Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Erdogan droht mit neuer Flüchtlingswelle
Am zweiten Tag der Offensive geraten mehrere Orte an der Grenze unter Beschuss. Tausende Anwohner ergreifen die Flucht.
ANKARA (ap) Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die EU aufgefordert, die Militäroperation seines Landes in Nordsyrien nicht als Invasion zu bezeichnen. Er verband das mit der Drohung, Flüchtlingen in seinem Land „die Tore“nach Europa zu öffnen. Ankara hat 2016 mit der EU ein Abkommen geschlossen, durch das die Massenflucht reduziert werden sollte. Vor Mitgliedern seiner Partei AKP betonte Erdogan, die Türkei werde die Entstehung eines „Terrorstaats“an ihrer Grenze verhindern.
ANKARA Recep Tayyip Erdogan fühlt sich in seinem Weltbild bestätigt: Die Türkei tut das Richtige, doch der Rest der Welt – und besonders der Westen – verleumdet das Land als Aggressor. Keine 24 Stunden nach Beginn der jüngsten Syrien-intervention seiner Armee teilte Erdogan am Donnerstag an seine Kritiker aus. Saudi-arabien habe den Krieg im Jemen zu verantworten und solle deshalb schweigen, der ägyptische Staatschef Abdel Fatah al Sisi sei ein „Mörder“. Ganz besonders wütend ist Erdogan auf die Europäer, die den Einmarsch nach Syrien scharf kritisiert hatten: „Wenn das so ist, dann ist ja alles ganz einfach: Wir öffnen die Tore“– um Millionen syrischer Flüchtlinge nach Europa zu schicken.
Erdogan und seine Regierung betrachten den Feldzug gegen die syrische Kurdenmiliz YPG als notwendigen Einsatz gegen eine Terrorgruppe. Zudem will die Türkei in Nord-syrien eine „Sicherheitszone“schaffen, um syrische Flüchtlinge dort anzusiedeln. Nach der Vorbereitung durch Luftangriffe und Artilleriebeschuss am Vortag rückten in der Nacht zum Donnerstag erstmals türkische Bodentruppen und Ankara-treue syrische Rebellenverbände über die Grenze.
Laut türkischen Angaben nahmen die Angreifer mehrere Dörfer auf der syrischen Seite der Grenze ein und vertrieben die YPG, den syrischen Ableger der Terrorgruppe PKK, aus diesen Gebieten. An einigen Stellen der Front seien Ypg-kämpfer geflohen, auch Tausende Anwohner verließen ihr Zuhause. Der Vormarsch laufe planmäßig, teilte das türkische Verteidigungsministerium mit. Nach Erdogans Worten wurden in den ersten 24 Stunden des Krieges mehr als 100 Ypg-kämpfer getötet.
Gleichzeitig wurden Vorwürfe laut, die türkische Intervention stärke den Islamischen Staat in Syrien, der bisher von der YPG mit Unterstützung von Us-truppen in Schach gehalten worden war. Die amerikanischen Soldaten hatten sich auf Befehl von Präsident Donald Trump aus dem Kampfgebiet zurückgezogen; die YPG erklärte daraufhin, sie ziehe ihre Kämpfer aus dem Kampf gegen den Islamischen Staat zurück, um sie in Gefechten gegen die anrückenden Türken aufzubieten. Der Us-sender CNN zitierte einen namentlich nicht genannten Regierungsvertreter in Washington mit den Worten, die türkische Intervention schade schon jetzt den Bemühungen, die Extremisten vom Islamischen Staat unter Kontrolle zu halten. „Wir schauen jetzt dabei zu, wie die zweitgrößte Armee der Nato unseren besten Verbündeten im Anti-terror-kampf angreift.“Im Kongress in Washington werden derzeit Sanktionen gegen die Türkei vorbereitet.