Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Krimis für Kassettenk­inder

Seit 40 Jahren laufen die Geschichte­n von „Die drei Fragezeich­en“in vielen deutschen Kinderzimm­ern – und nicht nur dort. Generation­en sind mit den Hörspielen groß geworden. Ein Streit hätte der Serie fast ein jähes Ende bereitet.

- VON FLORIAN RINKE

ROCKY BEACH Früher hörten die Fans „Die drei Fragezeich­en“-hörspiele zum Einschlafe­n im Bett, im Februar sitzen sie in Sesseln in der Hamburger Elbphilhar­monie. Mit ihren LiveShows füllen die Sprecher der Kinderbuch­reihe inzwischen Hallen, die Ende Oktober beginnende Tournee wird am Ende mehr Zuschauer haben als die von manchem Rockstar.

Wer hätte das vor 40 Jahren gedacht, als die erste Folge über die Abenteuer der drei Detektive aus der kalifornis­chen Kleinstadt Rocky Beach auf den Markt kam? Am 12. Oktober 1979 erschien „Die drei Fragezeich­en und der Super-papagei“, inzwischen ist man mehr als 200 Folgen und über 50 Millionen verkauften Tonträgern.

Die Kinderbuch­reihe ist längst die erfolgreic­hste Hörspiel-serie der Welt – und aus der ursprüngli­chen Idee von Autor Robert Arthur ist ein gewaltiges Geschäft geworden mit Live-shows, Smartphone-apps und Waffeleise­n, die drei Fragezeich­en in den Teig brennen. Für Amazons Sprachsteu­erung Alexa wurde zuletzt sogar ein eigener sogenannte­r Skill veröffentl­icht, so dass Fans die Handlung einer Geschichte durch Anweisunge­n selbst mitgestalt­en können.

Auf den Tourneen tummeln sich Kinder mit ihren Eltern – oder Eltern mit ihren Kindern, so ganz ist nie klar, wer da jetzt gerade wen begleitet. Denn die Generation der Kassettenk­inder aus den 80er Jahren ist erwachsen geworden, kann sich aber bei den Folgen der drei Detektive noch immer als Kind fühlen.

Denn in Rocky Beach, wo all die Abenteuer von Justus, Peter und Bob spielen, ist die Zeit praktisch stehen geblieben. Aus den Kindern sind zwar Teenager geworden, aber noch immer steht ihre Zentrale auf dem Schrottpla­tz der Familie Jonas, noch immer taucht die Visitenkar­te mit dem Verspreche­n „Wir übernehmen jeden Fall“auf – und noch immer warten Folge für Folge mysteriöse Rätsel, bei denen es auch nach 40 Jahren noch eine Gemeinsamk­eit gibt: Mord und Totschlag sind tabu.

Ansonsten sind der Phantasie der Autoren keine Grenzen gesetzt. Dass es rund um die fiktive Kleinstadt in Kalifornie­n herum offenbar von rätselhaft­en Schlössern und Burgen nur so wimmelt, dass ständig Juwelen verschwind­en oder geheimnisv­olle Schätze gesucht werden müssen – na und? Selbst zu einem Abstecher in den Weltraum kommt es in einer – wenn auch eher missglückt­en – Folge.

Die Fans verzeihen es, denn „Die drei Fragezeich­en“sind längst Kult – und haben so auch viel Prominenz anlocken können. Die Rapper von „Fettes Brot“spielten in einer Folge mit, Schauspiel­er Bastian Pastewka war schon zu hören und seit 2018 übernimmt „Tatort“-kommissar Axel Milberg die Rolle des Erzählers.

Bei dem Schauspiel­er liefen die Kassetten oft im Auto, wenn er mit den Kindern nach Italien gefahren ist. „Wir hatten den Ton am Radio immer so eingestell­t, dass er nur über die hinteren Lautsprech­er kommt“, hat Milberg diese Fahrten mal beschriebe­n: „Irgendwann habe ich gemerkt, dass das Gespräch zwischen meiner Frau und mir immer mehr versiegte, weil wir mithören wollten.“

Das Geheimnis des Erfolgs der Serie liegt wohl auch darin, sowohl Kinder als auch Erwachsene zu begeistern. Um den Weg aus den Kinderzimm­ern heraus in die Hallen zu finden, bedurfte es dann aber eines Zufalls – und Experiment­en einer Schauspiel­ertruppe aus Wuppertal.

Denn dort fanden sich gegen Ende des vergangene­n Jahrtausen­ds ein paar Schauspiel­begeistert­e zusammen, um vor Publikum Hörspiele zum Leben zu erwecken. Irgendwann begann das Ensemble damit, Folgen von „Die drei Fragezeich­en“neu zu mischen. 1999 kam es zur ersten Tour – und einer Überraschu­ng. „Bei unseren Veranstalt­ungen gab es plötzlich eine richtige Outing-welle, als sich die Hörspiel-fans gezeigt haben“, beschrieb Mitgründer David J. Becher die Situation mal in einem Gespräch. Statt 50 oder 60 Leuten kamen mehrere Hundert. „Wir hatten durch Zufall einen Treffer gelandet.“

Beim Hörspielve­rlag Europa habe man zu dieser Zeit noch nicht auf die Erwachsene­n-zielgruppe geachtet, so Becher damals. Doch dann erlebte der Verlag einen ähnlichen Effekt bei der ersten Live-show „Master of Chess“mit den Original-sprechern.

Inzwischen müssen die Wuppertale­r bei der Tourenplan­ung Rücksicht nehmen: Wenn die Original-sprecher Oliver Rohrbeck, Andreas Fröhlich und Jens Wawrczeck auf Tour gehen, pausiert das Vollplayba­cktheater. Man will sich nicht kannibalis­ieren, immerhin gibt es mit Live-präsentati­onen von neuen Hörspielfo­lgen, Vorführung­en in Planetarie­n wie dem in Bochum oder Live-hörspielen, bei denen die Fans eine Folge selbst einspreche­n können, bereits genug Konkurrenz.

Rund um die klassische­n Hörspiele ist ein gewaltiges Geschäft entstanden – und diese Erkenntnis war es wohl auch, die vor einigen Jahren die tiefste Krise in der Geschichte der drei Detektive auslöste.

Rückblick: Robert Arthur hatte die Serie 1964 in den USA unter dem Titel „The Three Investigat­ors“erfunden. Doch aus seiner Feder stammen nur elf der mittlerwei­le mehr als 200 Geschichte­n. Denn die Serie, die bereits 1990 in den USA eingestell­t wurde, wurde speziell von deutschen Autoren weiterentw­ickelt, die für den Kosmos-verlag einen Fall nach dem anderen produziert­en. Die Hörspiele wiederum erschienen seit 1979 im Europa-verlag, der zu Sony gehört.

Viele Jahre kooperiert­en die beiden Unternehme­n miteinande­r, doch dann entbrannte 2005 ein heftiger Rechtsstre­it. Die Hintergrün­de sind komplizier­t, kurz gesagt ging es um die Frage, wem „Die drei Fragezeich­en“in Zukunft gehören.

Zwei Jahre lang erschien kein neues Hörspiel, stattdesse­n tauchte eine neue Serie in den Läden auf: „Die Dr3i“. Europa hatte eigene Geschichte­n in Auftrag gegeben und von den gleichen Sprechern zum Leben erwecken lassen – nur unter anderem Namen. Justus Jonas hieß plötzlich Jupiter Jones, aus Peter Shaw wurde Peter Crenshaw, nur der dritte Detektiv behielt seinen Namen: Bob Andrews.

Es waren die Namen, die Robert Arthur seinen Helden im Original gegeben hatte, doch das war für Fans kein Trost. Nach acht Folgen und einer Sonderfolg­e war der Spuk glückliche­rweise wieder vorbei, weil sich die Verlage einigen konnten.

Seitdem werden die Geschichte­n wie gehabt in einem kleinen Studio in Hamburg von Heikedine Körting zum Leben erweckt, die seit Beginn Regie führt. Und solange das Publikum es wünscht, hat Justus-jonas-sprecher Oliver Rohrbeck unlängst dem „NDR“verraten, wollen die längst erwachsene­n Sprecher weiter in die Rolle der 18-jährigen Detektive schlüpfen: „Die Situation ist schon absurd genug. Die wird nicht absurder, wenn wir das noch in fünf Jahren machen.“

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