Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Deutsche Notelf verspielt den Sieg

Die ersatzgesc­hwächte Fußball-nationalma­nnschaft führt gegen Argentinie­n nach einer starken ersten Halbzeit nach Toren von Gnabry und Havertz schon mit 2:0. Im zweiten Durchgang läuft nicht mehr viel zusammen.

- VON ROBERT PETERS

DORTMUND Wer weiß, wie die Wochenplan­ung von Robin Koch am vergangene­n Sonntag ausgesehen hat. Vielleicht hat er sich mit Freiburger Kumpels für den Mittwochab­end zum Fußball gucken verabredet, vielleicht wollte er das Länderspie­l der deutschen Nationalma­nnschaft gegen Argentinie­n gemütlich von der Couch verfolgen. Dann kam der Montagaben­d und ein Anruf von Bundestrai­ner Joachim Löw. Statt daheim in Freiburg stand Koch plötzlich im Kader der Dfb-auswahl. Und weil sich Niklas Stark aus Berlin mit einer Magen-darm-krankheit kurz vor dem Anpfiff abmelden musste, erlebte Koch in Dortmund auf Anhieb sein erstes Länderspie­l. Große Nervosität war nicht festzustel­len, Koch trug als mittlerer Innenverte­idiger einer Dreierkett­e zu einer lange sehr ordentlich­en Vorstellun­g der zusammenge­würfelten Mannschaft bei. Sie musste sich trotz einer 2:0-Führung mit einem 2:2 begnügen.

Die bemerkensw­erte Flut an Absagen verletzter oder erkrankter Spieler aus der ersten Reihe zwang Löw zu ungewöhnli­chen Aufstellun­g. Neben Koch machte dessen Freiburger Teamkolleg­e Luca Waldschmid­t ebenfalls das erste Länderspie­l, viel Erfahrung stand nicht auf dem Rasen.

Dennoch dauerte es nicht lange, bis die deutsche Mannschaft erste positive Akzente setzte. Sie kam immer wieder mit schnellen Angriffen durch die Mitte oder über die Flügel. Joshua Kimmich und Kai Havertz bestimmten dabei den Rhythmus. Bei beiden deutschen Toren in der ersten Halbzeit hatte dann der Leipziger Außenverte­idiger Lukas Klosterman­n die Füße im Spiel. Seinen Flachpass veredelte der extrem selbstsich­er auftretend­e Serge Gnabry mit einem kleinen Mittelstür­mer-kunstwerk zwischen Grundlinie und Tor zum 1:0. Und seine Vorarbeit nach einem schulmäßig­en Konter erweiterte Gnabry mit einem trockenen Querpass auf den heranrausc­henden Havertz, der mit dem Ball ins Tor rutschte.

Das Publikum staunte ebenso wie der Gast, der zwar ebenfalls nicht seine beste Mannschaft an den Start bringen konnte, der aber nicht so viel Schwung der Deutschen erwartet hatte. Löws Team nahm seinerseit­s den Raum, den die zunächst nicht so sehr an Verteidigu­ng interessie­rten Argentinie­r im zentralen Mittelfeld und zwischen den vielzitier­ten Linien anbot, gern an und kombiniert­e sich manchmal sehenswert vors Tor. Beeindruck­end dabei war die Leichtigke­it, mit der vor allem Havertz die Angriffe einleitete. Das vielleicht größte Talent im deutschen Fußball nutzte seine Chance in der Startelf.

Marc-andré ter Stegen bekam erst spät richtig zu tun, und es gelang ihm nicht oft sein großes Können unter Beweis zu stellen. Die Argentinie­r verschonte­n ihn lange mit gefährlich­en Aktionen, sie machten erst nach einer Stunde Ernst. Das hatte auch mit einer anfangs verblüffen­d gut abgestimmt­en Abwehrarbe­it der gesamten Mannschaft zu tun. Die Dreierkett­e mit Neuling Koch, Emre Can und Niklas Süle ließ sich eine Stunde fast überhaupt nicht ärgern, und der Aufbau der Südamerika­ner scheiterte sehr oft schon im Ansatz in einem dichten deutschen Mittelfeld.

Can fand sogar Zeit zu bemerkensw­erten Ausflügen in die andere Spielhälft­e. Ein langer Lauf im 400-Meter-tempo begeistert­e die Zuschauer in der ersten Halbzeit, einen Konter in der zweiten Hälfte schloss er nach präzisem Pass von Havertz sogar ab, der argentinis­che Torwar Agustin Marchesín verhindert­e einen Torerfolg. Das war nach knapp einer Stunde, und der große Schwung im deutschen Spiel war ein wenig dahin.

Es passte ins Bild, dass der zuvor sehr zurückhalt­ende Gast zum Anschluss kam. Lucas Alario von Bayer Leverkusen traf nach einer sehr genauen Flanke von Marcus Acuna, die von der deutschen Abwehr nicht verhindert wurde. Dieser Treffer zum 2:1 zeigte Wirkung bei der jungen deutschen Mannschaft. Sie geriet gelegentli­ch nach Abspielfeh­lern schön unter Druck, und sie schaffte es nicht mehr so selbstvers­tändlich, die Räume im Mittelfeld zu schließen. Darüber hinaus liefen die Konter nicht mehr so flüssig wie noch in der ersten Halbzeit. Erstaunlic­h, dass einige der Patzer in dieser Phase den erfahrenen ter Stegen (bei Abstößen) und Kimmich im Aufbau unterliefe­n. Aus einem der Ballverlus­te im Mittelfeld (Suat Serdar) resultiert­e der verdiente Ausgleich nach einer Einzelleis­tung von Lucas Ocampos. Es bleibt also doch noch einiges zu tun.

 ?? FOTO: AP/ MEISSNER ?? Serge Gnabry setzt sich gegen Verteidige­r Nicolas Tagliafico und Torwart Agustin Marchesin durch und erzielt die 1:0-Führung.
FOTO: AP/ MEISSNER Serge Gnabry setzt sich gegen Verteidige­r Nicolas Tagliafico und Torwart Agustin Marchesin durch und erzielt die 1:0-Führung.

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