Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Der Gegner im eigenen Kasten
ANALYSE Manuel Neuer und Marc-andré ter Stegen liefern sich ein heißes Duell um den Status der Nummer eins im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Um den Posten des Stammkeepers der DFB-ELF gibt es seit jeher spannende Zweikämpfe.
DÜSSELDORF Pünktlich zum Länderspiel gegen Argentinien hat Joachim Löw in der ihm eigenen Wortgewalt die Torwart-frage in der Auswahl des Deutschen Fußball-bundes beantwortet. Der Bundestrainer sprach: „Wir alle können doch froh sein, dass wir in Manuel Neuer und Marc-andré ter Stegen zwei Weltklasse-torhüter haben. Ich habe mehrfach betont, dass Manuel Neuer auch mit Blick auf die EM unser Kapitän und somit für uns aktuell auch unsere Nummer eins ist – wenn nichts Außergewöhnliches passiert. Natürlich aber gilt das Leistungsprinzip für jeden einzelnen Spieler, jeder stellt sich dem Konkurrenzkampf.“
Damit ist das öffentlichegerangel um die Position im deutschen Tor, das Bayern Münchens nicht minder wortgewaltigen Präsidenten Uli Hoeneß laut darüber nachdenken ließ, künftig keine Spieler mehr zur Nationalmannschaft zu entsenden, auf die Zeit nach der EM verschoben. Denn dass sich ter Stegen mit Freundschaftsspielen wie dem gegenargentinien abspeisen lassen wird, ist ausgeschlossen.
Der Wettbewerb um den Posten, für den es in jeder Mannschaft nun mal nur einen geben kann, hat Tradition in Deutschland.
Die 50er: Turek – Herkenrath
Toni Turek wurde 1954 beim WMSieg in der Schweiz vom Radioreporter Herbert Zimmermann in den Stand des Fußballgotts erhoben. Das brachte dem Reporter viel Ärger mit Kirchenvertretern ein, die derartige Einstufungen für krasse Blasphemie hielten, und es entsprach auch nicht unbedingt der Ansicht des in dieser Hinsicht entscheidenden Mannes. Trainer Sepp Herberger befielen nach Auskunft seiner Lebenserinnerungen im Verlauf des Turniers in der Schweiz schwere Zweifel an seiner Nominierung. „Toni“, notierte der Chef, „hatte seine Vorderleute nie so im Griff, wie man es von ihm erwarten musste.“Den seinerzeit wahrscheinlich besseren Torwart, Fritz Herkenrath von Rot-weiss Essen, hatte Herberger aber nicht berufen.
Die 60er: Tilkowski – Fahrian
Bei der WM 1958 hatte Herberger dem Dortmunder Schlussmann Hans Tilkowski mit Verweis auf dessen geringe Länderspiel-erfahrung einen Platz außerhalb des Spielfeldes zugewiesen. 1962 in Chile fühlte sich Tilkowski zu großen Aufgaben berufen. Imtor aber stand Wolfgang Fahrian, der genau ein Länderspiel gemacht hatte. Tilkowski warf Herberger vor, nicht nach den eigenen Prinzipien zu handeln und wollte nach Hause fliegen. Dieses Vorhaben scheiterte nur, weil er keinen Flug bekam. Die 70er: Maier – Kleff
Tilkowskis Nachfolger Sepp Maier hatte eigentlich keine richtige Konkurrenz, auch wenn nach (den wenigen) schwächeren Spielen des Münchners immer wieder mal nach Wolfgang „Otto“Kleff aus Mönchengladbach gerufen wurde. Aber an die einsame Klasse des Bayern reichte er nicht heran. Und so blieb alles friedlich. Die 80er: Schumacher – Stein
Der gebürtige Bielefelder Uli Stein hielt sich für den besten Torwart dieser Zeit. Und er hielt mit dieser Meinung nicht hinter dem Berg. Aber er kam trotzdem nicht an Harald „Toni“Schumacher vorbei. Das sorgte bei Stein für so vielverdruss, dass er bei der Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko den Teamchef Franz Beckenbauer wegen seinertreue zu Schumacher und in Anspielung auf seine Werbespots in den 60ern einen „Suppenkasper“nannte. Präsident Hermann Neuberger schickte Stein nach Hause.
Die 90er: Illgner – Köpke
Bodo Illgner wurde 1990 Weltmeister, sein Konkurrent Andreas Köpke saß brav auf der Bank. Dennoch hielten ihn viele für den besseren Schlussmann. Er durfte das erst im stolzen Alter von 32 Jahren beweisen, als er Illgner nach einem schwachen Wm-turnier 1994 beerbte.
Die 2000er: Kahn – Lehmann
Auf Köpke, heute Bundestorwarttrainer, folgte Oliver Kahn. An seine Ablösung dachte lange niemand. Dann kam Jürgen Klinsmann. Und der stellte Jens Lehmann instor. Für Kahn war das schwer zu schlucken. Aber er akzeptierte seine Reservistenrolle. Sein Vor-vorgänger Tilkowski glaubt bis heute, dass Kahn sich nur aus Gründen der Selbstvermarktung nicht ins Schneckenloch zurückgezogen hat. Selbst die demonstrative Geste vor dem Elfmeterschießen im Wm-viertelfinale 2006 gegen Argentinien, als Kahn Lehmann Glück wünscht, hält Tilkowski für inszeniert.
Die 2010er: Neuer – Adler
René Adler sollte bei der WM 2010 in Südafrika die deutsche Nummer eins sein. Ein Konkurrenzkampf mit dem jungen Manuel Neuer war gar nicht vorgesehen. Dann brach sich Adler die Rippe, und Neuer hielt so beeindruckend gut, dass niemand mehr auf die Idee kam, er könne der falsche Mann im Tor sein.