Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Verleger war Zeuge bei Weizsäcker-mord
Der Berliner Verleger Ruprecht Frieling war Augenzeuge des Angriffs auf Fritz von Weizsäcker. Er habe vor der Tat direkt hinter dem Täter gesessen und während des Vortrags kurz mit ihm gesprochen, sagte er unserer Redaktion.
BERLIN Gerade als Ruprecht Frieling sich nach dem Vortrag von Fritz von Weizsäcker auf den Heimweg machen und seinen Mantel anziehen will, bricht plötzlich Tumult aus. Der Tisch des Referenten stürzt um, ein Laptop fällt auf den Boden. Frieling sieht, wie Männer miteinander kämpfen. „Ein drahtiger Mann mit kurzgeschorenen grauweißen Haaren hatte sich auf den Arzt gestürzt und wortlos auf ihn eingestochen. Dr. Weizsäcker ging sofort zu Boden und blieb regungslos liegen“, schildert der Augenzeuge die Tat. „Eine dunkelrote Lache breitete sich auf dem Fußboden aus. Verzweifelt versuchten Anwesende, die starke Blutung zu stillen“, so Frieling.
Der Angreifer, ein 57-Jähriger aus Rheinland-pfalz, verletzte den Mediziner und Sohn des früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker mit einem Messer am Hals tödlich. Der Täter wurde unmittelbar nach der Tat festgenommen. Wegen einer akuten psychischen Erkrankung erließ ein Richter bereits am Mittwoch einen sogenannten Unterbringungsbefehl – der Mann wurde in eine Psychiatrie gebracht. Das Motiv des Angreifers liege in einer „wohl wahnbedingten allgemeinen Abneigung des Beschuldigten gegen die Familie des Getöteten“, hieß es von den Ermittlern.
Ruprecht Frieling ist Verleger und
Buchautor in Berlin. Er kannte Weizsäcker seit vielen Jahren persönlich, schätzte ihn sehr. Gemeinsam mit knapp 40 weiteren Gästen war er in die Berliner Schlosspark-klinik gekommen, um sich die Ausführungen des „für seinen Humor und seine Bescheidenheit bekannten Referenten“zum Thema Fettleber anzuhören.
Als sich bei ihm nach dem Attentat die Schockstarre allmählich löst, wird ihm bewusst, dass der Täter während des Vortrags die ganze Zeit vor ihm gesessen hat. Und es fällt ihm wieder ein, dass er sogar mit dem Täter zufällig ins Gespräch gekommen war. „Ich hatte mit ihm kurz gesprochen, weil ich den Bewertungsbogen haben wollte, der neben ihm auf einem freien Platz lag“, sagt Frieling. Er selbst habe nämlich keinen solchen Bogen gehabt. Der Attentäter habe auf seine Bitte aber sehr unfreundlich und patzig reagiert und ihm den Bogen nicht gegeben. Während des Vortrags habe er sich aber sehr ruhig und unauffällig verhalten, sagt der Verleger. „Er ließ sich nicht anmerken, was er plante. Ebenso gut hätte er unvermittelt auf uns Zuhörer einstechen können, und nichts und niemand hätte ihn dabei aufgehalten“, so Frieling.
Bei dem Versuch, den Angreifer zu überwältigen, wurde ein privat anwesender Kripobeamter ebenfalls schwer verwundet. „Erst mit vereinten Kräften konnten schließlich Anwesende den sich wild wehrenden Täter zu Boden ringen“, so Ruprecht Frieling. Der Polizist kam in ein Krankenhaus und wurde operiert. Sein Eingreifen verdiene „allergrößten Respekt“, betonte die Gewerkschaft der Polizei (GDP) in Berlin. Man hoffe, dass sowohl seine schweren körperlichen als auch die seelischen Wunden „schnellstmöglich und vor allem vollständig verheilen“. Der Polizist musste nach der Attacke bereits zweimal operiert werden. Es gehe ihm den Umständen entsprechend, hieß es. Er sei aber nicht in Lebensgefahr.
Frieling habe sich nie zuvor derart hilflos gefühlt, wie in dem Moment des Angriffs. „Die Verrohung unserer Gesellschaft, Gewaltbereitschaft und mangelnder Respekt vor dem Wert des Lebens wurden mir deutlich wie nie zuvor vor Augen geführt“, betont er. „Und unwillkürlich reflektiert man angesichts derartiger Taten, wie leicht man selbst direkt oder indirekt Opfer des täglichen Wahnsinns werden könnte.“