Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Verleger war Zeuge bei Weizsäcker-mord

Der Berliner Verleger Ruprecht Frieling war Augenzeuge des Angriffs auf Fritz von Weizsäcker. Er habe vor der Tat direkt hinter dem Täter gesessen und während des Vortrags kurz mit ihm gesprochen, sagte er unserer Redaktion.

- VON DANIELA GIESS UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

BERLIN Gerade als Ruprecht Frieling sich nach dem Vortrag von Fritz von Weizsäcker auf den Heimweg machen und seinen Mantel anziehen will, bricht plötzlich Tumult aus. Der Tisch des Referenten stürzt um, ein Laptop fällt auf den Boden. Frieling sieht, wie Männer miteinande­r kämpfen. „Ein drahtiger Mann mit kurzgescho­renen grauweißen Haaren hatte sich auf den Arzt gestürzt und wortlos auf ihn eingestoch­en. Dr. Weizsäcker ging sofort zu Boden und blieb regungslos liegen“, schildert der Augenzeuge die Tat. „Eine dunkelrote Lache breitete sich auf dem Fußboden aus. Verzweifel­t versuchten Anwesende, die starke Blutung zu stillen“, so Frieling.

Der Angreifer, ein 57-Jähriger aus Rheinland-pfalz, verletzte den Mediziner und Sohn des früheren Bundespräs­identen Richard von Weizsäcker mit einem Messer am Hals tödlich. Der Täter wurde unmittelba­r nach der Tat festgenomm­en. Wegen einer akuten psychische­n Erkrankung erließ ein Richter bereits am Mittwoch einen sogenannte­n Unterbring­ungsbefehl – der Mann wurde in eine Psychiatri­e gebracht. Das Motiv des Angreifers liege in einer „wohl wahnbeding­ten allgemeine­n Abneigung des Beschuldig­ten gegen die Familie des Getöteten“, hieß es von den Ermittlern.

Ruprecht Frieling ist Verleger und

Buchautor in Berlin. Er kannte Weizsäcker seit vielen Jahren persönlich, schätzte ihn sehr. Gemeinsam mit knapp 40 weiteren Gästen war er in die Berliner Schlosspar­k-klinik gekommen, um sich die Ausführung­en des „für seinen Humor und seine Bescheiden­heit bekannten Referenten“zum Thema Fettleber anzuhören.

Als sich bei ihm nach dem Attentat die Schockstar­re allmählich löst, wird ihm bewusst, dass der Täter während des Vortrags die ganze Zeit vor ihm gesessen hat. Und es fällt ihm wieder ein, dass er sogar mit dem Täter zufällig ins Gespräch gekommen war. „Ich hatte mit ihm kurz gesprochen, weil ich den Bewertungs­bogen haben wollte, der neben ihm auf einem freien Platz lag“, sagt Frieling. Er selbst habe nämlich keinen solchen Bogen gehabt. Der Attentäter habe auf seine Bitte aber sehr unfreundli­ch und patzig reagiert und ihm den Bogen nicht gegeben. Während des Vortrags habe er sich aber sehr ruhig und unauffälli­g verhalten, sagt der Verleger. „Er ließ sich nicht anmerken, was er plante. Ebenso gut hätte er unvermitte­lt auf uns Zuhörer einstechen können, und nichts und niemand hätte ihn dabei aufgehalte­n“, so Frieling.

Bei dem Versuch, den Angreifer zu überwältig­en, wurde ein privat anwesender Kripobeamt­er ebenfalls schwer verwundet. „Erst mit vereinten Kräften konnten schließlic­h Anwesende den sich wild wehrenden Täter zu Boden ringen“, so Ruprecht Frieling. Der Polizist kam in ein Krankenhau­s und wurde operiert. Sein Eingreifen verdiene „allergrößt­en Respekt“, betonte die Gewerkscha­ft der Polizei (GDP) in Berlin. Man hoffe, dass sowohl seine schweren körperlich­en als auch die seelischen Wunden „schnellstm­öglich und vor allem vollständi­g verheilen“. Der Polizist musste nach der Attacke bereits zweimal operiert werden. Es gehe ihm den Umständen entspreche­nd, hieß es. Er sei aber nicht in Lebensgefa­hr.

Frieling habe sich nie zuvor derart hilflos gefühlt, wie in dem Moment des Angriffs. „Die Verrohung unserer Gesellscha­ft, Gewaltbere­itschaft und mangelnder Respekt vor dem Wert des Lebens wurden mir deutlich wie nie zuvor vor Augen geführt“, betont er. „Und unwillkürl­ich reflektier­t man angesichts derartiger Taten, wie leicht man selbst direkt oder indirekt Opfer des täglichen Wahnsinns werden könnte.“

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FOTO: SASCHA RIXKENS
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FOTO: DPA Trauernde tragen sich in das Kondolenzb­uch für den ermordeten Chefarzt Fritz von Weizsäcker ein.

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