Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Solidaritä­t mit der Jüdischen Gemeinde

Rund 300 Menschen versammelt­en sich am Donnerstag­nachmittag zu einer schweigend­en Mahnwache vor dem Gotteshaus. Ein Signal, das für die Jüdische Gemeinde nicht nur wegen des Anschlags wichtig ist.

- VON STEFANI GEILHAUSEN UND DANIEL SCHRADER

Etliche Vereine und Verbände schlossen sich dem Aufruf der Mahn- und Gedenkstät­te und des Bündnisses Respekt und Mut an. Rund 300 Menschen kamen mit Blumen und Kerzen zur Synagoge, um nach dem Anschlag von Halle ein Zeichen zu setzen.

„Weil es sich so gehört“, sagte Mitinitiat­or Bastian Fleermann, Leiter der Mahn- und Gedenkstät­te, und betonte: „Dieses Zeichen gegen Antisemiti­smus ist nicht Aufgabe der jüdischen Minderheit, sondern der nicht-jüdischen Mehrheit in unserer Stadt.“Michael Szentei-heise, Geschäftsf­ührer der Jüdischen Gemeinde, begrüßte das Engagement. Oft habe er bemängelt, dass die Stadtgesel­lschaft nicht ausreichen­d Stellung beziehe. Gerade deshalb sei wichtig, dass an diesem Tag so viele Menschen zusammenko­mmen. Diese Solidaritä­t werde auch von der Gemeinde sehr positiv wahrgenomm­en.

In der Synagoge hatte die Gemeinde, die mit 7000 Mitglieder­n die drittgrößt­e in Deutschlan­d ist, am Mittwoch Jom Kippur gefeiert, das Versöhnung­sfest, das der höchste jüdische Feiertag ist. Viele hatten von dem mörderisch­en Anschlag auf die Synagoge in Halle erst am Abend erfahren. „Der Tradition folgend bleiben an diesem Tag viele Handys und Radios aus“, erklärt Herbert Rubinstein, der sich ein wenig an den Jom-kippur-krieg erinnert fühlte, von dem Israel 1973 überrascht wurde. „Es ist schon perfide,“so der langjährig­e Landesgesc­häftsführe­r der Jüdischen Gemeinden NRW, „dass dieser Mann ausgerechn­et am Fest der Versöhnung der Menschen einen Krieg eröffnet.“Rubinstein bewegt vor allem die Frage nach dem Warum. „Dieser 27-jährige Mensch, der doch einer von uns ist, ein Deutscher wie wir und eben ein Mensch, was hat ihn dazu getrieben, sein Leben wegzuwerfe­n?“Angst, sagt Rubinstein, habe er nicht. „Wir Juden sind ein Volk von Optimisten, ich bin sicher, dass eines Tages alles wieder gut wird.“

Michael Szentei-heise dagegen spürt, wie in der Gemeinde eine abstrakte Angst wachse. Das sei auch bei der Jom-kippur-feier deutlich geworden. Konkrete Sorgen habe in der Synagoge, die so gut besucht wie noch nie gewesen sei, aber niemand. „Wir wissen, dass wir hier sicher sind, dass ein Anschlag wie in Halle in Düsseldorf gar nicht möglich wäre.“

Seit am 1. Oktober 2000 zwei Palästinen­ser einen Brandansch­lag auf die Synagoge verübt hatten, wird das Gotteshaus rund um die Uhr von der Polizei bewacht. Nach dem Anschlag auf das World Trade Center ein Jahr später waren auch andere Einrichtun­gen der Gemeinde in das Schutzkonz­ept einbezogen worden. Zuvor waren Polizisten aber auch bei Veranstalt­ungen der Gemeinde zum Schutz abgestellt. „Unglaublic­h, dass in Halle nicht einmal an diesem Feiertag die Synagoge bewacht wurde“, sagt Szentei-heise, der auch der AFD eine Mitschuld an dem Anschlag gibt.

Auch Herbert Rubinstein spricht im Zusammenha­ng mit der Partei von geistigen Brandstift­ern, deren Sprache „wie die der Nationalso­zialisen auf das Entmenschl­ichen abzielt“. Auch deshalb, sagt Rubinstein, sei die Mahnwache der Düsseldorf­er wichtig. „Wir alle müssen Solidaritä­t beweisen mit unserer Demokratie.“

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RP-FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Rund 300 Menschen kamen auf den Paul-spiegel-platz, wo Oberrabbin­er Rafael Evers ein Gebet für die Opfer aus Halle sprach.

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