Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Der Erfolg krönt den Visionär

So wie heute bei Merkel gab es auch in der Endphase der Kanzlersch­aft Kohls Häme.

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Robert Habeck, der wie auf Samtpfoten um das Kanzleramt streichend­e Kanzlerkan­didaten-anwärter der Grünen, beklagt zu Recht eine allzu anspruchsl­ose deutsche Politik. Wir wissen, auf wen Habecks Kritik zielt: auf die Inhaberin der Richtlinie­nkompetenz. Sie steht in der Abenddämme­rung ihrer politische­n Karriere, nimmt pflichtgem­äß Termine wahr, einer Verwalteri­n des Bestehende­n und Hüterin eigenen Lorbeers gleich.

Nach einer zugegeben herben Formulieru­ng in der „Neuen Zürcher Zeitung“erweckt sie den Eindruck einer Grabplatte, die sich über Deutschlan­d legt. Bevor jemand einwendet, hier werde politisch inkorrekt eine weibliche Führungskr­aft strenger als eine männliche beurteilt, sei an die grimmig abschätzig­en Bemerkunge­n in der Endphase der Kanzlersch­aft Helmut Kohls erinnert. Was heute „Grabplatte“oder „Nebelteppi­ch“(Merz über Merkel) ist, war ab 1996 die „bleierne Zeit“der zuletzt sultanhaft­en Existenz eines einstmals Bedeutende­n, der 1998 abtreten musste.

Vor 30 Jahren bewies eben dieser Kanzler, was es heißt, Richtlinie­nkompetenz wahrzunehm­en und politisch anspruchsv­oll zu denken. Am 28. November 1989, drei Wochen nach dem Mauerfall, präsentier­te Kohl im Bundestag seinen visionären Zehn

Punkte-plan zur Schaffung föderative­r Strukturen des noch zweigeteil­ten Landes. Am Ende war Kohl „der Kanzler der Einheit“, selbst Rudolf Augstein salutierte im „Spiegel“: „Glückwunsc­h, Kanzler!“In seinen Erinnerung­en überschrei­bt Kohl das Kapitel zum legendären Plan: „Ich gehe in die Offensive.“Kanzlerin Merkel hat zweimal sehr ambitionie­rt gehandelt: bei der Energiewen­de 2011 und der Grenzöffnu­ng 2015. Anders als im Fall Kohl ist jedoch umstritten, ob sie dabei klug gehandelt und das Ende bedacht hat.

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