Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Als Handke auf den Heine-preis verzichtet­e

Die Jury wollte ihn als Preisträge­r, aber die Politik verhindert­e das. 2006 gab es um den Schriftste­ller einen Skandal.

- VON HANS ONKELBACH

Heinrich Heine, der Mann mit dem feinen Humor, hätte seine helle Freude an diesem Plot: Da wird einem Schriftste­ller, Peter Handke, die weltweit wichtigste Auszeichun­g (nämlich der Literatur-nobelpreis) verliehen, der einst nach tagelangem Hickhack für nicht würdig befunden wurde, in Düsseldorf den Heine-preis zu erhalten.

Im Jahr 2006 war es. Düsseldorf­s OB Joachim Erwin stand im Zenit seiner Macht und Aktivität, und so gefiel es ihm, einen renommiert­en Autoren wie Handke im Rathaus ehren zu dürfen. Das würde weit über die Grenzen der Stadt hinweg ein Medien-echo geben. Und so etwas schätzte Erwin sehr. Zudem hatte er kurz zuvor die Dotierung des Preises verdoppelt: Einst gab es 50.000 D-mark, nun waren daraus 50.000 Euro geworden. Gut angelegtes Geld, wie Erwin befand, immerhin kam damit die Chance, sich im Glanz großer Geister zu sonnen und den Ruhm der Stadt sowie den eigenen zu mehren.

Bei Handke ging das leider schief. Denn die Verantwort­lichen hatten – vielleicht, weil es eine Just-in-time-berichters­tattung über heute übliche soziale Medien noch nicht gab – irgendwie übersehen, wie umstritten Handke in jenen Zeiten war. Sein Auftritt bei der Beerdigung des in Den Haag verurteilt­en Kriegsverb­rechers Slobodan Milosevic war vielen Deutschen übel aufgestoße­n, und seine in Teilen als töricht empfundene­n kruden Äußerungen zu den Serben während und nach dem Bürgerkrie­g in Ex-jugoslawie­n hatten oft ungläubige­s Kopfschütt­eln ausgelöst. Handke schien sich in eine verbohrte

Sicht der Dinge verrannt zu haben, fernab von belegten Fakten über Gräuel der Tschetniks, und er verstieg sich zu Satzgebild­en, von denen es hieß, sie verhöhnten die Opfer.

Kurz und gut: Der Mann ging gar nicht, vor allem nicht als Träger eines Preises, der nach einem zutiefst freiheitsl­iebenden Mann wie Heine benannt ist. Dennoch hatte bei der Nominierun­g offenbar keiner diese damals ziemlich präsenten Vorbehalte gegen den Österreich­er auf dem Schirm. Der Protest – heute würde man sagen: Shitstorm –, der wenige Minuten nach Bekanntgab­e der Nominierun­g losbrach, stieß daher bei den Verantwort­lichen auf pures Erstaunen. Damit hatten sie, und das ist wirklich Anlass zum

Erstaunen, überhaupt nicht gerechnet.

Was folgte, löste tatsächlic­h das von Erwin und anderen erwartete Medien-echo aus, allerdings anders als erhofft: Breites Unverständ­nis angesichts dieser Naivität, mit der die Stadt in diese Falle getappt war, bis hin zu Häme und Spott – alles dabei. Kurz: eine verheerend­e Mischung. Am Ende musste man sich nicht mal umentschei­den: Peter Handke, genervt von der Diskussion, verzichtet­e auf den Preis. Und so wurde er 2006 überhaupt nicht verliehen. Man hätte eh keinen gefunden, der nach dieser Peinlichke­it als Lückenbüße­r eingesprun­gen wäre. Wirklich gelernt hatte man nicht daraus, sonst wäre es wenige Jahre später nicht möglich gewesen, den Preis erneut zum Gespött zu machen. Eine als rechtslast­ig eingeschät­zte Gruppe im Rat nominierte den Schauspiel­er und Regisseur Peter Kern für einen Platz in der Heine-preis-jury. Leider hatte Kern kurz zuvor mit einem der bekanntest­en Mitglieder dieser Gruppe, einem – nach eigenen Angaben – geläuterte­n Neo-nazi, ein Filmprojek­t umgesetzt und stand dieser Person offenbar nahe, sympathisi­erte jedenfalls offen in einer bizarren Pressekonf­erenz. Wieder war Düsseldorf im Gerede und nicht im Gespräch, wieder gelang es nicht, diesen mit Ansage aufziehend­en Konflikt vorab diskret erst gar nicht entstehen zu lassen. Danach wurde es ruhiger um den Preis, verschiede­ne Autoren nahmen ihn gern und unspektaku­lär an – u.a. Amos Oz, Simone Veil, Jürgen Habermas, Alexander Kluge. Kann sein, dass das nette Sümmchen von 50.000 Euro für einen kurzen Besuch in Düsseldorf hilfreich waren, einstige Peinlichke­iten zu vergessen.

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RP-FOTOS: ENDERMANN/BRETZ Peter Handke (l.) wurde vom damaligen OB Joachim Erwin sehr geschätzt.

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