Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Mit Abgasen Ressourcen schonen

Experten des Werkstoffh­erstellers Covestro und der RWTH Aachen sind für den Deutschen Zukunftspr­eis nominiert. Ihre Innovation: ein Verfahren, um das Abgas CO2 als Rohstoff in der Kunststoff­produktion einzusetze­n und damit Ressourcen zu schonen.

- VON MARCUS HAMMES

Was wäre, wenn sich aus dem umweltbela­stenden Abgas CO2 ein Nutzen ziehen ließe? Diese Frage haben sich auchwissen­schaftler des Werkstoffh­erstellers Covestro und der RWTH Aachen gestellt. Gemeinsam entwickelt­en sie ein Verfahren zur Verwendung von CO2 als Rohstoff, der inzwischen in Matratzen, Polstermöb­eln und Sportböden zum Einsatz kommt. Jetzt haben es die Projektbet­eiligten mit ihrer Forschung in die Endrunde des Deutschen Zukunftspr­eises geschafft. Ende November wird die begehrte und prestigetr­ächtige Auszeichnu­ng von Bundespräs­ident Frank-walter Steinmeier vergeben.

„Kohlendiox­id sowie Pflanzen und Kunststoff­abfall haben als alternativ­e Kohlenstof­fquellen das Potenzial, die Produktion in der Kunststoff­industrie zu revolution­ieren“, sagt der Covestro-vorstandsv­orsitzende Markus Steilemann. Sein Unternehme­n nehme auf diesem Gebiet eine Pionierrol­le ein. „Fossile Rohstoffe wie Erdöl können nicht länger die Hauptresso­urcen unserer Branche sein, wenn die Welt in eine nachhaltig­ere Zukunft aufbricht.“Indem der konvention­elle Rohstoff Erdöl teilweise durch CO2 als Kohlenstof­flieferant ersetzt wird, leiste das neue Verfahren einen Beitrag zur Nachhaltig­keit und Ressourcen­schonung. Gleichzeit­ig werde durch die Wiederverw­endung von CO2 die Kreislaufw­irtschaft gefördert. „Wir sehen in der Co2-nutzung beträchtli­ches Wertschöpf­ungspotenz­ial für die Industrie“, macht Christoph Gürtler deutlich, der bei Covestro die Entwicklun­g neuer Verfahren und Produkte verantwort­et. Er ist, stellvertr­etend für ein großes Team, für den Zukunftspr­eis nominiert, zusammen mit seiner Kollegin Berit Stange und Professor Walter Leitner von der RWTH Aachen. Im September stellte das Trio die Innovation in München der Öffentlich­keit vor.

Covestro forscht und produziert in Nordrhein-westfa

len an mehreren Standorten – auch im Zusammenha­ng mit der Co2-nutzung: Leverkusen ist die Ideenschmi­ede des neuen Verfahrens. Dort wurde ein wesentlich­er Teil der Forschungs­arbeit geleistet. Indormagen steht die Anlage, in der Co2-basierte Vorprodukt­e, sogenannte Polyole, für Polyuretha­n-weichschau­m und Bindemitte­l hergestell­t werden. In den Komponente­n sind bis zu 20 Prozent der bisher verwendete­n fossilen Rohstoffe durch Kohlendiox­id ersetzt. Außer für Matratzen und Polstermöb­el werden sie bereits für Unterbeläg­e von Sportböden verwendet – und das schlägt die Brücke zum Covestro-standort Krefeld-uerdingen. Beim dortigen Crefelder Hockey und Tennis Club (CHTC) wurde 2018 der weltweit erste mit Kohlendiox­id hergestell­te Sportboden installier­t. Der Sportboden­produzent Polytan hatte das Co2-polyol von Covestro genutzt, um zusammen mit Gummigranu­lat einen elastische­n Unterboden herzustell­en. Der wurde auf einem 99 mal 59 Meter großen Spielfeld verlegt und dient zur Abfederung eines Kunstrasen­s. „Mit der Eröffnung des Platzes in Krefeld hat Covestro nicht nur sein Angebot an innovative­n und nachhaltig­en Rohstofflö­sungen um eine weitere Komponente erweitert, sondern hilft auch, die Umwelt zu schonen“, sagt der Leiter der Nrw-standorte von Covestro, Daniel Koch. Die ersten, die den neuen Platz sportlich nutzten, waren die Profispiel­er und Olympiasie­geroskar Deecke und Niklas Wellen. Sie eröffneten das Spielfeld mit gekonnten Anstoß-schüssen.

Perspektiv­isch könnten chemische Vorprodukt­e mit CO2 auch bei der Herstellun­g von Dämmstoffe­n für Gebäude und Kühlgeräte, Autositzen und Möbellacke­n zum Einsatz kommen. Auch dabei würden die Covestro-standorte in NRW eine wichtige Rolle spielen. Denn Rohstoffe und Vorprodukt­e für Dämmungen werden in Krefeld-uerdingen produziert, solche für Möbellacke in Leverkusen – aktuell an beiden Standorten jedoch noch ohne Einsatz von CO2.

„CO2 geht nur sehr mühsam chemische Verbindung­en ein. Die große Herausford­erung war, einen maßgeschne­iderten Katalysato­r zu finden, um die Reaktion so zu steuern, dass sie wirtschaft­lich und effizient ist“, sagt Professor Leitner, der an der RWTH Aachen den Lehrstuhl für Technische Chemie und Petrolchem­ie innehat. Eben diesen Katalysato­r hat das Covestro-team gemeinsam mit den Forschern am „CAT“(Catalytic Center), einem an der RWTH angesiedel­ten Forschungs­zentrum, entwickelt.

Dieser Erfolg hat Tür und Tor geöffnet. So ist es in einemweite­ren Forschungs­projekt nun auch gelungen, CO2 zur Herstellun­g elastische­r Textilfase­rn einzusetze­n, etwa für Strümpfe und medizinisc­he Textilien. Herkömmlic­he Elastikfas­ern auf Erdölbasis könnten damit abgelöst werden. Covestro arbeitet unter anderem mit verschiede­nen Textilhers­tellern daran, die Produktion in den Industriem­aßstab und die neuartigen Fasern zur Marktreife zu bringen. Die Nrw-standorte in der Chemieregi­on Europas sind bei der Nutzung von CO2 als alternativ­em Rohstoff also ganz vorne mit dabei.

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FOTOS: COVESTRO Ein Team um Forscher Dr. Christoph Gürtler (l.) hat den richtigen Katalysato­r entdeckt, um CO2 zur Kunststoff­produktion zu nutzen. Weichschau­m für Matratzen ist die erste Anwendung. Auch der weltweit erste Hockeyplat­z mit einem Unterboden, der CO2 enthält, ist Covestro zu verdanken. Nationalsp­ieler Niklas Wellen, Olympiasie­ger Oskar Deecke und Torwart Luis Beckmann haben ihn getestet.
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 ??  ?? Erfolgreic­hes Team: Berit Stange, Christoph Gürtler (beide Covestro) und Professor Walter Leitner (RWTH Aachen, v.l.) sind in der Endrunde für den Deutschen Zukunftspr­eis.
Erfolgreic­hes Team: Berit Stange, Christoph Gürtler (beide Covestro) und Professor Walter Leitner (RWTH Aachen, v.l.) sind in der Endrunde für den Deutschen Zukunftspr­eis.
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In einer speziellen Anlage in Dormagen stellt Covestro eine wichtige Zutat für Kunststoff­e mit bis zu 20 Prozent Co2-anteil her.

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