Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Vom Kongo in neue Sphären
Das Schauspielhaus beginnt im „Unterhaus“die Reihe „Embracing Realities“.
Es ist eine irre Geschichte, die sich in einem Dorf im Kongo abspielt. Ingenieur Jean-patrice Keka baut dort seit Jahren Raketen, die er von seiner Farm abschießt. Keines der Luftschiffe hat es je auch nur in die Nähe der Troposphäre geschafft. Alle kamen vom Kurs ab, bei einer Bruchlandung war eine Ratte an Bord.
Als die Künstlerin und Anthropologin Kapwani Kiwanga von Keka erzählt, amüsiert sich das Theaterpublikum, denn es ist gar nicht so leicht zu begreifen, dass hier der Spaß schon wieder aufhört. Das Experiment des verwegenen Kongolesen ist eines von vielen Segmenten, aus denen Kiwanga eine afrofuturistische Groteske modelliert. Auf diese Weise verschafft sie sich Spielraum für eine vielschichtige Betrachtung von Rassismus, Identität und emanzipatorischer Aktion.
Mit Kiwangas Performance beginnt das Schauspielhaus die Reihe „Embracing Realities“(umarmende Wirklichkeiten). Es sind kleine Störfeuer, die Phänomene und Szenarien fokussieren, die zunächst nicht auf der Hand liegen, jedoch auf die großen Themen verweisen. Die erste Ausgabe, in englischer Sprache, ist nur Insidern zugänglich.
Afrofuturismus ist eine Strömung, die in den 1990er Jahren ihren Namen erhielt, sich jedoch spätestens seit Mitte des 20. Jahrhunderts in der Musik und der Literatur ausdrückt. Der afroamerikanische Poet, Prediger und Jazzer Sun Ra gilt als ihr wichtigster Wegbereiter. Kiwanga lässt ihn in einer kurzen Filmsequenz betonen, er fühle sich fremd auf diesem Planeten, der ihm nichts sage. Wie herrlich wäre es, sich aus der Enge der weißen Kulturgeschichte herauszukatapultieren, um sich auf einem anderen Stern eine afrikanische Zukunft aufzubauen.
Kiwanga erforscht die Verästelungen von Vergangenheit und Zukunft, von Sklaverei und Entfremdung, neuen Bindungen und utopischen Welten. Sie trägt historische Begebenheiten und philosophische Gedanken vor und mischt dokumentarische Filmszenen in ihre Ausführungen. Aus diesem vermeintlich wissenschaftlichen Format steigt indes die traurige Sehnsucht der afrikanischen Community nach einer besseren Welt auf. Die wunderbare Djane Senu formt daraus eine Hoffnung: Mit ihrer Club-musik macht sie im Anschluss an die Performance den Weg frei für ebensolche Sphären.