Rheinische Post – Düsseldorf Stadt
Ausgefunkelt
Fortuna Düsseldorf beurlaubt Trainer Friedhelm Funkel. Der Klub sah mit ihm keine Aussicht auf den Klassenerhalt in der Fußball-bundesliga mehr. Nachfolger ist Uwe Rösler. Der Vorstand setzt sich mit dieser Entscheidung mächtig unter Druck.
DÜSSELDORF Um 11.21 Uhr passiert ein schwarzer Nissan Infiniti die Schranke am Arena-sportpark und fährt davon. Am Steuer sitzt ein emotional angefasster Friedhelm Funkel. Zwei Stunden zuvor wurde der 66-Jährige von seinem Job als Trainer bei Fortuna Düsseldorf, dem Tabellenletzten der Fußball-bundesliga, freigestellt. „Ich bin sehr enttäuscht“, sagt Funkel. „Ich kann diese Entscheidung nicht nachvollziehen, aber ich respektiere sie.“
Die Entscheidung, von der Funkel spricht, ist rund anderthalb Stunden zuvor offiziell verkündet worden, de facto aber deutlich früher gefallen. Denn Nachfolger Uwe Rösler steht nicht nur bereit, sondern wird schon um 13 Uhr öffentlich vorgestellt – ein bemerkenswert kleines Zeitfenster für eine angeblich so kurzfristig getroffene Entscheidung. Rösler ist sich durchaus bewusst, welches Erbe er da antritt. „Friedhelm hat hier Geschichte geschrieben“, sagt der 51-Jährige. „Ich möchte das jetzt gern auch tun, indem wir die Klasse halten. Das wäre sicher auch in Friedhelms Sinn.“
In Friedhelms Sinn wäre aber sicher auch gewesen, dass er selbst hätte weiterarbeiten dürfen, um dieses Ziel zu erreichen. Allein: Der Vorstand war schon seit längerer Zeit nicht mehr restlos davon überzeugt, dass Funkel die Qualitäten der Spieler – vor allem der Zugänge – ausreichend herauskitzeln würde. Dennoch wurde der Vertrag mit dem gebürtigen Neusser erst kurz vor Weihnachten um ein Jahr verlängert. Voraussetzung: der Klassenerhalt. Funkel selbst und das Gros der Mannschaft betonten immer wieder glaubhaft, dass die Beziehung zwischen Coach und Team einzigartig sei.
Der geschasste Chefcoach erzählt dann auch: „Der Abschied von der Mannschaft war sehr emotional. So emotional, wie ich es noch nie zuvor erlebt habe in meiner Karriere. Ich habe schließlich gesagt: Jungs, heute dürft ihr noch traurig sein, aber spätestens ab morgen müsst ihr alles reinschmeißen, um Fortuna zu retten.“Zu diesem Zeitpunkt ist die Mehrzahl der Fans des Traditionsvereins längst auf dem Baum.
In zahlreichen Internet-postings machen sie ihrem Ärger Luft, verweisen auf die großen Verdienste Funkels um den Verein und auch darauf, dass die Mannschaft noch am Sonntagabend trotz der 0:3-Niederlage in Leverkusen mit Leidenschaft und Einsatz für den Trainer gespielt habe.
Das sei auch sein Eindruck gewesen, betont Rösler, und selbst Sportvorstand Lutz Pfannenstiel, gemeinsam mit dem Gremiumsvorsitzenden Thomas Röttgermann und Marketingvorstand Christian Koke für die Entscheidung verantwortlich, stellt das nicht in Abrede. „Wir haben gut mitgespielt, wir haben überragend gekämpft, aber wir haben eben auch 0:3 verloren“, sagt Pfannenstiel. „Für mich hat es in den letzten Wochen keine Weiterentwicklung gegeben.“
Der Sportvorstand geht bei der Begründung weiter ins Detail. „Der Schritt ist uns sehr schwer gefallen, denn wir sind Friedhelm Funkel für seine Zeit bei Fortuna sehr dankbar“, sagt der 46-Jährige. „Aber wenn man auf die Fakten blickt, dann sieht man, dass wir den schlechtesten Angriff und die drittschlechteste Abwehr der Liga haben. Nach dem Spiel in Leverkusen haben wir deshalb lange diskutiert und schließlich die Entscheidung getroffen, einen neuen Impuls zu setzen.“
Einen Impuls, der Funkel letztlich nicht mehr überraschte, ihn aber dennoch schmerzte. Als der Routinier am Dienstagabend die Auszeichnung als „Düsseldorfs Trainer des Jahres 2019“entgegennahm, war nämlich kein Vertreter der Klubführung anwesend. „Da habe ich geahnt, dass etwas im Busch ist“, erklärt der 66-Jährige und blickt anschließend zurück: „Es waren großartige Jahre bei Fortuna, aber diese letzten Tage tun weh.“Und mit Blick auf die anstehende Verpflichtung von Valon Berisha – der Mittelfeldspieler von Lazio Rom war am Mittwoch schon beim Medizincheck und wird mit Kaufoption ausgeliehen – schließt Funkel an: „Mit solch einem Spieler hätte ich auch sehr gern zusammengearbeitet. Seit Anfang Januar habe ich Lutz gebeten, er möge diesen Transfer doch bitte zustande bringen.“
Nach Informationen unserer Redaktion war zu diesem Zeitpunkt das Verhältnis zwischen Pfannenstiel und Funkel aber bereits sehr angespannt. Der Sportvorstand und der Trainer hatten sich bei den Vertragsverhandlungen vor dem Union-spiel in die Haare bekommen. Funkel hätte bei einer Niederlage gegen die Berliner schon damals gehen müssen. Nun hat der Vorstand den Schritt gewagt, eine Vereinslegende abgesägt – und sich damit selbst unter Druck gesetzt. Klappt der Schachzug mit Rösler nicht, wird auch der Vorstand zur Verantwortung gezogen werden müssen. In den kommenden Wochen wird sich zeigen, ob es ein Trainerproblem gab oder ein Qualitätsproblem im Kader gibt.
Abgerundet wurde der ereignisreiche Tag bei Fortuna mit unfreiwilliger Komik. Auf seinem Twitterkanal gratulierte der Verein Funkel zu seiner Auszeichnung als „Trainer des Jahres“und stellte zudem das neue Spieltagsplakat zur Partie gegen Frankfurt am Samstag vor. Darauf ist Funkel mit seinem Assistenten Thomas Kleine und dem Spruch „Wir vertrauen nur einer Bank“zu sehen. Das Vertrauen der Klubführung war nicht einmal groß genug, dass es bis zum Anpfiff reichte.