Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Haftstrafe für Enkeltrick-betrüger

Eine 77-Jährige sollte um 22.000 Euro gebracht werden. Bei der Geldüberga­be schlug die Polizei zu und nahm einen 23-Jährigen fest, der seine Komplizen lieber nicht verraten will.

- VON WULF KANNEGIESS­ER

Eine 77-Jährige sollte um 22.000 Euro gebracht werden. Bei der Geldüberga­be schlug die Polizei zu und nahm einen 23-Jährigen fest.

Gezielt Senioren zu betrügen, ist eine „besonders verwerflic­he Tat“. Das hat eine Staatsanwä­ltin am Donnerstag im Amtsgerich­tsprozess gegen einen Mittäter beim sogenannte­n „Enkeltrick“betont – und erreicht, dass der 23-Jährige jetzt für zwei Jahre ins Gefängnis muss. In der kommenden Woche steht bei einem Jugendgeri­cht ein weiterer Prozess gegen zwei junge Männer (beide 19) wegen ähnlicher Vorwürfe an. Sie sollen laut Anklage als Geldabhole­r als falsche Polizisten fungiert haben, die zuvor ganz gezielt Senioren per Telefon in Panik versetzt hatten und ihre Opfer dann aufgeforde­rt haben, ihre gesamten Wertsachen zur Abholung und angebliche­r Sicherung vor die Haustür zu stellen. Beidetrick­s werden seit Monaten immer wieder bei Rentnern versucht, teils mit Erfolg.

Beim am Donnerstag verhandelt­en Fall eines „Enkeltrick­s“sollte eine 77-Jährige aus Gerresheim nicht nur um ihre Ersparniss­e gebracht, sondern sogar dazu verleitet werden, einen Bankkredit aufzunehme­n. Bei der alten Dame hatte sich im April ein Anrufer nahezu stündlich gemeldet, der vorgab, ihr Enkel zu sein – und in einer schlimmen Klemme zu stecken: Für ein tolles Immobilien­geschäft würden ihm 22.000 Euro fehlen, die ihm nur „die Oma“leihen könnte bis zur Rückzahlun­g am nächsten Tag. Die 77-Jährige, die nicht so viel Geld besaß, ging sogar zweimal zu ihrer Sparkassen­filiale an der Benderstra­ße, um das Geld zu beschaffen, notfalls per Darlehen. Doch vorher haben die Bankmitarb­eiter Lunte gerochen, haben jede Auszahlung verweigert und zuletzt die Polizei verständig­t.

Fortan übernahmen die Beamten die Regie, ließen die 77-Jährige zum Schein auf die Abholung eingehen, gaben ihr einen dicken Umschlag voller Papierschn­ipsel mit – und konnten so den 23-Jährigen beim Abholen der vermeintli­chen 22.000 Euro fassen. „Er konnte nicht einmal weglaufen, hatte den Umschlag noch in der Hand“, fasste der Vorsitzend­e Richter zusammen. Ein hingemurme­ltes Geständnis des Angeklagte­n sei daher nicht viel wert. Zumal der 23-Jährige nicht bereit war, seine damaligen Komplizen zu benennen. Denn mehr Angst als vor der deutschen Justiz oder einer Haftstrafe habe er laut Anwalt Nicolai Mameghani vor einem sogenannte­n Ehrengeric­ht seines Kulturkrei­ses: Wenn er jetzt Mitglieder seiner Familie als Mittäter verrate, würde er von jenem „Roma-gericht verstoßen und in ganz Europa keinen Fuß mehr auf den Boden bekommen“, sagte Anwalt Mameghani.

Die Richter fanden, der Angeklagte sei „ohne Skrupel und auf bloßen Anruf eines Verwandten sofort bereit gewesen“, beim Betrug an der alten Dame mitzumache­n. Mehr noch: „Ohne ihn hätte es nicht funktionie­rt“, hieß es im Urteil. Also könne der 23-Jährige, obwohl bisher unbescholt­en, sich jetzt nicht als Mitläufer darstellen. Im Ergebnis seien dafür zwei Jahre Haft fällig – ohne Chance auf Bewährung. Es gebe ja, so die Richter, „keine besonderen Umstände, die für den Angeklagte­n sprechen“. Eher im Gegenteil. Er habe aktiv daran mitgewirkt, dass die Seniorin für die Betrüger womöglich sogar einen Bankkredit über 22.000 Euro aufgenomme­n „und dann den Rest ihres Lebens diesen Betrag von ihrer Rente abgezahlt hätte“, so das Urteil.

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RP-FOTO: WUK Der 23 Jahre alte Angeklagte (links) und Anwalt Nicolai Mameghani im Düsseldorf­er Amtsgerich­t

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