Rheinische Post – Düsseldorf Stadt

Jonas Kaufmann müht sich durchs Konzert

Leichte Muse, schwer gestemmt: Der weltberühm­te Tenor musste in der Tonhalle zum Mikrofon greifen.

- VON REGINE MÜLLER

Jonas Kaufmann ist ein Zugpferd des Klassik-marktes. Seinen Star-ruhm verdankt der Tenor nicht nur seinem bronzefarb­en timbrierte­n Organ, sondern auch seiner blendenden Bühnenersc­heinung. Und seinem speziellen Charisma zwischen jungenhaft­em Charme und Dreitageba­rt-eros. Soeben ist sein neues Album erschienen, das sich der leichten Wiener Muse widmet. Und wie es sich gehört für einen Star dieser Größenordn­ung und die Marketing-macht eines großen Labels, gibt es zum Album eine Tournee.

Von den letzten Stationen dieser Tour las man eher Verhaltene­s, aus Hamburg verlautete, er sei stark erkältet, das Nürnberger Konzert sagte er ab. In Düsseldorf scheint nun alles nach Plan zu verlaufen, jedenfalls gibt es keine Ansage, bevor Jochen Rieder mit der Prague Philharmon­ia forsch die Ouvertüre zur „Nacht in Venedig“anstimmt.

Dann entert Kaufmann die Bühne und schraubt erstmal eines der beiden auf der Bühne installier­ten Mikros hoch. Doch eine Ansage? Aber nein, nicht von Indisposit­ion ist die Rede, sondern Kaufmann erklärt, das Operettenf­ach benötige eine gewisse Intimität, und die Mikros würden insbesonde­re nach der Pause bei Wiener Liedern und Schlagern zum Einsatz kommen.

Dann geht es endlich los. Kaufmann intoniert „Sei mir gegrüßt, du holdes Venezia“mit dunklem Bariton-gewicht, arbeitet sich langsam hoch, die Mitte tönt etwas belegt, oben bricht sich dann solides heldisches Metall Bahn. Das klingt eher romantisch raunend nach einem unbekannte­n Jugendwerk Wagners und entwickelt keinerlei Strauß-eleganz, geschweige denn Wiener Schmäh‘. Was aber ja auch ein Konzept sein könnte.

Irritieren­der ist, dass das Mikro bereits arbeitet und es bei den ersten zwei Arien und dem Duett aus der „Fledermaus“mit der Sopranisti­n Johanni van Oostrum zu seltsamen Überlageru­ngen von akustisch authentisc­hen und verstärkte­n Klängen kommt. Auch merkt man im Duett, dass Oostrums wendiger Sopran-strahl Kaufmann mühelos übertönt. Was man Oostrum nicht als unkollegia­l anrechnen darf, sie singt ohne jeden bösen Ehrgeiz, aber ihre Stimme trägt einfach viel besser. Was ist da los?

Kaufmann fühlt sich sichtbar unwohl. Die Arme kleben oft steif am Körper, in Pausen räuspert er sich, kontrollie­rt die Nase, wendet sich ab. Schon im ersten Teil jongliert er mit dem Mikro, geht nah heran, wenn er die Stimme in für ihn unangenehm­en Lagen zurückfähr­t, geht weiter weg, wenn er Kraft investiert und einzelne Phrasen ganz aussingt.

Das kommt indes nicht oft vor. „Draußen in Sievering blüht schon der Flieder“singt er durchweg nur im verhaltend­en Mezzoforte. Das soll liedhafte Leichtigke­it suggeriere­n, Wiener Eleganz und Beiläufigk­eit. Es fehlen aber die geschmeidi­ge Süße und lyrische Glut, die diese Musik braucht.

Im zweiten Teil singt er kaum noch einen kernigen Ton, nun ist sein Mikro vollends hochgeschr­aubt (ihres nicht!). Kálmáns „Zwei Mädchenaug­en“klingen dann tatsächlic­h nur noch wie markiert. Kaufmann macht das clever, sein Falsettreg­ister ist gut ausgebaut und bruchlos verbunden mit der Mittelstim­me, mit der er den Klang wieder erden kann. Die wenigen hohen Töne, die er mit voller Stimme singt, wirken angestreng­t, beengt und farblos. Was Wunder, dass die ersten spontanen Bravi nicht Kaufmann, sondern Johanni van Oostrum für ihr schwungvol­les „Vilja-lied“von Lehár kassiert. Spätestens hier wird überdeutli­ch: Van Oostrum singt sorgenfrei, Kaufmann kalkuliert. Dennoch großer Applaus, Zugaben.

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FOTO: DIESNER Jonas Kaufmann und Johanni van Oostrum in der Tonhalle.

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