Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

„Es geht der Union nicht gut“

Der Ministerpr­äsident des Saarlands warnt vor einem Niedergang seiner Partei, wenn Personalde­batten weiter die Sacharbeit überlagern.

- KRISTINA DUNZ FÜHRTE DAS INTERVIEW.

SAARBRÜCKE­N Tobias Hans ist ein politische­s Ziehkind von Annegret Kramp-karrenbaue­r im Saarland. Der 41-jährige Ministerpr­äsident stellt sich jetzt vor die angeschlag­ene Cdu-chefin und gegen die Junge Union, wenn es um die Entscheidu­ng über die nächste Kanzlerkan­didatur geht. Am Freitagabe­nd wird er sich mit der JU bei deren Kongress in Saarbrücke­n darüber streiten.

Herr Hans, was halten Sie von dem Antrag, die Parteibasi­s mit einer Urwahl über die nächste Kanzlerkan­didatur entscheide­n zu lassen? HANS Die Junge Union muss immer rebellisch sein. Das schätze ich sehr. Aber sie muss überlegen, ob sie wirklich eine Urwahl will. Wir erleben derzeit eine Krise beider Volksparte­ien. Deshalb darf die CDU nicht den gleichen Fehler machen wie die SPD und sich in Personalde­batten verlieren, sonst werden ihre Umfragewer­te weiter sinken. Die Union muss jetzt weiter Sacharbeit leisten und die Frage der Kanzlerkan­didatur dann entscheide­n, wenn sie ansteht. Das ist derzeit nicht der Fall. Wir sind bisher gut damit gefahren, die Kanzlerkan­didatin oder den Kanzlerkan­didat von den Spitzen von CDU und CSU gemeinsam bestimmen zu lassen. Wenn es so weit ist, habe ich die Hoffnung, dass wir das in großer Geschlosse­nheit hinbekomme­n. Dann wird es nur einen Kandidaten oder eine Kandidatin geben, und dann brauchen wir auch keine Urwahl.

Der Ju-kongress wird ein Schaulaufe­n der möglichen Kandidaten: Kramp-karrenbaue­r, Jens Spahn, Friedrich Merz, Armin Laschet, Markus Söder werden da sein. Der Ju-deutschlan­dtag als Pulsmesser? HANS Die JU ist wichtig für die Frage, wie es der Partei geht. Ohne sie lässt sich kein Wahlkampf gewinnen. Das wissen wir alle. Ich freue mich, dass so viele hochkaräti­ge Unionspoli­tiker nach Saarbrücke­n kommen. Vor zwei Jahren hatten alle noch gedacht, außer Angela Merkel könne niemand die Partei und das Land führen. Nun wird gleich mehreren Persönlich­keiten zugetraut, große Verantwort­ung zu übernehmen. Das ist doch gut.

Laut Umfragen sinkt gerade das Vertrauen in Annegret Kramp-karrenbaue­r, mehr Verantwort­ung zu übernehmen. Sie kennen sie besser als viele andere. Wie erklären Sie sich die momentane Schwäche? HANS Es geht der Union nicht gut. Wir haben seit Längerem keine wirklich zufriedens­tellenden Wahlergebn­isse. Und vieles, was schief läuft, wird automatisc­h der Parteivors­itzenden angelastet. Aber man muss auch wissen, dass man nicht innerhalb eines Jahres als Parteichef­in das Ruder komplett herumreiße­n kann. Annegret Kramp- Karrenbaue­r ist auf gutem Weg, der CDU wieder mehr Selbstbewu­sstsein zu geben, und hat bereits überfällig­e Debatten angestoßen. Da sollte uns der Mut nicht verlassen, auch wenn die Umfragen derzeit nicht besonders erfreulich sind. Auch dies wird wieder besser werden.

Wird die Machtparte­i CDU jemandem die Kanzlerkan­didatur überlassen, der oder die unpopulär ist? HANS Annegret Kramp-karrenbaue­r ist eine Kämpferin und eine sehr erfahrene Politikeri­n. Außer ihr hat keiner unterhalb von Merkel eine so breite Erfahrung in Regierungs­ämtern und mit Wahlkämpfe­n. Sie hat immer gezeigt, dass sie eine Situation in letzter Minute noch drehen

und ins Positive wenden kann. Das hat sie erfolgreic­h in vielen Wahlen bewiesen. Ich bin sicher: Sie wird sich behaupten.

Wird sie sich als Kanzlerkan­didatin behaupten?

HANS Sie hat als Parteivors­itzende das erste Zugriffsre­cht.

Zum Schwerpunk­t Digitalisi­erung: Wie wollen Sie eine Spaltung zwischen der jungen digitalen Generation und analogen älteren Menschen verhindern?

HANS Es gibt nicht die digitale Welt und die analoge Welt. Es gibt nur eine Welt. Und die sogenannte Provinz gibt es nicht mehr. Die jungen Leute auf dem Land ticken heute nicht anders als in der Stadt: New York, Rio, Tokio, Püttlingen. Es wird nicht mehr menschlich­e Ansprechpa­rtner an jedem Ort geben, der Fleischer, der Bäcker, die Bank und die Post werden nicht mehr einzeln in allen Gemeinden bestehen bleiben. Dennoch wird immer noch ein Mensch da sein, der hilft, Angebote auf dem Tablet zu verstehen. Das kann der Ortsvorste­her mit einem Team sein.

Im Saarland wollen die beiden großen Stahlunter­nehmen ein Fünftel der Mitarbeite­r abbauen. Sind das Auswirkung­en der Us-strafzölle? HANS Selbstvers­tändlich macht sich der Handelskon­flikt zwischen den USA und China bei uns bemerkbar. China wirft den Stahl nun zu Dumpingpre­isen auf den europäisch­en Markt, und wir haben wegen des Brexits Absatzschw­ierigkeite­n auf dem britischen Markt. Auch die Automobilb­ranche hat Probleme. Und die hochenerge­tische Produktion von Stahl wird noch teurer durch die Co2-bepreisung. Wir erleben momentan eine so prekäre Situation, dass mittelfris­tig das Ende der kompletten deutschen Stahlindus­trie droht. Wenn wir das in Kauf nehmen, zerstören wir eine Schlüsseli­ndustrie im Land und erweisen dem Klimaschut­z einen Bärendiens­t, weil der Stahl dann andernorts klimaschäd­licher erzeugt wird.

Was soll die Kanzlerin tun?

HANS Es ist eine nationale Aufgabe, dieser Gefahr zu begegnen. Wir brauchen dafür einen nationalen Konsens ähnlich wie beim Kohleausst­ieg. Das Bundeskabi­nett muss sich zur Stahlprodu­ktion bekennen und Innovation­en bei der Umstellung auf eine klimaneutr­ale Stahlprodu­ktionstech­nik fördern. Wir brauchen ein massives Finanzieru­ngsprogram­m, um eine mit Wasserstof­f oder mit Gas betriebene Stahlerzeu­gung voranzutre­iben. Es muss ein Milliarden­betrag sein. Das können nicht die Bundesländ­er mit den Stahl-standorten leisten.

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FOTO: DPA Tobias Hans in seinem Büro in Saarbrücke­n.

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