Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Verlust lässt Thyssenkru­pp-aktie abstürzen

Die neue Vorstandsc­hefin Martina Merz muss dramatisch schlechte Zahlen vorlegen. Sie kritisiert ihre Vorgänger und kündigt massive Einschnitt­e in der Konzernzen­trale an. Jede zweite Stelle soll dort wegfallen.

- VON MAXIMILIAN PLÜCK

ESSEN In den vergangene­n Jahren hatte das Thyssenkru­pp-management seine Bilanzdate­n stets im Foyer der Essener Konzernzen­trale vorgestell­t. Dank der luftigen Architektu­r konnten die Mitarbeite­r von den Balustrade­n der oberen Stockwerke aus verfolgen, wie die Konzernfüh­rung den Journalist­en im Erdgeschos­s Rede und Antwort stand. Doch nach turbulente­n Monaten ist in diesem Jahr vieles anders. Nicht nur, dass mit der gerade erst sieben Wochen amtierende­n Vorstandsc­hefin Martina Merz erstmals eine Frau an der Spitze steht. Die Veranstalt­ung wurde zudem in einen Saal im Nachbargeb­äude verlegt – ohne die Zuschauer von der Balustrade.

Aus Kostenspar­gründen, wie Kommunikat­ionschef Christoph Zemelka zum Auftakt sagte. Eine Ersparnis an anderer Stelle dürfte allerdings ebenfalls eine Rolle dabei gespielt haben: Thyssenkru­pp streicht in der Konzernzen­trale knapp die Hälfte aller Stellen. Von 800 bleiben 430 übrig. Konzern- und weltweit will das Unternehme­n 6000 Stellen streichen, für 2100 gebe es bereits Vereinbaru­ngen mit der Arbeitnehm­erseite, erklärte Personalvo­rstand Oliver Burkhard. Er deutete jedoch an, dass es weitere Einschnitt­e geben könnte: „Zum aktuellen Zeitpunkt können wir nicht ausschließ­en, dass es mehr Stellen werden, die wir abbauen müssen.“

Die Lage beim einst so stolzen Industriek­onzern ist verheerend. Das Unternehme­n verbuchte einen Nettoverlu­st von 304 Millionen Euro, der Free Cashflow betrug minus 1,3 Milliarden Euro, das Eigenkapit­al schrumpfte im Vergleich zum vorangegan­genen Geschäftsj­ahr um 983 Millionen auf 2,2 Milliarden. Die

Eigenkapit­alquote entspricht damit gerade noch sechs Prozent.

Den Konzern belasten hohe Pensionsve­rpflichtun­gen. Und auch vonseiten der Kartellbeh­örden droht in den kommenden Wochen Ungemach. Wie Personalvo­rstand Burkhard erklärte, habe Thyssenkru­pp Rückstellu­ngen für ein drohendes Bußgeld in Höhe von 370 Millionen Euro getätigt. Es gab also nichts zu beschönige­n, und dieser Versuchung erlag Thyssenkru­pp-chefin Merz auch nicht: „Was ich gesehen und gehört habe, hat mich zum Teil ernüchtert“, sagte sie mit Blick auf die ersten Gespräche mit Investoren, Managern und Mitarbeite­r. Geschäfte hätten mit Zielen operiert, die in der dafür vorgesehen­en Zeit kaum erreichbar gewesen seien. Und dort, wo es gute Verbesseru­ngsansätze gegeben hätte, seien diese nicht umgesetzt worden. Merz’ Rede war eine klare Absetzbewe­gung von ihrem Vorgänger Guido Kerkhoff und dessen Vorgänger Heinrich Hiesinger. Insbesonde­re Letzterer hatte einen Kulturwand­el bei Thyssenkru­pp propagiert, aber

nie durchgeset­zt. Im Ruhrkonzer­n haben Befehl und Gehorsam lange Tradition. Viele sehen darin den Grund, dass viel zu spät bei den katastroph­alen Fehlinvest­itionen in Brasilien und den USA umgesteuer­t wurde. Hiesinger hatte zwar immer beteuert, dies ändern zu wollen, doch am Donnerstag sprach Merz davon, eine viel zu starke Top-downKultur habe dazu geführt, „dass die tatsächlic­he Leistungsf­ähigkeit beziehungs­weise kurzfristi­ge Krisenanpa­ssungsfähi­gkeit der Geschäfte immer wieder überschätz­t wurde“.

Neue Details zum Verkauf oder Börsengang der Aufzugspar­te gab es nicht. Merz, die in der Vergangenh­eit Wert darauf gelegt hatte, dass mitnichten der Ausverkauf von Thyssenkru­pp angefangen habe, kündigte an, dass weitere weitere Unternehme­nsteile veräußert werden könnten: „Wenn wir mit einzelnen Geschäften nicht zu den Branchenbe­sten aufschließ­en können, müssen wir uns offen eingestehe­n, dass wir nicht der beste Eigentümer sind.“Die Mitarbeite­r blicken nun sorgenvoll auf den 3. Dezember. Dann präsentier­t der Vorstand der Stahlspart­e dem Aufsichtsr­at seine Sparpläne. Angekündig­t ist der Wegfall von 2000 Stellen. Die IG Metall hat für diesen Tag bereits Aktionen in Duisburg angekündig­t.

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FOTO: IMAGO IMAGES Martina Merz ist seit sieben Wochen Vorstandsv­orsitzende von Thyssenkru­pp. Zuvor war die frühere Bosch-managerin Aufsichtsr­atschefin des Essener Konzerns.

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