im Schnitt acht Tage, um ein Unternehmen anzumelden. Damit liegt man im Ländervergleich nur auf Platz 47 von 141. Deutschland hat sich zwar bereits verbessern (im Vorjahr dauerte es im Schnitt noch 10,5 Tage), viele andere Länder machen es Gründern aber deutlich leichter. In Georgien dauert es zwei Tage, eine Firma zu gründen, in den Niederlanden dreieinhalb und beim Spitzenreiter Neuseeland sogar nur einen halben Tag.
Auch bei der digitalen Infrastruktur wurde Deutschland von der Weltspitze abgehängt. Bei den Glasfaser-anschlüssen liegt Deutschland im internationalen Vergleich nur auf Rang 72, auf 100 Einwohner kommt hierzulande demnach nur rund ein Glasfaser-anschluss. Bei Spitzenreiter Südkorea sind es rund 32 von 100. Bei mobilen Breitbandanschlüssen sieht es nicht viel besser aus. Hier landet Deutschland nur auf Rang 58. Länder wie Schweden sind hier deutlich enteilt, beim Spitzenreiter Vereinigte Arabische Emirate kommen auf 100 Einwohner sogar 250 mobile Breitband-anschlüsse. Verglichen mit diesem Wert wirken die rund 82 in Deutschland geradezu mickrig.
Die Probleme sind in der Großen Koalition, die Deutschland seit 2005 die meiste Zeit regiert, bekannt. Dennoch mahnte der Internetverband Eco am Mittwoch erneut, dass der Ausbau der digitalen Infrastruktur noch ernsthafter in den Fokus der Politik rücken müsse. Generell sieht der Verband beim Thema Digitalpolitik aber Fortschritte. „Es ist Bewegung in die digitalpolitischen Themen gekommen“, sagt Verbandschef Oliver Süme.
Allerdings: In der Frage, wie gut sich Länder auf digitale Geschäftsmodelle einstellen, landen von den 20 größten Volkswirtschaften nur die USA (Platz 1) und Deutschland (Platz 9) unter den Top 10. Und in der Kategorie Innovationsfähigkeit bleibt die Bundesrepublik sogar auf dem Spitzenplatz, wenn auch mit etwas schwächeren Werten als im Vorjahr. Dabei geht es etwa um die Zahl angemeldeter Patente oder wissenschaftlicher Veröffentlichungen. Auffällig: Während Deutschland in der Forschung fast durchweg Spitzenplätze belegt, schneidet man bei der Kommerzialisierung von Innovationen etwas schwächer ab.
Erstaunlich: Bei der Effizienz des Bahnsystems liegt Deutschland im weltweiten Vergleich auf Rang 16. Spitzenreiter ist Japan. Auch da ergeben sich Parallelen zum Fußball: Das deutsche Wehklagen, und das ist die gute Nachricht, erfolgt glücklicherweise noch immer auf einem hohen Niveau.