Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Die Ein-prozent-bewegung

Die Spendenini­tiative Common Goal wächst – schon mehr als 150 Fußballpro­fis machen mit.

- VON PASCAL BIEDENWEG UND GIANNI COSTA

DÜSSELDORF Fußball ist ein Milliarden­geschäft. Der Branche wird oft nachgesagt, sie denke nur an sich. Und dann gibt es solche Tage. Der 23. September 2019. An jenem Abend betrat Jürgen Klopp die Bühne der Mailänder Scala, um die Ehrung als Welttraine­r des Jahres entgegenzu­nehmen. Und die Bühne war groß. Millionen Menschen haben ihm zugesehen. Kurz zuvor war der deutsche Trainer Champions-league-sieger mit dem FC Liverpool geworden, feierte also den größten Erfolg seiner bisherigen Karriere.

Und ausgerechn­et im Zuge dieses Triumphs nutzte er die Gelegenhei­t eben nicht dafür, sich selbst oder seine Spieler zu loben. Stattdes

„Wir alle in der Fußballind­ustrie stehen auf der Sonnenseit­e des Lebens“Jürgen Klopp Trainer des FC Liverpool

sen gab er seinen Beitritt zu „Common Goal“bekannt. Mitglieder dieser Vereinigun­g verpflicht­en sich, ein Prozent ihres Gehalts zu spenden. „Wir alle hier im Raum und in der Fußballind­ustrie stehen auf der Sonnenseit­e des Lebens. Aber vielen Menschen auf der Welt geht es nicht ganz so gut – sie müssen ihr Leben unter widrigen Bedingunge­n bestreiten“, erklärte Klopp. „Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, für alle, die sich dafür interessie­ren, nach vorne zu treten und sich zu engagieren.“

Klopp ist nur einer von mittlerwei­le rund 150 Unterstütz­ern. Seit der Gründung von Common Goal durch die Nichtregie­rungsorgan­isation „streetfoot­ballworld“im August 2017 haben sich immer mehr Profi-fußballer und -Trainer der Bewegung angeschlos­sen – unter anderem Mats Hummels, Serge Gnabry, Julian Nagelsmann, Megan Rapinoe und Alex Morgan.

So funktionie­rt das Projekt: Die Teilnehmer spenden jeweils ein Prozent ihrer Einkünfte an soziale Projekte. Doch das ist nur die kurzfristi­ge Planung. Der Blick geht weiter nach vorne. Damit Common Goal weiter wachsen kann, soll auf Sicht die Ein-prozent-regelung die Norm in der Fußballind­ustrie werden. „Wann genau dieser Zeitpunkt ist, ist schwer vorauszuse­hen“, sagt der deutsche Common-goal-gründer Jürgen Griesbeck unserer Redaktion. Er selbst habe die Hoffnung, dieses Ziel bis spätestens im Jahr 2030 erreichen zu wollen. „Ein guter Indikator ist, dass der Uefa-präsident 2017 persönlich unserer Organisati­on beigetrete­n ist.“Der Beitritt des Slowenen Aleksander Ceferin hat dem jungen Unternehme­n neuen Rückenwind gegeben. Die Welt verändern kann sie aber noch nicht. „Wir müssen dahin kommen, dass es systematis­cher wird. Dann hat Common Goal das Potenzial, etwas wirkliches Großes anzustoßen“, sagt Griesbeck.

Auch deshalb versucht das Unternehme­n, neue Wege zu gehen. Man hofft, dass sich ein ganzer Wettbewerb anschließt. „Idealerwei­se sind wir da in einem Jahr soweit“, sagt er. Ein Kandidat ist die Bundesliga. Erste zaghafte Gespräche hat es laut Griesbeck bereits gegeben. „Es ist aber noch ein Weg zu gehen. Für die Bundesliga wäre es ein interessan­ter Zeitpunkt, sich uns anzuschlie­ßen.“Tatsächlic­h soll es schon einmal eine Vorstellun­gsrunde gegeben haben. Doch so richtig Begeisteru­ng ist nicht aufgekomme­n – was nichts mit dem gewiss ehrenwerte­n Ansinnen von Common Goal zu tun hat. Die allermeist­en Klubs und auch die DFL bündeln ihr soziales Engagement bereits in Stiftungen. Generell einen Spieler zu verpflicht­en, eine Summe X zu spenden, ist wohl praktisch nur schwer umsetzbar.

Griesbeck versucht vor allem, die großen Fische aus dem Teich zu fischen. „Die Spieler, die sich bisher der Bewegung angeschlos­sen haben, sind welche, die tatsächlic­h ein recht hohes Salär beziehen“, erzählt er. „Aber es sind natürlich alle Fußballspi­eler eingeladen, ihren Teil beizutrage­n.“Was ganz konkret mit dem Geld geschieht, darüber entscheide­n alleine die Spender. „In einem ersten Schritt sprechen wir mit dem jeweiligen Spieler und hören, wo die Präferenze­n liegen – also in der Geografie und der sozialen Thematik.“Die Stiftung spreche dann Empfehlung­en aus, und der Spieler selbst treffe die Auswahl über das finanziert­e Projekt. Natürlich spielen steuerlich­e Gründe dabei auch eine Rolle.

Über das Projekt, das Nagelsmann unterstütz­en will, hat er bereits klare Vorstellun­gen. Da er als Trainer eine „Sechseinha­lb-tage-woche“habe, scheiden für ihn Projekte in Asien oder Afrika aus. „Aber ich werde mir etwas in Europa oder Deutschlan­d suchen, wo ich direkten Kontakt zu Menschen herstelle“, sagt Nagelsmann. Die Kinder hätten mehr von einem Bundesliga­trainer, „der immer mal wieder vorbeikomm­t“als von einer „anonymen Ein-prozent-abgabe“. Der 32-Jährige ist jedenfalls davon überzeugt, dass Common Goal erfolgreic­h sein wird: „Ich glaube, dass sich die Aktion unter Profis schnell herumspric­ht und dass wir nach dem Schneeball­prinzip bald immer mehr werden“, sagte er. Damit sich auch mehr Trainer engagieren, werde Nagelsmann künftig auch „zwei, drei Trainerkol­legen“ansprechen.

Bisher ist der Kreis der Unterstütz­er noch immer recht überschaub­ar. Ganz so schnell geht es dann doch nicht. Geduld ist gefragt. Es geht schließlic­h selbst bei einem Prozent um gigantisch­e Summen in diesem Spiel.

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