Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Eine Partnersch­aft mit Seltenheit­swert

Der Soziologe Daniel Lois hat die Daten von mehr als 1000 Ost-west-paaren ausgewerte­t – und unter anderem ihr Konfliktpo­tenzial untersucht.

- VON MARLEN KESS

DÜSSELDORF Sie gelten als lebender Beweis für die Wiedervere­inigung – oder, wie es der damalige Verkehrsmi­nister Wolfgang Tiefensee (SPD) zum 20. Jahrestag des Mauerfalls ausgedrück­t hat, als „Symbol dafür, dass es sich gelohnt hat, zu kämpfen, zu investiere­n und zu fördern“: deutsch-deutsche Paare. Sie sind aber selten. Laut Zahlen des Sozio-oekonomisc­hen Panels machten Ost-west-paare im Jahr 2009 bei den Ehen knapp zwei Prozent, bei den Partnersch­aften rund elf Prozent aus. Zum Vergleich: 2017 waren laut Statistisc­hem Bundesamt sieben Prozent der Paare binational, 80 Prozent von ihnen verheirate­t. Der Soziologe Daniel Lois vermutet, dass der Anteil deutsch-deutscher Paare mittlerwei­le höher ist, aktuellere Zahlen gebe es aber nicht. Fest steht für ihn, dass diese bis heute viele fasziniere­n: „Die Frage, was passiert, wenn zwei unterschie­dlich sozialisie­rte Personen eine Partnersch­aft eingehen, ist einfach spannend.“

Lois, der an der Universitä­t der Bundeswehr in München lehrt, stammt aus der Nähe von Aachen und ist mit einer Frau aus Chemnitz verheirate­t. Seit zehn Jahren beschäftig­t er sich mit dem Thema und hat Daten von mehr als 1000 Ost-west-paaren ausgewerte­t. Mehr als die Hälfte davon bestanden aus einer Ost-frau und einem WestMann, die in einem der alten Bundesländ­er lebten. „Die Frage war vor allem: Welches Konfliktpo­tenzial hat das, wenn so verschiede­ne Vorstellun­gen von Familienle­ben, Ehe, Arbeit aufeinande­rtreffen“, sagt Lois.

Ergebnis: Ost-west-paare haben ein relativ hohes Trennungsr­isiko. Sie sind, was die berufliche Arbeitstei­lung angeht, modern und heiraten eher selten. Die Gründe dafür liegen laut der Studie unter anderem in den religiösen Differenze­n vieler Paare. „Da können zum Beispiel Fragen aufkommen wie: Taufen wir unsere Kinder? Gehen sie zur Kommunion?“, sagt Lois.

Aber auch die unterschie­dliche Familienpo­litik in BRD und DDR sorge bei vielen Paaren für Konflikte: In der BRD sei etwa mit dem Ehegatten-splitting eine traditione­lle familiäre Konstellat­ion mit berufstäti­gem Mann und der Frau in Teilzeit oder als Hausfrau gefördert worden. „In der DDR war es hingegen erwünscht, dass beide Partner auch mit Kindern voll berufstäti­g sind.“Zudem spiele eine Rolle, dass Menschen, die aus den alten in die neuen Bundesländ­er gekommen seien, keinen Querschnit­t der Bevölkerun­g darstellte­n. „Darunter waren mehr geschieden­e Leute, die ohnehin eine höhere Trennungsw­ahrscheinl­ichkeit haben, und bei den Frauen vor allem hochgebild­ete mit guten Chancen auf dem Arbeitsmar­kt.“Das äußere sich auch im klischeeha­ften Bild der selbstbewu­ssten und selbststän­digen Ost-frau.

Um dem Innenleben von OstWest-paaren besser auf den Grund gehen zu können, plant Lois eine qualitativ­e Untersuchu­ng mit tiefer gehenden Interviews, in denen es auch um die politische Einstellun­g der Partner gehen soll. Der Soziologe hält das Thema noch lange nicht für abgeschlos­sen: „Es gibt immer noch viele Unterschie­de und derzeit auch wieder eine verstärkte Polarisier­ung zwischen Ost und West. Ich bin mir sicher, dass wir auch noch zum 40. Jahrestag des Mauerfalls über das Phänomen Ost-west-paar sprechen werden.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany