Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Aus der Bahn geworfen
Katrin Krabbe war die schnellste Frau der Welt. Sie war Doping- und Steuersünderin, hilft im Hospiz. Jetzt wird sie 50.
DÜSSELDORF Wie viele Wendungen passen in ein Menschenleben? Wer sich Katrin Krabbes Leben anguckt, muss den Eindruck gewinnen: sehr viele Wendungen. Wenn die Neubrandenburgerin am Freitag ihren 50. Geburtstag feiert, steckt in diesen 50 Jahren Stoff für mehrere Biografien. Sie war erst die Königin der Leichtathletik, dann eine ihrer prominentesten Dopingsünderinnen. Krabbe wurde wegen Steuerhinterziehung verurteilt, musste Privatinsolvenz anmelden, verlor ihren Ehemann durch Suizid, sie engagiert sich in einem Hospiz als Sterbebegleiterin. Katrin Krabbe hat mit der Zeit gelernt, Katrin Krabbe zu sein. „Egal, was in meinem Leben passiert ist und wie schlimm die Zeiten auch waren: Wenn mir das nicht passiert wäre – ich wäre heute nicht dieser Mensch“, sagt sie.
Am 27. August 1991 ist Katrin Krabbe ganz oben. Bei der Leichtathletik-wm in Tokio gewinnt sie als 21-Jährige die Goldmedaille über 100 Meter. Sie lässt die Topspars Gwen Torrence (USA) und Merlene Ottey ( Jamaika) hinter sich. Eine Sensation. Eine, der sie drei Tage später noch eine folgen lässt, in dem sie Torrence und Ottey auch über die 200 Meter schlägt. Krabbe ist einer der ersten gesamtdeutschen Sportstars. Sie wird wie im Vorjahr, als sie noch für die DDR dreimal Em-gold in Split holte, Sportlerin des Jahres im wiedervereinigten Land.
Doch auf den Triumph folgt der jähe Absturz. Anfang 1992 gerät sie zusammen mit zwei Vereinskolleginnen unter Dopingverdacht – Urinproben aus dem Trainingslager in Südafrika sind bei dem Trio identisch. Ein halbes Jahr später finden Kontrolleure im Urin von Krabbe, Grit Breuer und Manuela Derr den aus der Kälbermast bekannten
Wirkstoff Clenbuterol. Ihr Trainer Thomas Springstein hatte das Präparat organisiert. Der Wirkstoff steht damals noch nicht auf der Dopingliste, Krabbe und Co. werden nur wegen Medikamentenmissbrauchs gesperrt. Später folgen Sperren vom Deutschen (DLV) und Welt-leichtatletik-verband (IAAF).
Aber Katrin Krabbe wehrt sich. Sie klagt gegen die Sperre, sieht darin ihr Grundrecht auf Berufsfreiheit verletzt. Das Landgericht München gibt ihr Recht und spricht ihr 1,2 Millionen D-mark (umgerechnet 610.000 Euro) Schadenersatz zu. Es folgt ein lange währender Rechtsstreit mit der IAAF, der erst 2002 in der Zahlung einer unbekannten Summe endet. Allein: Es wäre nicht Krabbes Leben, würde diese Summe nicht auch negative Konsequenzen haben. Sie und ihr Mann Michael werden 2009 wegen Steuerhinterziehung verurteilt. Rund 200.000 Euro sollen sie dem Fiskus vorenthalten haben. Krabbe muss Privatinsolvenz anmelden, sie arbeitet später in einem Autohaus.
2015 ereilt sie der größte Schicksalsschlag: Ihr Mann Michael nimmt sich mit 52 Jahren das Leben, sie muss den damals 17 und 20 Jahre alten Söhnen – beide Handballer – die Nachricht überbringen. Schon vor dem Suizid hatte Krabbe zuvor bereits eine Ausbildung als ehrenamtliche Helferin in einem Hospiz in ihrer Heimatstadt Neubrandenburg begonnen. Dort arbeitet sie bis heute. „Was für mich sehr auffällig ist: Obwohl diese Menschen wissen, dass sie aus dem Leben gehen – da ist noch eine Lebensfreude spürbar“, erzählt Krabbe. „Der jüngste Mensch war in meinem Alter. Das macht nachdenklich und demütig.“
Demut ist aber nicht der grundlegende Ansatz, mit dem Katrin Krabbe auf ihr bisheriges Leben zurückblickt. Sie will nicht im mentalen Büßergewand durch den Alltag gehen. Sie akzeptiert ihre Vergangenheit, will aber ihre Gegenwart nicht von ihrer Historie vorbestimmt wissen. „Das Rad kann man nicht zurückdrehen, aber man kann aus Fehlern und Erfahrungen lernen“, sagt sie. Bei der Geburtstagsfeier ist Bob Hanning nicht mehr der Mann an Krabbes Seite. Vom deutschen Handball-manager trennte sie sich Anfang dieses Jahres. Ihr neuer Lebensgefährte ist ein Chemnitzer Immobilienunternehmer.
Er ist die neueste Wendung in Katrin Krabbes Leben. (mit dpa)