Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Geheimtipp Caprivi
Vom Fluss Okavango zu den Victoria-fällen führt ein schmaler Landstrich im Norden Namibias. In dem Feuchtgebiet leben zahlreiche Tierherden.
Als am 1. Juli 1890 der ehemalige deutsche Reichskanzler Georg Leo Graf von Caprivi mit Großbritannien den Helgoland-sansibar-vertrag unterzeichnete, ahnte er sicher nicht, das sich der später nach ihm benannte Landzipfel im Nordosten Namibias heute zu einem Geheimtipp für Afrika-reisende entwickelt hat. In dem noch zu Kolonialzeiten geschlossenen Abkommen war festgelegt worden, dass das Deutsche Reich auf Gebietsansprüche an Sansibar verzichtete und die Insel den Briten überließ. Dafür gab es im Tausch die damals englische Insel Helgoland sowie den 460 Kilometer langen und zwischen 32 und 90 Kilometer breiten Caprivi-streifen, der der Kolonie Deutsch-südwestafrika den Zugang zum Fluss Sambesi und den Victoria-fällen eröffnen sollte. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs im Jahr 1914 endete die deutsche Kolonialherrschaft und das Gebiet ging dann schließlich 1990 mit der Unabhängigkeit Südwestafrikas an Namibia.
Das Land, das heute von ständig zunehmenden Touristenscharen vor allem wegen seiner faszinierenden Wüstenlandschaften geschätzt wird, hat mit dem Caprivi-streifen auch ein Feucht- und Sumpfgebiet zu bieten, das es durchaus mit dem bei Afrika-kennern hochgeschätzten, aber auch sündhaft teuren Okavangodelta im angrenzenden Botsuana aufnehmen kann.
Dank hoher Niederschläge und der ganzjährig wasserführenden Flüsse Kwando, Okavango, Sambesi, Linyanti und Chobe sind auf dem kleinen Stück Land zahlreiche Wildreservate anzutreffen. Und da es zum benachbarten Angola, Sambia und Botsuana keine Grenzzäune gibt, können die Tierherden zwischen den Ländern ungehindert wandern.
Nachdem der deutschstämmige Führer Hini bereits zwei Wochen lang mit Highlights in der Namib-wüste, dem Damara-land und der Etosha-pfanne begeisterte, wird der Weg durch den Caprivi-zipfel bis zu den
Victoria-fällen zu einem unvergesslichen Erlebnis.
Vor der Ankunft am Okavango lohnt sich aber ein Zwischenstopp in der ehemaligen Minenstadt Tsumeb, wo sich ein außergewöhnliches Museum befindet: Die Farmersfrau Ilse Schatz sammelte nicht nur Artefakte der auf ihrer Farm arbeitenden Haikom-san (Buschleute), sondern stellte in ihrem 1975 gegründeten Museum auch Mineralien und Kristalle aus. Zudem gewinnt man einen herrlichen Einblick in die deutsche Kolonialgeschichte, denn nicht nur Waffen der Schutztruppen sind zu sehen,
sondern auch – und da geht jedem Rheinländer das Herz auf – Karnevalsorden, denn auch in Deutsch-südwest wusste man zu feiern!
„Die Nkasa Lupala Lodge wird Euch gefallen“, prophezeit Guide Hini. „Zwar werdet ihr bis dahin auf den holprigen Pisten kräftig durchgeschaukelt. Zieht euch bitte warm an, denn in den Zelten wird es nachts recht kühl.“Dort angekommen, begrüßt gleich eine grasende Herde Warzenschweine die Besucher zwischen den Zelten. Und 20 Meter vor der Terrasse der Lodge lässt sich ein Schreiseeadler nieder und wartet vor den Augen der Leute auf fette Beute.
Am späten Nachmittag sitzen die Reisenden dann in einem wackligen „Mokoro“, einem Einbaum, und hoffen, dass unser Steuermann sein Metier – das Staken mit einer langen Holzstange – beherrscht und sie nicht mit Flusspferden oder Krokodilen Bekanntschaft machen müssen. Nachdem alles gut gegangen ist, können die Urlauber beim Sonnenuntergang die vielfältige Vogelwelt dieser Region bewundern.
Mit einem kleinen Motorboot gleitet die Gruppe am nächsten Tag durch die zahlreichen Seitenarme des Kwando-linyanti-flusses, der in den Chobe und dann den Sambesi mündet, bewundert anfangs Heerscharen von Schlangenhalsvögeln, die mit ihren Jungen ganze Baumgruppen füllen, große Kolonien der farbenprächtigen Weißstirnbienenfresser, die in den Steilhängen des Flusssystems ihre Bruthöhlen bauen, Fischadler, Graufischer, Ibisse und Kiebitze – unter ständiger Beobachtung allgegenwärtiger Flusspferde.
Dann macht sich am gegenüberliegenden Flussufer eine stattliche Elefantenherde bemerkbar, die sich anschickt, den Linyanti zu durchqueren und genau auf das Boot zusteuert. „Ihr seid wirkliche Glückspilze“, sagt Führer Hini, „so ein Schauspiel erlebt man nur ganz selten.“Dann geht es zurück in die Öko-lodge, wo erneut Warzenschweine warten.
Selbst im Chobe-nationalpark im angrenzenden Botsuana denkt man gerne an die Stille des Caprivi zurück. Auch wenn es hier Unmengen Elefanten gibt, aber auch Touristenmassen. Auch im Angesicht des „Rauchs der donnert“– wie Einheimische liebevoll ihre Victoria-fälle nennen. Und bei der Dinner-cruise auf dem Sambesi, wo Flusspferde den Sundowner versüßen.