Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Unterhaltung von gestern
In der Komödie feierte jetzt ein Klassiker gelungene Premiere: „Pension Schöller“– ein Schwank von 1890.
Hat etwa der Schweizer Dramatiker Friedrich Dürrenmatt für seine „Physiker“bei der „Pension Schöller“abgeschrieben? Immerhin ist in beiden Stücken der Handlungsort eine (angeblich) private Psychiatrie-anstalt, und alles dreht sich um die Frage, ob die Verrückten schlimmer sind als die Normalen oder umgekehrt.
Doch damit ist jede Vergleichbarkeit auch schon am Ende. Dürrenmatts 1961 entstandene Komödie ist ein Zweiakter mit epochaler Tiefenwirkung. Hingegen will der 1890 geschriebene Schwank von Carl Laufs & Wilhelm Jacoby, der jetzt in der Komödie Düsseldorf seine Premiere feierte, nichts anderes sein als Unterhaltung mit Pfiff. Genau dieses stellt der Dreiakter seit über hundert Jahren auf zahllosen Bühnen, in Filmen und im Fernsehen unter Beweis.
Dennoch: In der „Pension Schöller“stellt Eugen, der Sohn des Besitzers, ein beeindruckendes Wissen um die Klassiker zur Schau. Schiller, Kleist, Lessing und immer wieder Shakespeare möchte der angehende Schauspieler (Slim Weidenfeld) auf großen Bühnen deklamieren, fehlte ihm nur nicht das „L“. Immer wenn es kommen soll, artikuliert der Mimenmund ein „N“. Und das klingt grauenvoll.
Dennoch ist das nur das kleinste der zahlreichen Missgeschicke und Verwicklungen in dem Stück um den Großgrundbesitzer Philip Klapproth (Michael Schäfer), der auf seinem Landgut ein Irrenhaus errichten will und sich dafür exemplarisch in der
Hauptstadt Berlin schlau macht. Die Begegnungen mit dem Großwildjäger und Dauer-aufschneider Professor Bernhardy (Christian Miedrich), der ziemlich erfolglosen Schriftstellerin Josephine Zillertal (Ilka Luza) und dem vorzeitig aus dem Dienst geschiedenen Major von Mühlen lassen ihn allzu schnell zur Überzeugung gelangen, dass es an verrückten Patienten nicht mangeln wird.
Mit vielen köstlichen Szenen schreitet die Handlung voran, begleitet von Sätzen, die man aufschreiben möchte: „Sind Sie verheiratet oder leben Sie à la carte?“, will jemand wissen; und die Essenz des Lebens klingt wie abgekupfert von Oscar Wilde: „Wenn man auf dem Land ist, amüsiert man die Anderen, wenn man in der Stadt ist, amüsiert man sich selbst.“
Alle Rollen in der Inszenierung von Peter Millowitsch sind hervorragend besetzt. Kerstin Bruhn als berlinerndes Schöller-töchterchen Franziska spielt ebenso mitreißend wie Annette Potempa als Klapproths mannstolle Schwester Ida. Alexander von der Groeben gibt seiner Majorsrolle eine Prise Knall-charge, Tobias Krebs dem schüchternen Klapproth-sohn Alfred die passende Verklemmtheit.
Und last not least ist da noch Ivan Robert, der den soignierten Schöller-senior auftreten lässt. Von häufigem Zwischenapplaus begleitet, verging bei der Premiere die Zeit wie im Flug. Eine Empfehlung übrigens auch für den bevorstehenden Silvesterabend, wenn das Stück gleich dreimal auf der Steinstraße zu erleben sein wird.