Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Gefangen imalltag
Durch „Eine kleine Lüge“hofft eine Mutter, dass ihr wieder mehr Aufmerksamkeit zuteil wird.
(ry) Lügen ist etwas Schlechtes, das man vermeiden sollte. Das ist ein Wert, der vielen Kindern schon früh vermittelt wird. Auch in den zehn Geboten wurde – freier übersetzt – schon erklärt:„du sollst nicht lügen“. Doch wie genau halten sichmenschenan dieses achtegebot, ob nun gläubig oder nicht? Nicht sonderlich, wissen zahlreiche Forscher, die sich mit diesem Feld beschäftigen. Es heißt, ein Mensch lügt mehrmals amtag, ob nun imprivatenumfeld oder auch im Berufsleben. Dennoch bedeutet dies nicht, dass die Menschheit verkommen ist und Werte nichtmehr fürwichtig gehalten werden. Das jedenfalls beteuern einige Studien. Diesen folgend, kann das Lügen sogar einwichtiger Bestandteil des gesellschaftlichen Gefüges sein, das durch diewahrheit gefährdetwerden könnte. Dies gilt aber nur für sogenannte „Notlügen“, die oft vermeiden sollen, dass man unhöflich wirkt oder aber der Gegenüber unnötig verletzt. Eigennützige Lügen werden von denmeisten Forschern als negativ und schädlich eingeschätzt. Diese Unterteilungen muten jedoch oft kompliziert an und einige Wissenschaftler plädieren darauf, dass die Wahrheit als Basis für vertrauensvolle Beziehungen viel wichtiger wäre. Das Vertrauen kann durch Lügen, undmögen sie noch so gut gemeint gewesen sein, nämlich oft zerstört werden. Umdies zu verhindern, greifen Personen dann zu weiteren Unwahrheiten und verstricken sich in einemnetz aus Falschaussagen. Dies zeigt die einfühlsamgestalteteminiserie „Eine kleine Lüge“des Regisseurs Fabrice Gobert. Die titelgebende Unwahrheit ist keinesfalls klein. Stattdessen handelt es sich um eine besonders grausame Lüge. Geäußert wird sie von der Protagonistin Elvira (Marinahands). Diese ist eine Ehefrau und hingebungsvolle Mutter von drei Kindern und fühlt sich ausgebrannt. Tagein, tagaus rennt sie zwischen ihrem langweiligen Versicherungsjob, der Schule, demsupermarkt und ihrem Einfamilienhaus hin und her. Einblick über die Hecke und Elvira ist dem scheinbar perfektenvorort-familienidyll ausgesetzt. Kaum der Arbeit und ihrem sie unentwegt kritisierendenchef entkommen, warten derhaushalt und ihre fünfköpfige Familie auf sie. Diese hält Elviras Aufopferung für selbstverständlich und zeigt sich wenig dankbar. Ihre Aufmerksamkeit gilt anderen Dingen: Die zehnjährigevirginie (Zélierhixon) ist besessen von Anne Franks Tagebuch, die transsexuelle 15-jährige Sam ( Jérémy Gillet) kann es gar nicht mehr erwarten, ihren gut aussehenden deutschen Austauschschüler Niklas (Marceau Ebersolt) zu empfangen, und die Älteste, Carole (Marie Drion), ist nur auf Konfrontation aus. Auch Elviras Lebenspartner, der Fotograf Patrick (Mathieu Demy), lädt lieber Teilnehmerinnen einer lokalen Bürgerinitiative ein, um ein Amateur-fotofestival zu planen, als ihr Zuneigung zu schenken. Als Elvira dann noch amhals einer dieser Besucherinnen eine Kette entdeckt, die genau zu dem Armband passt, das sie zuvor unter dembett gefunden hatte, reicht es ihr. Betrügt Patrick sie? In der Hoffnung auf mehr Liebe und Aufmerksamkeit erzählt sie, dass es sich bei einem eigentlich harmlosen Knoten in ihrer Brust um einen bösartigen Tumor handelt. Wie wird Patrick reagieren? Und was wird sich dadurch in Elviras Leben ändern? Kannman eine solche Lügewieder zurücknehmen? Diese Frage stellt sich nicht nur die Protagonistin, sondern auch der Zuschauer der Serie. In den am Stück ausgestrahlten ersten drei Folgen der sechsteiligen Serie erkennen Figuren und Publikumgleichermaßen, wie schnell Unwahrheiten ein Eigenleben entwickeln. So wird die scheinbar günstige, wenn auch grausame Chance auf ein glücklicheres Leben schnell von einer belastenden Realität als wenig reizvoll überschattet. Die drei übrigen Episoden folgen am 17. Oktober, ebenfalls ab 21 Uhr.
Eine kleine Lüge (1-3/6),
21.00 Uhr, ARTE